Eis schlecken wie in Berlin
Daniela Pop erfüllte sich in ihrem Heimatort Antweiler den Traum von der eigenen Eisdiele – Ausstattung auf ebay entdeckt – Labor und Rezepte aus der deutschen Hauptstadt
Mechernich-Antweiler – Daniela Pop hat Finanzmanagement studiert. Nicht unpraktisch für eine Eisdielenbesitzerin. Aber doch recht ungewöhnlich. – Zumal die Eisdiele der 40-Jährigen weder in einer pulsierenden Innenstadt-Fußgängerzone liegt, noch an einem überhitzen Mittelmeerstrand.

Sondern: mitten in Antweiler. Einem Dörfchen mit überschaubarer Einwohnerzahl (800 plus), wo das Wetter bisweilen wechselhaft ist und die Zahl der Laufkundschaft dementsprechend variabel. Warum also Kugel- statt Aktienhandel? Und, wieso – zu allen fünf Eisheiligen – ausgerechnet hier: In einem Einfamilienhaus an der beschaulichen Graf-Schall-Straße?
Daniela Pop strahlt sämtliche Fragezeichen locker weg. „Ach, das war Schicksal! Wissen Sie, ich stamme aus Rumänien“, die Wangen der 40-Jährigen röten sich. „Als Studentin habe ich an einem Deutschland-Austausch teilgenommen und währenddessen hier ganz in der Nähe in einer Eisdiele gejobbt. Das war so toll!“ Ein schwärmerischer Ausdruck tritt auf Daniela Pops Gesicht. Insgeheim habe sie damals immer gedacht: „So eine süße kleine Eisdiele in Deutschland, das wär´s!“
„Drei, zwei, eins: meins!“
Vor drei Jahren ist dieser Traum wahr geworden. Dank einer zufälligen Entdeckung auf der Gebrauchthandelsplattform „ebay“. Und einer gehörigen Portion Mut. Oder vielleicht sollte man besser sagen: Kaltblütigkeit. „Drei, zwei, eins: meins!“ So schnell, wie der Werbeslogan verspricht, kam Familie Pop zu einer gebrauchten Eisdiele.
Dass ihr Jugendtraum nach so langer Zeit plötzlich wiedererwacht war, sei kein Zufall gewesen, erinnert sich Daniela Pop. Schuld war, kaum zu glauben: ein ungeduldiger Eisverkäufer.

„Der kam jeden Abend mit seinem Verkaufswagen zu uns nach Antweiler und hat gebimmelt – aber wir haben ihn nie erwischt! Obwohl wir sogar das Geld schon bereitgelegt hatten und gleich beim ersten Bimmeln losgerannt sind. Immer sahen wir nur noch die Rücklichter.“ Die Kinder hätten jedes Mal geheult. „Jetzt reicht´s!“, habe sie irgendwann zu ihrem Mann Juliu gesagt: „Dann mache ich das eben selber!“
Noch am selben Abend machte sich die 40-Jährige im Internet auf die Suche. Und stolperte dort über ein Angebot, das zu ihr passte, wie die Kugel aufs Hörnchen.
Der Besitzer einer Eisdiele namens „Eis Mastro“ in Berlin plante, sich demnächst zur Ruhe zu setzen. Weil der 82-Jährige aus dem Stadtteil Reinickendorf keinen Nachfolger fand, suchte er auf ebay nach einem Abnehmer.
Zum Verkauf stand der Großteil der Einrichtung aus den 80-er Jahren: Glastheke, Arbeitsfläche, Leuchtreklame sowie das gesamte Eislabor. Alles quasi, außer Tischen und Stühlen. „Gebraucht und nicht zu teuer“. – Perfekt für die Branchenneulinge aus Antweiler.
Den Spitznamen des Besitzers übernommen
Daniela und Juliu Pop schlugen zu. Eine Woche später nahmen sie ihre Ausbeute in der Hauptstadt unter die Lupe. „Die Sorge war groß, dass wir einen Fehler gemacht hatten.“

Doch im Gegenteil. Zu seiner größten Freude stellte das Paar fest, dass es einen Volltreffer gelandet hatte: „Die Sachen waren alle noch super in Schuss und der Vorbesitzer hat uns sogar seine geheimen Eis-Grundrezepte mitgegeben.
Mensch, waren wir happy!“ So happy, dass Pops beschlossen, den ungewöhnlichen Namen der Berliner Eisdiele gleich mit zu übernehmen, der jetzt in Antweiler auf der beleuchteten Werbefläche hinter der Theke prangt. Wo er, wie die Besitzerin zugibt, noch täglich Fragen aufwirft. „Warum ‚Eis Mastro‘?“, fragen die Kunden. „Und nicht Meistro oder Maestro?“ Daniela Pop erklärt es gern: „Die Eisdiele ist nach dem Vorbesitzer benannt, der mit Nachnamen Mastrolorito hieß. ‚Mastro‘ war sein Spitzname.“ Der alte Herr habe sich über diese Geste riesig gefreut.
Aus Bügelzimmer wurde Eislabor
In der Graf-Schall-Straße Nummer 20 sei früher eine Schlosserei gewesen, erzählt Daniela Pop – und noch früher eine Autosattlerei. Aus dieser Zeit habe sie zuletzt ein historisches Foto gefunden. „Das alte Bild des Hauses finde ich wunderschön. Toll, was es einmal war und was daraus geworden ist!“ Die Antweilerinnen und Antweiler, sagt Daniela Pop, lägen ihr wirklich am Herzen. „Sie haben uns in den letzten Jahren ganz toll unterstützt, wovor ich super dankbar bin.“
Dass Kinder das „Eis Mastro“ lieben, zeigt sich nicht nur an der Theke, wo die Kleinen regelmäßig auf Zehenspitzen balancierend ihre Lieblingssorten ordern.

Als für das gemeinsame Kunstprojekt „Future Code“ der KGS Mechernich mit der Künstlerin Alex Rix interessante Orte im Stadtgebiet gesucht wurden, die mit allen Sinnen erlebbar sind, landete das „Eis Mastro“ als Vorschlag ziemlich weit vorne.
Damit aus dem Wohnzimmer der vierköpfigen Familie eine Eisdiele werden konnte, mussten Pops ihr Eigenheim allerdings erst umbauen. Auch das nahm das Paar pragmatisch: Nach der Flut im Jahr 2021 hätte ohnehin eine gründliche Renovierung angestanden.

Die Eisdiele ist schnucklig: drei winzige Tische, mehr passten partout nicht zwischen Theke und Eingangstür. Daniela Pop opferte sogar ihr Bügelzimmer, denn darin befindet sich nun das Eislabor, wo die 40-Jährige fleißig experimentiert. „Meine Spezialität sind fruchtige und nussige Eissorten, am liebsten aus natürlichen Zutaten“, sagt sie. „Zitrone-Basilikum, Walnuss-Feige, Weiße Schokolade-Orange, Sesam oder Aloe Vera. Ich probiere viel aus und schaue, was bei den Kunden gut ankommt.“
„Ganz so wie in ihrer Vorstellung damals, von der süßen kleinen Eisdiele in Deutschland. Daniela Pop lächelt. „Hm, ja. Ganz genauso.“ Manchmal werden Träume eben wahr. In Berlin genauso wie in Antweiler.
pp/Agentur ProfiPress