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„So geht das nicht weiter“

Kölner Stadt-Anzeiger befragt Mechernicher „Tafel“- Vorsitzenden und Landestafelchef Wolfgang Weilerswist – Organisation steht vor großen Versorgungsproblemen – Mehr Bedürftige, weniger Spenden und höhere Preise – Ein Pressespiegel von Henri Grüger

Mechernich/Köln/Bergisch-Gladbach – Inflation, weniger Spenden sowie immer mehr Menschen, die auf die „Tafel“ angewiesen sind – und ein Mechernicher, der alles in seiner Macht Stehende tut, um ihnen zu helfen: Wolfgang Weilerswist, nicht nur Vorsitzender des städtischen Mechernicher Ablegers, sondern auch NRW-Landestafelchef und Vorstandsmitglied im Bundesverband.

Der Ex-Luftwaffenoffizier und TuS-Präsident berichtete dem Kölner Stadt-Anzeiger über seinen Einsatz und den seiner 12.600 Mitstreiter in den „Tafel“-Organisationen im Land sowie deren großes Versorgungsproblem, das gerade die Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft trifft.

Und zwar offenbar härter denn je: Durch die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat sich in den vergangenen Monaten alleine in der exemplarisch vom Kölner Stadt-Anzeiger besuchten „Tafel“ Bergisch-Gladbach die Zahl der Familien und anderen „Bedarfsgemeinschaften“, die versorgt werden, von 50 auf 120 mehr als verdoppelt.

Täglich erreichten Weilerswist Hilferufe der insgesamt 172 „Tafeln“ und mehr als 500 Ausgabestellen in NRW. „Keine davon bleibt von den Folgen des Krieges und der Rezession verschont“, so Weilerswist. Das Missverhältnis zwischen der Masse an Bedürftigen und den ständig schwindenden Ressourcen wird immer größer.

Immer mehr Hilferufe von „Tafeln“ aus ganz Nordrhein-Westfalen erreichen den Landesvorsitzenden Wolfgang Weilerswist, der auch gleichzeitig Bundesvorstandsmitglied und Vorsitzender der Mechernicher „Tafel“ ist. „So kann es nicht weitergehen“, betonte er im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Archivfoto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Wie die Autorin des Stadt-Anzeiger-Berichtes, Susanne Rohlfing schreibt, liegt das an den Flüchtlingen aus der Ukraine, die zwar Sozialleistungen erhalten, davon aber genauso wenig wirklich leben können wie die hiesigen Hartz-IV-Empfänger. Außerdem liege es an den steigenden Preisen: „in den Supermärkten, an den Tankstellen, bei Gas und Strom, die dafür sorgen, dass noch mehr Menschen mit ihrem wenigen Geld nicht auskommen.“

2012 wurde der NRW-Landesverband ins Leben gerufen. Bereits in der Gründungsversammlung wurde Wolfgang Weilerswist direkt zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, 2014 dann schließlich zum Chef. Seitdem sitzt der Mechernicher fest im Sattel und setzt sich leidenschaftlich für die „Tafel“ ein, nicht nur in Mechernich, wo Weilerswist maßgebend an der Einrichtung des dortigen Logistikzentrums beteiligt war, aber auch bei der Gründung der „Tafeln“ in Kall und Bad Münstereifel leistete er Beistand.

 „Ausgabegruppen“ als Übergangslösung

Zu wenige Sozialleistungen sind zwar schon seit Jahren ein Problem, doch hinzu kommt mittlerweile laut Weilerswist auch ein Rückgang an Sach- und Geldspenden. Supermärkte verkauften heute lieber Produkte mit nahezu abgelaufenem Verfallsdatum, die sie früher der „Tafel“ spendeten. Viele Haushalte hätten auch „nichts mehr übrig“, was sie noch spenden könnten.

So führten die steigende Zahl an Bedürftigen und der Mangel an Versorgungsgütern, zumindest in Bergisch-Gladbach, bei den „Bedarfsgemeinschaften“, also Menschen, die auf die „Tafel“ angewiesen sind, mittlerweile zu drei „Ausgabegruppen“ mit unterschiedlichen Chancen.

Wenn man der dritten und letzten zugeteilt ist, muss man nehmen, was übrigbleibt. Ein Betroffener sagte auf Nachfrage dazu: „Dann komme ich gar nicht mehr“ – bei meist fast leeren Regalen gegen Ende. „Letzte Woche hatten wir am Ende nur noch Brot“, bemerkte auch Eddi Stoffel (76) von der Bergisch-Gladbacher „Tafel“.

Inflation, weniger Sach- und Geldspenden sowie eine stetig wachsende Zahl an Bedürftigen – zurzeit vor allem Flüchtlinge aus der Ukraine -machten allen Tafeln im Land gehörige Sorgen, so Wolfgang Weilerswist (r.). Archivfoto: Renate Hotse/pp/Agentur ProfiPress

Swieta, eine alleinerziehende Mutter, die mit ihren beiden Kindern Anastasia und Ivan aus Charkiw in der Ukraine flüchten musste, hatte an diesem Tag mehr Glück. Sie war eine der Glücklichen in der ersten Gruppe und konnte ihre Kinder und sich selbst ausreichend versorgen. Den Tipp, zur „Tafel“ zu gehen, hatte sie in der Asylantenunterkunft von anderen Flüchtlingen bekommen. „Das hat uns sehr geholfen“, betonte sie gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.

„Stiehlt sich aus der Verantwortung“

Weilerswist ärgert es besonders, dass der Staat gerade auch Ukraine-Flüchtlinge einfach zur „Tafel“ schickt, statt mehr zu unterstützen. Der Stadt-Anzeiger zitiert ihn: „Man stiehlt sich aus der Verantwortung“. So sei es Zeit für eine staatliche Grundförderung, denn, wie Wolfgang Weilerswist betonte: „So geht es nicht weiter, das hält die Tafel-Landschaft nicht aus.“

Und so setzt man auf neue Lösungsansätze. Interessant beispielsweise ist ein Berliner „Kauf zwei gib eins“-Konzept. Dies soll nun auch in Bergisch Gladbach etabliert werden. Das Prinzip ist einfach – zwei Produkte kaufen und eine davon als Spende in einen Tafel-Einkaufswagen legen.

Wolfgang Weilerswist sagt in dem Pressebericht, er könne von seiner Pension sehr gut leben: „Ich habe so viel Glück gehabt, jetzt kann ich etwas zurückgeben.“ So erklärt er sein Engagement für die Tafel. „Es verhungert zwar niemand in Deutschland, aber das Leben als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern kann sehr erbärmlich sein“, zitiert ihn der Kölner Stadt-Anzeiger: „Man muss sich schämen, dass ein so reiches Land wie Deutschland es nötig hat, »Tafeln« zu haben.“

Zwar gab es für Infektionsschutz in der Pandemie 5000 Euro pro „Tafel“ und 900.000 Euro für den Aufbau von sechs Verteilzentren – ansonsten habe man keine staatliche Hilfe erhalten, so Wolfgang Weilerswist. Zu wenig für die ehrenamtlichen „Tafeln“, die als Vereine organisiert werden, deren Mitglieder und Helfer meist Rentner sind.

pp/Agentur ProfiPress