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Einstehen für Freiheit und Demokratie

Pogrom-Gedenkrundgang in Mechernich unter maßgeblicher Beteiligung der Gesamtschule und des Gymnasiums Am Turmhof – Erinnerungen an die hiesige jüdische Gemeinde

Mechernich – „Wenn man sich die Größe dieses Friedhofs ansieht, dann wollte die jüdische Gemeinde sich noch deutlich länger in Mechernich niederlassen“, ist sich Franz-Josef Kremer, Organisator des Pogrom-Gedenkrundganges in Mechernich sicher. Weit mehr als 100 Menschen, darunter besonders viele Schüler der Gesamtschule und des Gymnasiums Am Turmhof, sind auf den jüdischen Friedhof an der Straße „Im Steinrausch“ gekommen, um der Opfer des Holocausts zu gedenken.

Der Pogrom-Gedenkrundgang in Mechernich begann auf dem jüdischen Friedhof. Organisator Franz-Josef Kremer gab den Teilnehmern, darunter viele Schüler, Zeit, sich in Ruhe auf dem Friedhof umzusehen. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Doch aus dem Wunsch ist nichts geworden. Die letzte Person, die dort beerdigt wurde, war Bertha David im Jahr 1936. „Danach ist die jüdische Gemeinde in Mechernich untergegangen, vernichtet worden“, so Kremer. Heute, so Kremer weiter, lebten keine Juden mehr in Mechernich.

Doch es gab auch damals Widerstand in Mechernich. Andreas Girkens hat mit dem Leben dafür bezahlt, dass er Juden geholfen hat, weitere Judenhelfer wie Matthias Hufschlag lebten in ständiger Gefahr, das Textilhaus Wulschner wurde gar angegriffen. „Es ist unvorstellbar, dass heute eine aufrechte Haltung gegen rechts einen das Leben kosten kann, wie den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke“, sagte Kremer und stellte die rhetorische Frage: „Wenn am kommenden Wochenende die Enkel von Juden aus Kommern zum Gedenken kommen, was sollen wir ihnen sagen?“

Organisator des Rundgangs war Franz-Josef Kremer, der deutliche Worte gegen aktuelle politische Strömungen fand. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Gesamtschüler hatten ein paar Tage vor dem Gedenkrundgang einen ganzen Vormittag den Friedhof auf Vordermann gebracht und unter anderem 30 Kubikmeter Laub eingesammelt. „Wir haben das als Schule von der Hauptschule übernommen“, erklärt Lehrer Ralf Hennecke. Gleichzeitig haben sich zwei Zehner-Klassen mit dem Überthema „Widerstand gegen das Vergessen“ befasst und das Getto Theresienstadt und die vernichtete Stadt Lidice besucht.

Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich wurde die tschechische Kleinstadt überfallen: die Männer wurden zusammengetrieben und erschossen, die Frauen kamen ins Konzentrationslager, die meisten Kinder wurden vergast. Lidice wurde komplett eingeebnet. Für die Mechernicher Gesamtschüler war der Besuch der Parkanlage, an der Stelle, der früher der Ort war, ein „bedrückendes Gefühl“, wie sie berichteten. „Wir müssen für Freiheit und Demokratie einstehen, damit so etwas nie wieder passiert“, waren sie der Meinung.

Die zehnten Klassen der Gesamtschule hatten sich mit dem Thema Widerstand beschäftigt und das Getto Theresienstadt und den Ort Lidice besucht. Außerdem hatten sie den jüdischen Friedhof gereinigt. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Im Getto von Theresienstadt haben sie sich die Dachbodenfunde angeschaut. Lukas Lev, der in Terezin wohnt, hat beim Ausräumen seines Dachbodens Zeichnungen und Gedichte an der Wand entdeckt, die während der Zeit, als Theresienstadt Ghetto und Durchgangslager war, von Juden heimlich angefertigt waren. Sogar das Stadtwappen von Köln fand sich dort, auch eine Zeichnung der Karlsbrücke, das Datum des D-Days und ein Gedicht über Wanzen. „Es ist erstaunlich, mit welcher Kreativität diese Menschen ihre Gefühle in Bildern an die Wand gemalt haben“, sagte eine Schülerin.

Danach ging es noch ins Gymnasium Am Turmhof, wo ein musikalisches Gedenken stattfand. Das von Aaron Zeitlin und Sholom Secunda geschriebene Lied „Donna Donna“, das am Beispiel eines Kalbes auf dem Weg zum Schlachthof die Judenverfolgung thematisiert, sollte nicht nur von der Band, sondern auch von den Gästen mitgesungen werden.

Im Gymnasium Am Turmhof spielten Schüler mit einem Lehrer das jiddische Lied „Donna Donna“. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Franz-Josef Kremer war am Ende sehr zufrieden. „Es ist ein gutes Zeichen, dass so viele junge Menschen mitmachen. Denn es ist notwendig.“ Er zählte die besorgniserregenden Ereignisse der Gegenwart auf: Mehrere Tausend Reichsbürger leben in Deutschland, Polizisten, die bei Nazi-Demonstrationen nur zuschauen, und Thüringer CDU-Mitglieder, die „gemeinsame Sache mit einer Partei machen wollen, die von einem Faschisten geführt wird“ als Zeichen der Deeskalation. Für Kremer ist das unvorstellbar: „Wenn es um Nationalismus, um Antisemitismus und um Rassismus geht, darf es keine Deeskalation geben.“

pp/Agentur ProfiPress