„Über 350 Botschafter in der Region“
Mitgliederstärkster Förderverein der sieben rheinischen Industriemuseen feierte mit einer Matinee sein 25jähriges Bestehen – Kulturelles Erbe der 21 Euskirchener Tuchfabriken vor dem Vergessen bewahren
Euskirchen-Kuchenheim – Das jährlich erscheinende Magazin des Fördervereins des LVR-Industriemuseums am Standort Kuchenheim in der früheren Tuchfabrik Müller nennt sich „Transmission“. Das ist ein technischer Begriff für die mechanische Kraftübertragung mit Wellen, Rädern und Riemen von der Dampf- zu den Arbeitsmaschinen.
Im übertragenen Sinne versteht sich auch der über 350 Mitglieder zählende Förderverein, der mitgliederstärkste von sieben rheinischen Industriemuseen, als „Transmissionsriemen“ zwischen Museum und Öffentlichkeit: Er sorgt mit dafür, dass alles rundläuft im Museum und die Menschen in der Region ihre Freude am historischen Erbe der 1962 aufgegebenen Tuchfabrik und den Exponaten in den neugebauten Räumlichkeiten und auf dem weitläufigen Museumsgelände haben.
Das sagte die Vize-Vorsitzende Dr. Maria Regina Neft in ihrem Festvortrag zum 25jährigen Bestehen des von Heinz-Otto Koch geführten Fördervereins vergangenen Sonntag im „Mottenburg“ genannten modernen Konferenz- und Seminargebäude des Industriemuseums. Viele Mitglieder waren gekommen, auch offizielle Gäste, darunter Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt.
Uniformen für Preußen und Kaiserreich
Er erinnerte in einem Grußwort an Euskirchens große Vergangenheit als Weberstadt, vor allem Uniformstoffe wurden dort vor 1914 in 21 Tuchfabriken hergestellt. Im Königreich Preußen und deutschen Kaiserreich trug „man“ in den unterschiedlichsten Rollen Uniform, Briefträger, Lokomotivführer und Straßenbahnschaffnerinnen eingeschlossen.
Unbestätigt ist das Ondit, dass auch Uniformen der amerikanischen Nordstaaten dabei waren, so Reichelt. 1982 schloss mit Ruhr-Lückerath in Euenheim die letzte Euskirchener Industrieweberei.
Müller in Kuchenheim, heute eine von wenigen Textilfabriken europaweit im Originalzustand der Nachkriegszeit, schloss bereits 20 Jahre zuvor, allerdings in der Erwartung, irgendwann erfolge der wirtschaftliche Aufschwung für die Branche, so Dr. Maria Regina Neft in ihrem fesselnden Festvortrag durch 25 Jahre Zeit-, Museums- und Vereinsgeschichte.
Der Aufschwung blieb aus und so blieben Tuchfabrik mit Maschinen- und Shedhalle bis 1999 erhalten, als der Landschaftsverband Rheinland, die „einmalige Zeitkapsel“ unter ihre Fittiche nahm, so Dr. Walter Hauser, LVR-Direktor der sieben Industriemuseen in Oberhausen (2), Ratingen, Solingen, Bergisch-Gladbach, Engelskirchen und Euskirchen-Kuchenheim.
Leo Wolter, stellvertretender Landrat des Kreises Euskirchen, überbrachte die Glückwünsche des Kreistages und der Kreisverwaltung, Dr. Dennis Niewerth, als neuer „Schauplatzleiter“ des Museumsstandortes Euskirchen Nachfolger von Detlef Stender, appellierte an die Mitglieder: „Bleiben Sie uns treu!“ Sie seien nicht nur finanzielle Förderer und moralische Unterstützer, sondern auch Botschafter des Museums in der Region, so Vorsitzender Heinz Otto Koch.
Er ist erst der zweite Vereinschef in 25 Jahren. Vorgänger war sein ehemaligen Sparkassen-Vorstandskollege Hans Bösch, der kürzlich im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Koch ehrte die Vorstandsmitglieder, die seit der Gründung 1998 – anderthalb Jahre vor Museumseröffnung – dabei sind, allen voran seine Stellvertreterin Dr. Maria Regina Neft, seinen Stellvertreter Dr. Reinhold Weitz und Schatzmeister Karl-Heinz Daniel. Auch Kassenprüfer Wolfgang Picard ist so lange dabei, sein damaliger Kollege Fritz Kleinertz ist verstorben.
Geburtshelfer des Vereins
Zu den Geburtshelfern des Fördervereins gehörten damals auch IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Drewes aus Aachen und Museumsleiter Detlef Stender. 50 Gründungsmitglieder wählten in der Shedhalle am 19. November 1998 Hans Bösch zum Vorsitzenden und Albert Pasch, den damaligen Geschäftsführer der Regionalgas Euskirchen, zum Stellvertreter. Karl-Heinz Daniel übernahm die Kasse, Ex-Tuchfabrik-Mitarbeiter Walter Pröpper bei Ruhr-Lückerath, Dr. Reinhold Weitz und Dr. Maria Regina Neft wurden Beisitzer.
Später kamen Nadja Hügle-Ginster und Homepage-Redakteur Dieter Kabatnik dazu sowie Christa Thelen als zweite Prüferin neben Wolfgang Picard und der neue Museumsleiter Dr. Dennis Niewerth. Dr. Maria Regina Neft würdigte die beiden bisherigen Vorsitzenden, die den Verein auch ihren jeweils individuellen Eigenarten geprägt hätten.
Hans Bösch, „der Mittelpunkt unseres jungen Fördervereins“ habe „mit seiner unnachahmlichen Art, charmant, aber unnachgiebig, für eine stetig wachsende Zahl von Mitgliedern“ gesorgt: „Stand er vor jemandem, gabs kein Entweichen, kein sich herauswinden, man wurde Mitglied.“ Im Rückblick habe Bösch gemeint: „Ich bin überhaupt kein Anhänger von langen Werbebriefen, von Flyern … Ich bin für die persönliche Ansprache …. und so habe ich viele Menschen angesprochen – mit einer gewissen Zielstrebigkeit.“
Heinz-Otto Koch, der das Ruder im Jahre 2010 übernahm, lebe und handele nach dem Motto: „Mit Menschen leben und wirken, um gemeinsame Ziele zu erreichen.“ Gelungene Teamarbeit bescheinigte ihm und seinem Vorstand, aber auch den durch die Bank engagierten Mitliedern Diakon Manfred Lang, der als Moderator durch das Programm der Jubiläumsmatinee führte und dabei kurzweilig, aber tiefgründig mit den Gästen über das Thema „Zeit“ philosophierte.
Dazu passende Musikstücke aus unterschiedlichen Epochen präsentierte das Mandolinenorchester Kuchenheim von 1921 unter der Leitung von Ulrich Bleck. Der Dirigent ist auch der Arrangeur der meisten dargebotenen Kompositionen. Am Ende gab es stehende Ovationen.
100 Jahre Mandolinenorchester
Die Vorsitzende Claudia Meixner, eine Tochter des unvergessenen Hans Fellbach, der im Jubiläumsjahr 2021 verstorben war, übereichte zum Jubiläum eine dem Anlass angemessene gravierte Kristallvase an Heinz-Otto Koch.
Wie außerordentlich aktiv der Verein der Freunde und Förderer des Tuchmuseums ist, zeigte die Festrednerin Dr. Maria Regina Neft am Beispiel des Jahres 2012 mit nicht weniger als sieben Veranstaltungen auf: „Die Mitgliederversammlung machte den Anfang. Im April konnten die Mitglieder mit Prof. Dr. Wolfgang Zehnder die Kunstakademie und die Kirche in Heimbach besichtigen.“
„Im Mai kam die Eifel-Gäng mit Günter Hochgürtel, Ralf Kramp und Manfred Lang mit Liedern, Literatur und Gags in die Shedhalle“, so die stellvertretende Vorsitzende weiter: Es folgten Exkursionen zur Orgelbaufirma Weimbs in Hellenthal und nach Oberhausen zur „Geburtsstätte der Ruhrindustrie“. Im Oktober war Dr. Ulrich Soénius (Geschäftsführer der IHK Köln) mit einem Vortrag zu Besuch und im Dezember fand die jährliche Veranstaltung „Menschen des Jahres“ in Zusammenarbeit mit Radio Euskirchen statt.
pp/Agentur ProfiPress