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Profitiert Mechernich vom „Indeschen Ozean“?

Braunkohlestopp im Rheinischen Revier: Kann der Tourismus hunderttausend wegfallende Arbeitsplätze und Landschaftsdefizite ausgleichen? – Gebietskörperschaften wollen zusammenarbeiten

Mechernich/Euskirchen/Kerpen – Mit dem Ende der Braunkohle wird sich im Rheinland die Welt verändern. Über hundert Jahren haben Tagebaue, Klüttenfabriken und Kraftwerke nicht nur die Landschaft, sondern auch die Wirtschaft und das Leben der Menschen im so genannten „Rheinischen Revier“ bestimmt.

Bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts reichten Tagebauten, Kraftwerke und verarbeitende Betriebe bis an die Mechernicher Stadtgrenzen heran. Was jüngere Menschen vielleicht nicht mehr wissen: Sowohl der Zülpicher Wassersportsee, als auch der Füssenicher Naturschutzsee sind Relikte dieser Epoche, nämlich mit Wasser gefüllte frühere Braunkohletagebaue.

Das Rheinische Revier soll zu einem attraktiven Reiseziel werden. In Kerpen haben die beteiligten Kreise und die Stadt Mönchengladbach jetzt eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Der Kreis Euskirchen wurde durch Iris Poth (3.v.r.) und Patrick Schmidder (6.v.l.) vertreten. Foto: Ralph Müller/Kreis/pp/Agentur ProfiPress

Die Frage, die alle in der Politik und bei dem Energiegiganten RWE beschäftigt, ist wie es weitergehen soll nach Ende der Braunkohle-Verstromung in einigen Jahren. Und zwar wirtschaftlich, aber auch landschaftlich, denn die frühere RWE-Tochter „Rheinbraun“, jetzt RWE Power, hinterlässt nicht nur offene Fragen, sondern auch offene Riesenlöcher in der Erde, die teils mit Wasser gefüllt und touristisch genutzt werden sollen, wie der scherzhaft „Indescher Ozean“ genannte Binnensee, der bei Inden im Düren-Jülicher Land volllaufen soll.

„Pumpen laufen ewig weiter“

„Die Pumpen, die dem Grundwasserpegel bis in unsere Regionen regulieren, werden auch nach Ende des Bergbaus niemals ganz abgestellt werden können“, sagte ein früherer Spandäuer und Ex-Bergbauingenieur bei Rheinbraun aus Mechernich dem „Bürgerbrief“. Für neue Arbeitsplätze soll der Tourismus im Rheinischen Revier sorgen. Das ist auch bitter nötig, denn das Ende des Kohleabbaus kostet mehrere Zehntausend ihre Jobs.  

In Kerpen haben sich jetzt die beteiligten Kreise, darunter auch Euskirchen, und die Stadt Mönchengladbach zusammengetan, um das Revier in Zukunft touristisch zu nutzen. Es wurde eine sogenannte Absichtserklärung unterzeichnet, für den Kreis Euskirchen von Iris Poth, der Leiterin der Stabsstelle Struktur- und Wirtschaftsförderung sowie Geschäftsführerin der Nordeifel Tourismus GmbH, und Patrick Schmidder, dem Geschäftsführer der Nordeifel Tourismus GmbH in Kall.

So soll der scherzhaft im Volksmund „Indescher Ozean“ genannte Wassersport- und Erholungssee einmal aussehen. Karte: RWE

Im auf Unbedarfte gestelzt wirkenden Pressetext wird die Gegend  „Strukturwandelregion“ genannt. „Erstmals“ hätten sich dort „im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) geförderten Projekts »Innovationsnetzwerk Tourismus im Rheinischen Revier« (2019–2022)“ Partner zusammengefunden, um die touristische Entwicklung voranzutreiben.

Das Projekt werde unter Koordination des Rhein-Erft-Tourismus e. V. gemeinsam mit Partnern aus den Landkreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg, dem Rhein-Erft-Kreis, dem Rhein-Kreis Neuss, der StädteRegion Aachen und der Stadt Mönchengladbach sowie der Grünmetropole e. V., dem „indeland Tourismus e. V.“, der „Neuland Hambach GmbH“, dem Zweckverband „Landfolge Garzweiler“ und der Zukunftsagentur Rheinisches Revier durchgeführt. Informationen unter www.innovationsnetzwerk-tourismus.de

Erholung schon in der „Füllphase“

Die Absichtserklärung sei ein Meilenstein auf dem möglicherweise sehr langen Weg zu einer „Tourismusregion Rheinland“, so die Kreisverwaltung zum Mechernicher „Bürgerbrief“. Jetzt wolle man „Eckpfeiler für die strategische Entwicklung setzen“. Es solle ein „attraktiver Lebens- und Arbeitsraum“ entstehen, der „gleichzeitig Besucher anzieht“. Wichtig sei ihm ein abgestimmtes Tourismuskonzept für den Gesamtraum, erklärte Frank Rock, der Landrat des Erftkreises.

In den kommenden Jahren sollen „sichtbare touristische Akzente“ gesetzt werden und so genannte gemeinsame „Leuchtturmprojekte“ und „attraktive Naherholungsangebote schon während der Füllphase der Tagebauseen“ Die Verantwortlichen wollen „Wir-Gefühl“ und „regionale Identifikation der im Revier lebenden Menschen“ stärken. Die Schlüsselrolle könnte das „Innovationsnetzwerk Tourismus“ spielen.

Das Rheinische Revier und seine Produktionsstätten. Karte: Thomas Römer/Open Street Map

Viele Tourismus-Experten seien sich einig, dass der Charakter der Region nicht nur von dem sich verändernden Landschaftsbild und der zukünftigen Seenlandschaft geprägt werden wird. Auch die Bergbau- und Industriegeschichte spiele eine wichtige Rolle und solle daher an mehreren Orten für unterschiedliche Zielgruppen erlebbar werden. Das Wo und Wie könnte unter dem Titel „Strategiekonzept Tourismusentwicklung im Rheinischen Revier“ erarbeitet werden. Ein entsprechender Förderantrag sei bereits gestellt. Die Region hoffe auf schnelle Bewilligung, hieß es. Das Land NRW jedenfalls unterstütze das touristische Vorhaben im Rheinischen Revier ausdrücklich.

Laut einer 2021 durchgeführten Online-Umfrage, an der rund 200 Fachleute und 400 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, sähen fast zwei Drittel der Befragten in der Entstehung der Rheinischen Seenlandschaft zwischen Niederrhein und Eifel die größten Potenziale im Revier, so die Pressemitteilung des Kreises.

pp/Agentur ProfiPress