In eine andere Klangwelt entführt
Benefizkonzert des weltweit spielenden Minguet-Quartetts in der Mechernicher Pfarrkirche St. Johannes Baptist für Kriegsflüchtlinge und Flutopfer – 32 Zuhörer spenden über 600 Euro
Mechernich – Über 600 Euro Reinerlös für Flutopfer und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kamen am Sonntag bei einem Wohltätigkeitskonzert des bekannten Minguet-Quartetts um den in Strempt lebenden Cellisten Matthias Diener zusammen. Leider kamen nur 32 Zuhörer zu dem Gastspiel auf Weltniveau.
Ralf Claßen und Inge Eich von der gemeinnützigen Mechernich-Stiftung bedankten sich auch bei Pfarrer Erik Pühringer, dass er die Pfarrkirche St. Johannes Baptist zur Verfügung gestellt hatte, und Diakon Manfred Lang für seine ergreifenden Meditationstexte zur Musik Haydns und den letzten Worten Jesu vor seinem Tod.
Gegeben wurde Joseph Haydns wider alle vernunftmäßige Erwartung beschwingter und durchaus froh stimmender Passionszyklus „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze.“ Matthias Diener: „Haydn war ein heiterer und glücklicher Mensch, und so hat er auch komponiert“. Man spüre: „Haydn will uns mit seiner Komposition die Angst vor dem Sterben nehmen…“
Anselm Grün äußerte sich einst zur Komposition mit den Worten: „Jeder Satz hat seine eigene Qualität. Sieben ist eine Zahl der Verwandlung; die Worte sind dazu da, unser Leben zu verwandeln, alles Erstarrte in uns aufzubrechen, all das kalt gewordene mit Liebe zu erfüllen – „und uns Anteil zu geben letztlich an der Auferstehung.“
Am Kreuz geht es um Liebe
Haydn habe verstanden, dass es beim Kreuz in der Passion „um die Mensch gewordene Liebe geht, die bis zur Vollendung geht, sogar den Tod noch verwandelt.“
Ralf Claßen, Dezernent der Stadtverwaltung und Vorsitzender der Mechernich-Stiftung, freute sich ungemein, mit Ulrich Isfort, 1.Violine, Annette Reisinger, 2.Violine, Aida-Carmen Soanea, Viola, und last not least Matthias Diener, Cello, weltweit auftretende Berufsmusiker am Bleiberg begrüßen zu können. „Schade, dass bei diesem größten Musikereignis seit Corona nicht mehr Musikliebhaber gekommen sind“, bedauerte Claßen.
Diakon Manfred Lang rezitierte die Jesus-Worte am Kreuz aus der Bibel, und nach den Musikvorträgen meditierte er Passionsgeschichten aus der Welt von heute. „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ zum Beispiel drehte der Diakon provokativ mit Blick auf die Aggression gegen die Ukraine und die freie Welt auf den Kopf: „Vater, vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“.
„Krieg ist ein Zustand, bei dem Menschen aufeinander schießen, die sich nicht kennen“, zitierte er den Literaturnobelpreisträger George Bernard Shaw: „Auf Befehl von Menschen, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“
Lang gemahnte an durstende Tuareg im afrikanischen Sahel („Mich dürstet“) und an ein unbekanntes Mädchen, das der indische Künstler Varun Suresh von hinten im Profil vor eine vegetationslose Hügellandschaft gestellt hat: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
Ohne Chance und Perspektive
Lang: „Die Einsamkeit eines unverstandenen Wesens, misshandelt, geschlagen, weggesperrt, unschuldig beschuldigt, gedemütigt, gequält, allein gelassen in seinem ganzen Elend… Wie viele Menschen müssen das erleiden? Nicht nur Kinder… vergewaltigt, verlassen und allein, gehasst und verachtet, ohne Chance und ohne Perspektive…“
Nach der Sonate zum letzten Jesuswort („Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist“) erklang als Finale ein Auszug aus einem zeitgenössischen Quartett von Wolfgang Rihm, mit dem die Erde auch in Mechernich zu erbeben drohte, furios, gewaltig, so dass man die Szenerie beim Tode Jesu erahnen konnte, als sich laut Evangelien der Himmel verfinsterte, die Erde bebte und der Vorhang im Tempel zerriss.
Matthias Diener: „Haydns Passionszyklus für Orchester bzw. Streichquartett überwältigte schon 1788 die Zeitgenossen und löst noch beim heutigen Publikum den Eindruck aus, die sieben in den Evangelien verbürgten Worte Jesu am Kreuz seien »wahr und feierlich« wiedergegeben.“ Das Publikum dankte eine professionell musikalisch hochwertige Aufführung mit stehendem Applaus.
Das Mechernicher Gastspiel war Teil eines Kulturprojektes „Eifelklang“, das vom Bundesministerium für Kunst und Medien per Stipendium im Rahmen des Corona-Förderprogramms „Neustart Kultur“ unterstützt und vom renommierten Minguet-Quartett bestritten wird.
„Insgesamt planen wir eifelweit zehn Konzerte“, so Matthias Diener: „Mechernich ist der Auftakt!“ Weitere zwei weitere Konzerte seien im Rahmen der Reihe bis Oktober 2022 am Bleiberg geplant, außerdem in weiteren Städten des Überschwemmungsgebietes, das nächste im Mai in Strempt, Pfarrkirche St. Rochus.
pp/Agentur ProfiPress