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Wildkraut statt Ordnung

Stadt Mechernich hat versuchsweise erste Mahd der Wegraine entlang von Wirtschaftswegen im Bereich von Eicks, Floisdorf und Glehn erst ab Mitte Juli durchgeführt – Appell an Landwirte: Ökosystem braucht blütenreiche Wegraine

Mechernich – „Ein frisch gemähter Wiesenstreifen neben dem Feld sieht zwar ordentlich aus – aber Insekten und Kleintieren bietet er nicht mehr viel Lebensraum“, sagt Jan-Roeland Vos, wissenschaftlicher Mitarbeiter der biologischen Station im Kreis Euskirchen. Zusammen mit Christof Marx, Diplom-Ingenieur für Landschaftspflege der Stadt Mechernich, begleitet er den Landwirt Hans-Josef Spilles aus Eicks bei der ersten Mahd des Jahres entlang von Wegrainen an städtischen Wirtschaftswegen.

Christof Marx, Jan-Roeland Vos und Hans-Josef Spilles (von links) wollen mit der Pflege der Wegraine einen größeren Blütenreichtum für Insekten schaffen. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Was die Stadt Mechernich zwischen den befestigten Wirtschaftswegen und den landwirtschaftlichen genutzten Flächen – auf den sogenannten Wegrainen – abmähen lässt, wird gemeinhin als Unkraut bezeichnet: Mohn, wilde Kamille, Johannis- oder Habichtskraut. Gerade diese lokalen, wilden Pflanzen sind es aber, auf die die Insekten der Region angewiesen sind. Inmitten von großflächiger Ackerwirtschaft werden die Wegraine ebenfalls zu Rückzugsorten für Insekten, aber auch für kleine Tiere wie Igel, Reptilien und Amphibien.

Wilde Kamille, Mohn und Johanniskraut wachsen unter anderem auf den Wegrainen – sie bevorzugen einen mageren Boden. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Schon im Frühjahr hatte die Stadt die Initiative ergriffen und die beiden Ortslandwirte für Eicks und Floisdorf gebeten, die Wegraine entlang der städtischen Wirtschaftswege – entgegen der Gewohnheit – nicht schon im Mai abzumähen. „Die frühe Mahd der Landwirte im Rahmen der Eigeninitiative bezweckt vor allem, dass sich mit dem Wildkraut keine neuen Samen bilden, die vom Wind in die bewirtschafteten Felder getragen werden“ ist Christof Marx überzeugt.

Jan-Roeland Vos fügt hinzu: „Ich glaube, vieles ist dabei auch Gewohnheitssache und das Bedürfnis nach Ordnung und Sauberkeit.“ Denn auf den ersten Blick sehen die mit Wildkraut bewachsenen Flächen natürlich viel ungepflegter aus, als eine kurz gemähte Wiesenfläche.

Der Unterschied ist deutlich zu erkennen: Links ein Wegrain, der schon vor mehreren Wochen abgemäht wurde, rechts der artenreichere Wegrain, der bis Mitte Juli wachsen und blühen konnte. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Das Problem beim Mähen der Wegraine liegt aber noch tiefer – im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der üblicherweise durchgeführten Mulchmahd wird die Vegetation zerhäckselt – und gleichzeitig auch die dort befindlichen Lebewesen. Das sogenannte Schnittgut verbleibt anschließend auf der Fläche, so spart man sich einen weiteren Arbeitsgang für Abtransport und Entsorgung des zerkleinerten Materials. Das Schnittgut wird stattdessen an Ort und Stelle sozusagen auf natürliche Art kompostiert und sorgt auf gut mit Nährstoffen versorgten Böden für die Zunahme von Stickstoff entlang der Wegraine.

Im ersten Arbeitsschritt wird der Wegrain abgemäht. Im Gegensatz zur Mulchmahd wird das Schnittgut nicht zerhäckselt, damit nicht so viele Kleintiere und Insekten dabei getötet werden. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Diese Entwicklung führt zu einer einseitigen Pflanzenwelt, in den Wegrainen breiten sich näherstoffreiche, also stickstoffliebende Arten wie Gräser und Brennesseln aus. Es braucht also nährstoffarme, magere Böden, um mehr Blütenreichtum zu schaffen.

Im zweiten Schritt wird das Schnittgut von der Fläche abgenommen. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Aus diesem Grund lässt die Stadt Mechernich in diesem Jahr erstmalig versuchsweise die Wegraine entlang der Wirtschaftswege erst ab Mitte Juli mähen. Zu diesem Zeitpunkt sind viele Pflanzen schon verblüht und bieten den Insekten nur noch geringe Nahrung. Im ersten Schritt wird nun gemäht, im zweiten Schritt wird das Schnittgut mit einer Ballenpresse aufgesammelt und in Heuballen verwandelt, so dass es dann noch einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden kann. Langfristig kann der Boden über dieses Vorgehen abgemagert werden – und zum idealen Standort für echten Blütenreichtum werden.

In einer Ballenpresse wird das Schnittgut schließlich zu Heuballen verarbeitet, sodass es an Tiere verfüttert werden kann. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

„Wir wollen das Bewusstsein der Landwirte für diese Pflege der Wegraine schärfen und hoffen, dass die Landwirte uns hierbei unterstützen“, sagt Christof Marx. Tatsächlich gehören die Wegraine genauso wie der Weg selbst zu den städtischen Flächen. Viele Landwirte haben die Mäharbeiten dort schon lange selbst entlang Ihrer bewirtschafteten Parzellen übernommen. Jetzt appelliert Christof Marx von der Stadt Mechernich an die Landwirte der kleinen Region rund um Eicks: „Lasst die Pflanzen an den Wirtschafts- und Wanderwegen stehen, dann mähen wir ab Mitte Juli und entfernen anschließend das Schnittgut.“

pp/Agentur ProfiPress