300 Anträge auf den Weg gebracht
Antragswerkstatt im Rathaus: Stadt und DRK ziehen nach zwei Jahren positive Bilanz – Finanzierung „kreisweit einzigartig“ – Neu: Alle 14 Tage feste Einzelsprechstunden
Mechernich – An seinen Bafög-Antrag erinnert Kevin Löhr sich noch genau. Vor allem an die Unsicherheit, mit der er als Neu-Student über den Formularen brütete: „So viele Seiten! Irgendwann habe ich überhaupt nicht mehr durchgeblickt, und man will ja auch nichts falsch machen.“
Ratlosigkeit beim Ausfüllen von Anträgen? – Das kann dem fertig studierten Sozialarbeiter heute nicht mehr passieren, im Gegenteil. Kevin Löhr kennt sie alle: Von Wohngeld über Kinderzuschlag, Bürgergeld, Arbeitserlaubnis, GEZ-Befreiung, und, und, und. Man könnte sagen, den Antrag, den der Mitarbeiter des DRK-Kreisverbands Euskirchen noch nicht gesehen hat: Es gibt ihn nicht. „Und falls doch“, lacht Löhr: „Dann weiß ich, wen ich fragen muss.“
„Habe im Rathaus schon an jede Tür geklopft.“
Vor ziemlich genau zwei Jahren ist die Antragswerkstatt im Rathaus Mechernich gestartet. Das Angebot, das vom DRK bereitgestellt und seit anderthalb Jahren von der Stadt finanziert wird, umfasst zwei Bausteine. Der erste richtet sich an Bürgerinnen und Bürger, die Fragen zum Ausfüllen von amtlichen Formularen haben. „Und solche Fragen haben alle Menschen!“, stellt Kevin Löhr klar. „Egal, wie alt sie sind, wie gebildet oder woher sie kommen. Niemand muss sich dafür schämen.“
Jeden Mittwoch von neun bis zwölf Uhr sitzt der DRK-Mitarbeiter im Trauzimmer, um beim Entschlüsseln von kompliziertem Amtsdeutsch zu helfen. „Der Großteil meiner Arbeit besteht aus Übersetzen von Formular-Texten in einfache Worte.“ Was dringend nötig ist, wie man bei der Stadt Mechernich beizeiten erkannt hat.

Auf Wunsch erklärt Kevin Löhr auch gern mehrmals und in aller Ruhe, welche dringend erforderlichen Bescheinigung es wo gibt. „Hilfe zur Selbsthilfe“, bringt er das sozialarbeiterische Prinzip auf den Punkt. „Es geht nicht darum, mir einen Karton mit Briefen hinzustellen, und zu sagen: ‚Hier, mach mal!‘ “ Durchs Selbermachen lerne man schließlich auch hinzu. „Und irgendwann, im besten Fall, braucht man mich gar nicht mehr.“
Nicht zuletzt helfe das Angebot den Menschen, Struktur in ihre Abläufe zu bringen. „Dazu kommt noch der positive psychologische Effekt: Sich nicht allein zu fühlen mit komplizierten Fragen, von denen ja manchmal echt viel abhängt, das tut den meisten Menschen einfach gut. Die Erleichterung ist immer wieder zu spüren. Da rollen auch schon mal die Tränen.“
Zweiter Baustein: Aufsuchende Hilfe
Die Zahlen sprechen für sich: Knapp 300 Anträge hat Kevin Löhr allein in Mechernich in den letzten zwei Jahren mit auf den Weg gebracht. Anfangs musste er dazu selbst an viele Türen klopfen. „Ich glaube, ich war schon in fast jedem Büro hier“, schmunzelt der Sozialarbeiter.
Kati Jakob, Fachbereichsleiterin Soziales der Stadt Mechernich, kann das bestätigen. Mehr noch: sie ist dankbar für jede Frage. „Gut so! Unseren Mitarbeitern erleichtert es am Ende die Arbeit enorm, wenn Anträge korrekt ausgefüllt sind und alle erforderlichen Bescheinigungen sofort dabei.“ Eine Win-Win-Situation also, mit dem man auch beim DRK zufrieden ist.
„Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Stadt ist stets fruchtbar und äußerst leicht“, lobt Boris Brandhoff, Teamleiter Migration/Integration des DRK-Kreisverbands Euskirchen. „Es gibt hier sehr viel gegenseitiges Verständnis.“ Übrigens: Dass ein Sozialarbeiter zu diesem Zweck allein von der Stadt finanziert wird, ist kreisweit einzigartig.
Boris Brandhoff und seine Stellvertreterin Monika Schwingeler, begleiten auch den zweiten Baustein von Beginn an: Die Antragswerkstatt für Geflüchtete, die montags in einer Mechernicher Gemeinschaftsunterkunft gastiert – ebenfalls ein Erfolgsmodell.
Hier hilft Kevin Löhr zum Beispiel bei der Anmeldung zu Deutschkursen, unterstützt bei der Anerkennung von Zeugnissen oder beim Verfassen von Bewerbungen. Ziel dieses Angebots ist die langfristige Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Denn ein Resümee der letzten zwei Jahre sei eben auch, so Schwingeler, die Arbeit vor Ort vom stationären Trauzimmer in die Unterkünfte, und damit in die direkte Lebenswelt der Geflüchteten, auszuweiten.
„Das ist für die Stadt Mechernich eine wichtige Ergänzung zur bestehenden Integrationsarbeit. Hier werden verschiedenste Schwierigkeiten, auf die Zugewanderte treffen, im Gespräch aufgefangen und gemeinsam mit den Bewohnenden gelöst.
Vielleicht ist die Antragswerkstatt deshalb so erfolgreich, weil sie ständig dem Bedarf angepasst wird. So auch jetzt wieder, ganz aktuell: Neben den Sprechstunden am Mittwoch, ist es ab September zusätzlich möglich, bei Kevin Löhr feste Termine zu vereinbaren. Alle 14 Tage nimmt er sich dann Zeit für größere Projekte.
Termine hierfür können unter Telefon 0151 251 728 50 oder per Mail kloehr@drk-eu.de vereinbart werden.
pp/Agentur ProfiPress