Damokles-Schwert über Karnevalisten
Runder Tisch der Karnevalisten glich eher einem Corona-Krisentreffen – Karnevalsumzüge und Sitzungen in der klassischen Form wird es nicht geben – Vereine machen sich Sorgen um Kosten, auf denen sie vielleicht sitzen bleiben
Mechernich – Geselliges Schunkeln und Singen ist der Inbegriff für die pure Lebensfreude im rheinischen Karneval. Doch mit steigenden Corona-Fallzahlen sind für Karnevalisten und Jecken schwere und tief-traurige Zeiten angebrochen. Das wurde beim dritten runden Tisch der Karnevalisten jüngst in aller Wucht deutlich, zu dem die Stadt Mechernich alljährlich einlädt. Die Zusammenkunft im Ratssaal der Stadt glich diesmal eher einem Corona-Krisentreffen.
Auch Constantin Hochgürtel vom Mechernicher Ordnungsamt hätte lieber freudigeres mitgeteilt: „Leider habe ich heute nicht die besten Nachrichten zu verteilen“, sagte er: „Wir befinden uns aktuell in einer sehr dynamischen Lage.“ Täglich gebe es neue Verordnungen. Im Kreis Euskirchen habe man nun schon den zweiten Wert der Gefahreneinstufung überschritten. Wo das Ganze noch hinführe, müsse man abwarten, so Hochgürtel weiter. Fakt sei aber schon jetzt durch Beschlüsse der Landes- bzw. Bundesregierung: „Karnevalsumzüge und Sitzungen in der klassischen Form, wie sie sonst stattgefunden hätten, werden wohl nicht möglich sein.“
Mini-Lösungen wirtschaftlich vertretbar?
Aktuell erlaubt seien höchstens noch „kleine karnevalistische Kulturveranstaltungen“, so Hochgürtel. Und ob sich solche kleinen Mini-Lösungen wirtschaftlich lohnten und ob nicht der Aufwand größer sei als der Nutzen, das müsse letztlich jeder Verein für sich selbst entscheiden.
Erschwerend hinzu komme für die Vereine, dass ein langes im Voraus planen ohnehin schlecht machbar sei. Eher müsse man sich als Verein oder Veranstalter bei Vorhaben „nach heutigen Erkenntnissen“ und „nach aktuell gültigen Verordnungen“ richten. Ob das, was man heute festlege, tatsächlich morgen durchgeführt werden könne, wisse keiner. „Letztlich müssen wir kurzfristig mit Ihnen entscheiden, was genau mit welchem Hygienekonzept und unter welchen Bedingungen, möglich sein wird“, so Hochgürtel. Das Damokles-Schwert der Änderungen schwebe stets über den Plänen der Karnevalisten. „Kurzfristige Absagen sind laut Verordnung jederzeit möglich und einzuplanen.“
Aus allen Wolken fielen die Karnevalisten ob der Nachricht Hochgürtels allerdings nicht. Wie es scheint, haben sie die Entwicklung der Corona-Pandemie genau beobachtet. Sie nutzten vielmehr die Gelegenheit, beim Runden Tisch Fragen an den Experten vom Ordnungsamt loszuwerden. Zehn Karnevalsvereine – von Floisdorf bis Weyer – waren vertreten.
„Vereinsleben zusammengebrochen“
„Das ganze Vereinsleben ist zusammengebrochen“, bedauert Nicole Reipen, die Vorsitzende der KG Greesberger aus Kommern. Deshalb wolle der Vorstand zumindest noch eine Jahreshauptversammlung des Vereins unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln in der Kommerner Bürgerhalle durchführen, um sich „wenigstens nochmal zu sehen“. Die Karnevalisten hatten wenige Stunden zuvor die komplette Session mit Sitzungen und Rosenmontagszug in Kommern abgesagt.
Für Bleifööss-Präsident Reinhard Kijewski die einzig richtige Entscheidung. Er plädierte gegenüber den Vertretern anwesender Vereine, dass es gut wäre, jetzt alle Veranstaltungen rigoros für diese Session abzusagen und dafür lieber mit frischem Wind und Schwung in die Session 2021/2022 zu gehen: „Ich hoffe, dass die Pause uns und dem Karneval gut tut.“ Sitzungen & Co. in der Corona-gebeutelten Session auf Biegen und Brechen durchzuführen, damit sei niemandem gedient. Die Bleifööss würden auch von Besuchen bei befreundeten Vereinen Abstand nehmen.
Björn Wassong, der auch als Büttenredner „Ne Jeck im Rähn“ auf den Karnevalsbühnen Kölns als Künstler unterwegs ist, sagte: „Mein persönlicher Terminkalender ist von 2021 auf 2022 gewandert.“
Verträge bereiten Sorge
Große Sorgen bereiten den Mechernicher Karnevalisten die langfristig geschlossenen Verträge mit Bands und Büttenrednern oder für das Festzelt, die vielleicht bezahlt werden müssen, solange nicht „von oben“, sprich der Landes- oder Bundesregierung, ein generelles Verbot von karnevalistischen Veranstaltungen aller Art ausgesprochen werde.
Doch da konnte Wassong beruhigen: „Laut einem Justitiar des Kölner Festkomitees haben die Künstler schlechte Karten, wenn sie auf ihre Verträge pochen.“ Außerdem bleiben etliche Karnevalsvereine im Stadtgebiet erneut auf ihren Kamellebergen sitzen. Wegen zweier Sturmtiefs waren schon 2020 etliche Karnevalswagen und Fußtruppen zu Hause geblieben.
Ersatzlos gestrichen seien definitiv auch der Karnevalistische Empfang des Bürgermeisters in der St.-Barbara Schule und der Sturm auf das Rathaus angesichts der aktuellen Corona-Entwicklung in diesem Jahr, teilte Ralf Claßen, Kämmerer und Dezernent der Stadt Mechernich, mit.
Im Vorjahr war erstmals ein neues Konzept mit größerer Bühne, Stehtischen und Theke im Nachbarraum für Gespräche umgesetzt worden. „Eine gelungene Entwicklung“, konstatierte Björn Wassong rückblickend: „Die Vereine haben ein schönes Bild des facettenreichen Karnevals in Mechernich gezeigt.“ Auch Claßen freute sich über die „tolle Veranstaltung“ und über einen Erlös von 300 Euro, der an die Mechernich-Stiftung geflossen ist, deren Vorsitz er innehat.
Das Ordnungsamt helfe den Karnevalisten auch in den kommenden Wochen bei aktuellen und drängenden Fragen immer gerne weiter, betonte Claßen: „Rufen Sie das Ordnungsamt einfach an.“ Aktuelle Corona-Schutzverordnungen veröffentliche die Stadt tagesaktuell auch auf der städtischen Webseite unter www.mechernich.de.
pp/Agentur ProfiPress