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„Wenn Rivalen zusammenwachsen“

Tageszeitungen interviewen Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und den früheren Kommerner Kommunalpolitiker Johannes Ley zur Zweiten Kommunalen Neugliederung vor 50 Jahren, die aus Kommern, Mechernich und 42 weiteren Ortschaften eine Stadt machte

Mechernich-Kommern – „Beide liegen zwischen Eifel und Flachland, beide sind vom Bleibergbau geprägt: Mechernich und Kommern teilen sich die gleiche Geschichte. Doch Jahrzehnte – wenn nicht sogar Jahrhunderte – prägte das Konkurrenzdenken die Beziehung zwischen den Orten. Bis heute ist manchmal nicht klar, wer häufiger die Oberhand behalten hat.“

Bauherren einer neuen Zukunft (v.r.): Bürgermeister Toni Bauer und Gemeindedirektor Norbert Leduc, hier mit Pastor Schäfer. Foto: Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress

Mit diesen Worten leitete der Journalist Marco Führer von der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft seine Rückschau auf 50 Jahre Kommunale Neugliederung zwischen Kommern und Mechernich ein, die in der ersten Montagsausgabe des Monats Juli in der „Kölnischen Rundschau“ und im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erschienen ist.

Der Autor hat sich mit dem langjährigen Stadtratsfraktionsvorsitzenden und Kommerner Ortsvorsteher Johannes Ley sowie mit Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick unterhalten und entsprechende Informationen zu den Ereignissen von vor 50 Jahren erhalten.

Ley begann als Kommunalpolitiker in der Gemeinde Veytal, die von Kommern aus verwaltet wurde. Kommern und Mechernich seien damals Rivalen gewesen – ausgehend von ihrer unterschiedlichen Zugehörigkeit zu Kreisen, Regierungsbezirken, Gerichten und Bistümern. Es waren Grenzen vor allem in den Köpfen der Menschen.

Vor der Unterzeichnung der Neugliederungspapiere beraten Bürgermeister Peter Giesen (hinten rechts) und der spätere Kämmerer und Stadtverwaltungsdirektor Richard Husch. Foto: Kreisbildstelle Euskirchen/pp/Agentur ProfiPress

Zwangsehe hat gehalten

Das habe sich auch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts nach der „Zwangsehe“ zwischen Mechernich und Kommern nicht geändert, so Johannes Ley: „Der Kreis wurde zwar neugegliedert, aber wir nicht.“ Marco Führer: „Mechernich war mit 12 886 Einwohnern die größere von beiden Gemeinden und wurde nach der Neugliederung das Verwaltungszentrum. Das schürte in Kommern die Angst vor Zentralisierung und Hauptstadt-Allüren.“

Aber auch in Mechernich sei die Politik misstrauisch gegenüber dem neuen Partner jenseits des Altusknipps gewesen, dessen kommunale Finanzen deutlich solider waren – und der von einem Gemeindedirektor, nämlich Norbert Leduc, geistig geführt wurde, der nur vor Elan und Ideen sprühte und so großartige Dinge wie das Rheinische Freilichtmuseum, den Hochwildpark Rheinland und die Trabantensiedlung Kommern-Süd für mehr oder weniger Wohlhabende für Kommern an Land gezogen hatte.

„Veytal profitierte von der Wirtschaftskraft des Altkreises Euskirchen“, so Johannes Ley im Gespräch mit den beiden in der Stadt Mechernich erscheinenden Kölner Tageszeitungen: „Wir hätten uns die Klinken vergolden lassen können.“

Altes Rathaus und altes Krankenhaus Mechernich vor den Anbauten und vor der Modernisierung beziehungsweise dem Neubau von Stadtverwaltung und Polizei: Das Vorurteil eines völlig fehlenden Stadtzentrums lässt sich nur bedingt aufrechterhalten. Foto: Stadtarchiv Mechernich/pp/Agentur ProfiPress

In einem Entwurf des Gesetzes zur Neugliederung der Landkreise hieß es damals angeblich, die Gemeinde Mechernich sei an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, Kommern ergänze sie deshalb ideal mit Reserveflächen und Wirtschaftskraft. Marco Führer schreibt: „Bei zwei selbstständigen Gemeinden, die mit ihren Zentralorten so nah beieinander liegen wie Mechernich und Kommern, sei die Gefahr einer Konkurrenz besonders groß – etwa im Hinblick auf Schulen und Einkaufsmöglichkeiten.“

Vordenker Norbert Leduc

Einer der Befürworter der Fusion mit Mechernich war der langjährige Kommerner Gemeindedirektor Norbert Leduc, einer der laut Johannes Ley „Vordenker der Kommunalen Neugliederung“. Er habe Veytal bereits 1966 über die Kreisgrenzen hinweg mit Mechernich vereinen wollen. Johannes Ley: „Leduc hat immer gesagt, die vereinte Kommune sei wirtschaftlich stärker und könne ihre Daseinsberechtigung besser nach außen vertreten.“

Lokalpolitiker aus Mechernich befürchteten in der neuen Kommune eine Dominanz des Veytaler Gemeinderates unter Leduc. Doch Norbert Leduc wurde von seinem Mechernicher Mitbewerber Helmut Rosen auf dem Posten des Verwaltungschefs ausgestochen. Was tatsächlich über Jahrzehnte blieb, war laut Johannes Ley die Dominanz der Kommerner Ratsvertreter über Fraktionsgrenzen hinweg gegen die Kernort-Mechernicher: „Kommern war immer geschlossen. Mechernich nicht.“ Nicht selten hätte sich die parteiübergreifende „Kommern-Fraktion“ mit Vertretern anderer Parteien getroffen und vor Abstimmungen Mehrheiten ausgehandelt.

Die Bushaltestelle am Stiftsweg wie der Busbahnhof im Schulzentrum (zunächst in der Turmhofstraße am Nyonsplatz, später an der Grundschule) sowie der ÖPNV-Knoten Straße/Schiene am Bahnhof hängten Mechernich ans überörtliche öffentliche Verkehrsnetz. Zu der Zeit wurde die Garnisonsstadt andererseits auch noch in einem Fernsehbeitrag verhöhnt, in dem lang und breit die Fußgänger-Druckknopfampel in der Rathergasse vorgestellt wurde… Foto: Hans-Günter Nickolay/Stadt/pp/Agentur ProfiPress

Dass das in Mechernich anders war, bestätigte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft: „Dort kam immer zuerst die Partei, dann der Ort.“ Echte Rivalitäten hat der 61-Jährige aber selbst nicht mehr erlebt. „Wir haben direkt fraktionsübergreifend gearbeitet. Sicherlich gibt es bei den Vereinen noch die eine oder andere Rivalität.“ Nicht selten seien Mechernicher Vereine Sturm gelaufen, wenn stadtweite Veranstaltungen in der Bürgerhalle Kommern stattgefunden hätten, sagte Schick zu Marco Führer.

Mittlerweile setze aber auch bei den Vereinen ein Umdenken ein. Selbst sportliche „Erzfeinde“ wie die TuS Mechernich und der VfL Kommern wollten inzwischen zusammenarbeiten. Den Horizont hätten auch viele Neubürger geweitet, die zum Beispiel durch die Bundeswehr oder das Kreiskrankenhaus an den Bleiberg kamen und dort „kleben“ blieben.

Der Bürgermeister sei ein klarer Gegner der historischen Grenzen, schreibt die Rheinische Redaktionsgemeinschaft: Er stellt die These auf, dass beide Kommunen zur Zeit ihrer Bergbaublüte im 19. Jahrhundert zu ganz anderer wirtschaftlicher Entwicklung in der Lage gewesen wären, wenn sie sich ähnlich wie die Dörfer im Tal der Wupper zu einer Wirtschaftsunion zusammengefunden hätten.

Im Jahr der Neuglieder wurde die Prinzengarde gegründet – hier ein zeitgenössisches Bild aus dem Mechernicher Tulpensonntagszug. Archivfoto: Peter-Lorenz Könen/pp/Agentur ProfiPress

Räumliche Trennung bleibt

Weil jeder für sich geblieben sei, sei auch der wirtschaftliche Durchbruch in den vergangenen Jahrhunderten ausgeblieben, so Schick. Obwohl nur noch wenige Äcker Kommern-Süd, Kommern und Mechernich-Nord voneinander trennen, hält der Mechernicher Bürgermeister laut „Rundschau“ und „Stadt-Anzeiger“ „eine bauliche Vereinigung der größten Orte im Stadtgebiet für ungünstig“.

Auch eine bauliche Erweiterung Kommerns „über die Bundesstraße hinaus“ halte Dr. Schick für nicht opportun. Sport-, Musik- und andere Kulturvereine würden sich aber jetzt schon über Ortsgrenzen hinweg zusammenschließen. Marco Führer: „Dass aus zwei Orten langsam einer wird, zeigt sich auch während des Brunnenfestes am 13. und 14. August. An einem Tag feiert die Stadt in Kommern, am anderen in Mechernich.“

Zeitzeugen der Neugliederung im Gespräch mit den Kölner Tageszeitungen: Ex-Ratsfraktionsvorsitzender Johannes Ley (l.) und Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, hier bei Leys Verabschiedung als Ortsvorsteher von Kommern. Foto: Archiv ProfiPress

Mit dem Aachen-Gesetz, das am 1. Januar 1972 in Kraft trat, wurde das Gebiet des Regierungsbezirks Aachen und des Kreises Euskirchen neu gegliedert. Für die Menschen in den Altkreisen Euskirchen und Schleiden war die Zusammenlegung ein einschneidendes Erlebnis. Wirtschaft, Natur, Entwicklungsstand – in fast jeder Hinsicht unterschieden sich Nord- und Südkreis damals.

Im neuen Kreis trafen zudem zwei Mentalitäten aufeinander, die kaum verschiedener hätten sein können. Marco Führer: „Konflikte zwischen Nordeifelern und Tieflandbewohnern waren programmiert.“

pp/Agentur ProfiPress