Stille Messe in Steinfeld
500 sahen Übertragung von Sebastian Poensgen aus der Eifelbasilika St. Potentinus – „Die Kamera war meine Gemeinde“, so Pater Wieslaw Kaczor: „Das Kriegsrecht in Polen war schlimmer als das Corona-Virus in Deutschland“
Kall-Steinfeld – Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet bekanntlich zum Berg kommen“: Auf den Kirchenalltag in Corona-Zeiten übertragen, bedeutet das Sprichwort wohl: Wenn die Gottesdienstgemeinde sich schon nicht in der Kirche versammeln darf, dann überträgt man am besten den Gottesdienst aus der leeren Kirche zu den Gläubigen in die heimischen Wohnungen.
Was der Euskirchener Kreisdechant Guido Zimmermann von St. Peter in Zülpich aus im Zeitalter von Corona bereits seit Wochen praktiziert, das hat jetzt auch der mit der Zeit gehende Steinfelder Pfarrer, GdG-Leiter und Salvatorianer-Pater Wieslaw Kaczor entdeckt. Der im weiten Eifeler Umland nicht nur wegen seiner populären Hermann-Josef-Dienstage geschätzte Theologe und Ordensmann zelebriert jetzt ebenfalls online Heilige Messen aus der Eifelbasilika Steinfeld.
Der Autor und Journalist Stephan Everling veröffentlichte eine Reportage von den Dreharbeiten am Grab des Heiligen Hermann Josef. Darin schreibt er: „Es herrscht absolute Stille in der Basilika. Nur noch wenige Minuten bis zum Beginn des Online-Gottesdienstes, der am Samstagabend über Internet in die Welt hinausverbreitet wird.“
„Vor leeren Holzbänken“
Und weiter: „Eigentlich der Augenblick, in dem das Rascheln der Mäntel, das Schubbern der Schuhe über dem Holz oder hie und da ein leises Räuspern zu hören ist. Doch nichts stört die Ruhe, die im Kirchenschiff herrscht. Dort, wo sonst rund 300 Menschen sitzen, um die Heilige Messe zu feiern, stehen nur die leeren Holzbänke . . .“
„Küster Stefan Hönig legt mit beschwörendem Blick den Finger auf die Lippen. »Die Mikros sind schon auf«, flüstert er. Auch Sebastian Poensgen, der im Seitenschiff an einem Tisch sitzt und konzentriert auf den vor ihm stehenden Laptop sieht, winkt nur unwillig ab. Nicht an der großen König-Orgel sitzt der Organist Michael Pützer, sondern an dem modernen Instrument, das im Querschiff steht“, so der Originaltext von Everlings Report, der in der „Kölnischen Rundschau“ abgedruckt wurde.
„Punkt 18 Uhr betritt Pater Wieslaw Kaczor den Altarraum, gefolgt von der Pastoralreferentin Alice Toporowsky“, heißt es weiter: „Er wirkt konzentriert, fokussiert sich auf die Kamera als Gegenüber, die auf einem Stuhl vor dem Altar installiert ist. Und noch ein Attribut wirkt fremd: Die Säule mit dem Handdesinfektionsmittel, die links von Kaczor bereitsteht. Es ist der äußere Tribut an ein Virus, wegen dem derzeit die Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.“
Nicht nur für Wieslaw Kaczor ist das eine schwierige Situation, der nicht nur Pfarrer an St. Pontentinus ist, sondern auch in vielen weiteren Pfarreien des Kaller und Nettersheimer Hochlandes sowie GdG-Leiter der Gemeinschaft der Gemeinden Kall-Steinfeld.
Heilige Corona bitte für uns
Der gebürtige Pole lebt seit 25 Jahren im Kloster Steinfeld, aber die augenblickliche Situation um das nach einer katholischen Heiligen benannte Corona-Virus, ist für ihn ebenso völlig neu wie für den Rest seines Seelsorgeteams und der Welt als Ganzes. Der 1986 zum Priester geweihte Pater weiß die Dinge gleichwohl einzuordnen, schreibt Stephan Everling: „Als ich in Polen im Priesterseminar war, mussten wir drei Jahre unter Kriegsrecht leben. Das war schlimmer…“
„Abends Ausgangssperre, nicht ohne Genehmigung in die Stadt, Internierung von Menschen, die unbequeme Meinungen äußerten. Auch die Gottesdienste wurden vom Inlandsgeheimdienst abgehört. Teilweise wurden Priester eingesperrt“, erinnert sich Pater Wieslaw im Interview: „Doch die Ostergottesdienste durften gefeiert werden, anders als jetzt, wo wegen der Gefahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, ein Kontaktverbot erlassen wurde.“
Dass trotzdem Gottesdienste in der Eifelbasilika Steinfeld stattfinden können, ist Sebastian Poensgen aus Marmagen zu verdanken. „Ich hatte mir überlegt, dass es gut wäre, wenn so viel Normalität wie möglich stattfinden würde“, sagte er Stephan Everling. Dann habe er ein bisschen rumgesponnen und schließlich Pater Wieslaw angerufen, der sich sofort von der Idee einer Übertragung angetan gezeigt hatte.
Zuschauer auch in Polen
Die anfänglichen Tonprobleme seien mit einem neu gekauften Mischpult gelöst worden. „Ich wollte immer eins haben, jetzt hatte ich einen Grund, es anzuschaffen“, sagt Poensgen augenzwinkernd. Das Bild liefert eine handelsübliche Konferenzkamera.
Nach dem Gottesdienst waren Priester, Referentin, Musiker, Küster und Techniker entspannt. Es sei schon anders in der leeren Kirche, Gottesdienst zu feiern, ohne Stimmung und Atmosphäre. „Die Kamera war meine Gemeinde“, beschreibt Pater Wieslaw seine Gefühle.
500 Aufrufe habe es live gegeben, liest Sebastian Poensgen vom Bildschirm ab. In der Spitze hätten 140 Leute zugeguckt. „Ich weiß von vielen, die im Alter von 55 Jahren und mehr vor dem Bildschirm sitzen“, sagt er. Und eines habe ihm die Auswertung des Videoportals noch verraten: 99 Prozent der Benutzer seien aus Deutschland, ein Prozent aus Polen. Was Pater Wieslaw freut: „Das ist bestimmt meine Mutter!“
pp/Agentur ProfiPress