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Erinnerung und Trauer

Skulptur vor dem Rathaus erinnert an alle Opfer des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und erstmals ausdrücklich auch an die geknechteten und ermordeten zivilen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus dem Osten

Mechernich – Deutlich über hundert Menschen nahmen am Dienstagabend vor dem Mechernicher Rathaus an der Enthüllung der neuen Gedenkstele teil, die erstmals an alle Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnert.

Erstmals im Kreisgebiet finden auf dem Mechernicher Denkmal ausdrücklich und nachdrücklich auch die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen insbesondere aus Polen und der früheren Sowjetunion Erwähnung, die hier entmenschlicht, versklavt und aus geringsten Anlässen umgebracht wurden.

Der Denkmaltext endet mit einem Appell: „Die Zerstörung von Demokratien beginnt mit der Ausgrenzung, Entrechtung und Entmenschlichung einzelner Bevölkerungsgruppen. Verteidigt den Rechtsstaat – Widersteht Hass und Hetze – Bewahrt Frieden!“

An der Gedenkstele für alle Opfer des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (v.r.) Anna von Laufenberg, die das Denkmal entworfen hat, Franz Albert „fa“ Heinen, Journalist, Buchautor und Initiator, die Rezitatorin Katia Franke, Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Landrat Markus Ramers. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Unterzeichnet ist die Texttafel der Stele, deren Errichtung auf eine Initiative des Journalisten und Buchautors Franz Albert Heinen zurückgeht, von Bürgermeister, Rat und Verwaltung der Stadt Mechernich.

Vor dem Appell stehen Bekenntnis und realistische Einschätzung der damaligen Haltung in der Bevölkerung: „Einige Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt beteiligten sich an Übergriffen gegen die Opfer, viele schauten tatenlos zu, andere leisteten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand.“

Um den Text auf der Stele nach Entwürfen der aus Lückerath stammenden Künstlerin Anna von Laufenberg war ein Jahr unter Federführung von Franz Albert Heinen, Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Gisela Freier, Manfred Lang mit Historikern und Stadtratspolitikern gerungen worden.

Kein Weg in die Freiheit

Den künstlerischen Denkmalentwurf setzte die Hosteler Spezial-Metallbaufirma Müller aus rostendem Stahl in einer Größe von knapp drei Metern Höhe als Relief um. Den in V-2-A-Stahl gelaserten Text flankiert ein halbes Fenster als symbolischer Lichtblick einer trügerischen Hoffnung auf Freiheit, zu der zu entkommen den Opfern allerdings durch Stacheldrahtranken am Fuß des Denkmals in Wirklichkeit verwehrt blieb…

Die Einweihung fand am schicksalsschwersten Tag der Deutschen, dem 9. November, statt, an dem die Weimarer Republik ausgerufen worden war und die Berliner Mauer zwischen zwei deutschen Staaten hin zur Wiedervereinigung überwunden wurde. „Vor allem aber bleibt dieses Datum mit der Reichspogromnacht zum Auftakt einer beispiellosen Verfolgung und Vernichtung der deutschen und europäischen Juden mit am Ende sechs Millionen Holocausttoten verbunden“, so Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick.

Zu der Feierstunde mit ergreifenden Ansprachen von Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Franz Albert Heinen waren deutlich über hundert Bürger gekommen, zahlreiche Kommunalpolitiker, Schüler der Gesamtschule, Pfarrer Erik Pühringer, die stellvertretenden Bürgermeister Heinrich Schmitz und Günther Kornell sowie Landrat Markus Ramers.

Die zum Anlass passende Musik für Streicherduett von W. Aeschenbacher und F. Fiorillo intonierten Nicole Besse (Violine) und Johanna Stein (Violoncello). Die Arbeitsgemeinschaft „Schule gegen Rassismus“ um die Lehrerinnen Nelly Anton und Najla Azizi und der Chor der Gesamtschule Mechernich unter Jutta Simon-Alt intonierten einen Rapp mit Textfragmenten aus der deutschen Nationalhymne und John Lennons Friedenssong „Imagine“.

„Es ist an der Zeit…“

Unter die Haut gehender Höhepunkt der Feierstunde war die Verlesung von Opfernamen. Die Rezitatorin und Rundfunkmoderatorin Katia Franke verlieh dabei in würdevoller Weise zivilen Zwangsarbeitern, darunter fünf von Zwangsarbeiterinnen am Bleiberg geborenen und wieder verstorbenen Kindern, sowie in Mechernich erschossenen und erhängten Kriegsgefangenen als jeweils einzelnen Menschen und Individualpersönlichkeiten Erinnerung, Trauer und Anteilnahme.

„Es geht nicht um Übernahme kollektiver Schuld“, sagte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, der sich ganz persönlich für die Aufstellung des Mahnmals eingesetzt und an der Formulierung des Textes beteiligt hatte: „Die vorige Generation wäre dazu nicht in der Lage gewesen, sich den Dingen so schonungslos zu stellen, aber für uns ist es jetzt an der Zeit, uns auch an diese Opfer der Terrorherrschaft aus dem Osten zu erinnern, 80 Jahre nach Anzettelung eines Weltanschauungskrieges gegen die Sowjetunion und die Entmenschlichung ihrer Einwohner.“

Der bekannte frühere Stadt-Anzeiger-Redakteur Franz Albert Heinen (Kürzel „fa“) und Buchautor („Die Ordensburg Vogelsang“, „NS-Ordensburgen: Vogelsang, Sonthofen, Krössinsee“, „Abgang durch Tod – Zwangsarbeit im Kreis Schleiden 1939-1945“), sprach der Stadt Mechernich zu Beginn seiner Ansprache eine „vorbildliche Erinnerungskultur“ zu.

An der jahrzehntelangen Aufarbeitung der Geschichte und des Schicksals jüdischer Familien aus dem heutigen Stadtgebiet hätten sich auch Kinder und Jugendliche der früheren Hauptschule Mechernich unter Anleitung ihrer Lehrerin Gisela Freier, aber auch anderer Bürgerinnen und Bürger wie der Kommernerin Christine Hiller beteiligt.

Nun habe sich die Stadt am Bleiberg mutig und unerschrocken der Aufarbeitung und dem Gedenken an alle Opfergruppen der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gestellt, insbesondere an die Zwangsarbeiter, an die kaum noch erinnert werde. Pünktlich zur Denkmalenthüllung lieferte die Gemünder Druckerei Wallraf 1500 Flyer mit einem Layout von Kathrin Wallraf und informativen Texten von Gisela Freier, F.A. Heinen und Manfred Lang.

Euthanasie und Zwangsterilisation

Darin wird das Schicksal der geknechteten und ermordeten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen beleuchtet, die in den Mechernicher Bleigruben, aber auch auf Bauernhöfen und zum Teil auch in Betrieben und sogar kirchlichen Einrichtungen zum Arbeitseinsatz kamen. Das kostenlos im Rathaus erhältliche kunstvolle Druckwerk gibt im DIN-A-6-Format aber auch Auskunft über die Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Mitbürger, Zwangssterilisationen am Mechernicher Krankenhaus und Euthanasiemorde an behinderten Kindern und Erwachsenen.

„Bei der Vorstellung meines Buches über Zwangsarbeit im Altkreis Schleiden vor einigen Jahren habe ich ohne jede konkrete Absicht beiläufig gesagt, dass ich mir ein Denkmal für diese unterdrückten und ermordeten Menschen wünsche – und heute stehen wir hier und enthüllen dieses Denkmal…“ Heinen zeigte sich stark beeindruckt von der „absoluten Problemlosigkeit“ und dem enormen Entgegenkommen des Stadtrats, der einstimmig für die Stele votiert hatte, und insbesondere des Bürgermeisters.

Dr. Hans-Peter Schick dankte seinerseits vor allem „fa“ Heinen „für den Anstoß und sein besonderes Engagement zur Errichtung dieser Stele“. Der Bürgermeister dankte auch Diakon Manfred Lang für die konstruktive Begleitung des Projektes vom Anfang bis zu seiner Realisierung, dessen Tochter Anna von Laufenberg für den künstlerischen Entwurf des Denkmals und seiner Frau Sabine Roggendorf, die die Stoffbahnen zur Verhüllung der Stele genäht hatte.

Dr. Schick dankte Kathrin Wallraf für die Erstellung des Flyers und den Metallbaumeistern Willi und Dirk Müller für die Anfertigung des Gedenkreliefs. Der Bürgermeister vergaß auch nicht seine engsten Mitarbeiter im Rathaus, allen voran Teamleiter Willi Göbbel und Fachgebietsleiter Holger Schmitz, Rathausmeister Rainer Schulz und der Standesbeamtin Kerstin Lehner, die alle Fäden während der Vorbereitung gewoben und in den Händen behalten hatten.

„Den Kollegen Alexander Schröder, Marcel Mey, Sven Ebmeier, Ken Derichs und Helmut Schoddel vom städtischen Bauhof danke ich für die Fundament-Erstellung, für die elektrischen Arbeiten, die Pflaster- und Pflanzarbeiten“, so der Verwaltungschef, der sich ebenfalls bei den Gesamtschülern, ihren Lehrerinnen, bei den Musikerinnen Nicole Besse und Johanna Stein und der Rezitatorin Katia Franke bedankte: „Sie versteht es wie kaum eine andere, die Zuhörer mit Ihrer Stimme zu berühren…“

pp/Agentur ProfiPress