Quarkbällchen statt Kamelle
Umweltschutz statt Plastikschmutz: Kommerner Kinderzug zieht ohne Kamelle aber dafür mit 2.000 Quarkbällchen, Blumensamen, Obst und Gemüse durch den Ort – Rund 700 Mädchen und Jungen gingen im Karnevalszug mit – Auch kritische Stimmen am Zugweg
Mechernich-Kommern – Kleine und große Karnevalsfreunde fiebern in diesen Tagen wieder dem lang ersehnten Süßigkeitenregen entgegen. Die freudig aufgeregten „Kamelle“-Rufe gehörten bisher zu jedem Karnevalsumzug dazu. Dieser alten Tradition zum Trotz entschieden sich die Organisatoren des Kommerner Kinderzuges in diesem Jahr für einen anderen Weg: Statt Chips, Lollis und Popcorn überreichten die rund 700 Jungen und Mädchen am Weiberdonnerstag frischgebackene Quarkbällchen und selbstgebastelte Tütchen voller Blumensamen.
Der Grund für diese außergewöhnliche und bislang wohl einmalige Entscheidung waren nicht etwa horrende Zahnarztrechnungen des Kommerner Nachwuchses, sondern die Sorge um die Umwelt. „Nach jedem Zug sammelt sich immer derart viel Plastikmüll auf den Straßen an, dass wir beschlossen haben, etwas dagegen zu unternehmen“, berichtete Maria Cloot-Schmich, die Schulleiterin der katholischen Grundschule.
2.000 Quarkbällchen wechselten den Besitzer
Bei einer Lehrerkonferenz wurde sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Verpackungsmüll auf kreative Art zu umgehen. Maria Cloot-Schmich: „Letztlich sind es doch nicht die Süßigkeiten, sondern vielmehr die bunten Kostüme, die ein gelungenes Karnevalsfest ausmachen.“
Dem umweltfreundlichen Motto entsprechend rollten am Donnerstag kleine Bollerwagen-Hofläden mit einer Auswahl frischem Gemüse durch die Straßen und auch einige Schulklassen richteten sich, als blühende Blumenwiese verkleidet, nach dem grünen Vorsatz. Ganze 2.000 Quarkbällchen, in einer Sonderschicht in der Bäckerei Quasten entstanden und selbstverständlich ebenfalls in recyclebarem Papier eingewickelt, wechselten innerhalb weniger Stunden den Besitzer.
Doch nicht überall traf die Idee eines kamellefreien Umzuges auf Zustimmung. Die Maßnahme, die häufig als Traditionsbruch betitelt wurde, hatte bereits im Vorfeld weitreichende Diskussionen auch über die Ortsgrenzen hinaus ausgelöst.
Kritische Worte zum kamellefreien Umzug
Selbst während des Umzuges fanden einige Eltern noch kritische Worte. „Es ist einfach schade für die Kinder und hat auch viele davon abgehalten, überhaupt erst zum Kinderzug zu kommen“, berichtete Diana Keller. „Statt ganz auf die Kamelle zu verzichten, hätte man doch die Kinder fragen können, welche Süßigkeiten sie sich am meisten wünschen. Dann wäre auch nicht so viel Müll liegen geblieben“, stimmte Nachbarin Kerstin Katzer zu. Auch wirke sich das Fehlen des „Kamelle“-Ausrufes negativ auf die allgemeine Stimmung aus.
Unter den Zugteilnehmern war von einer gedrückten Stimmung hingegen nicht viel zu erkennen. Die neunjährige Elia, die das Thema Umweltschutz schon im Unterricht besprochen hatte, fand lobende Worte für die Idee ihrer Lehrer. „Dann wird die Welt nicht mehr so dreckig“, freute sich die Viertklässlerin. Klassenkameradin Emma stimmte zu: „Es ist gut, wenn es weniger Plastik gibt.“
Obwohl Schulleitung und Lehrerkollegium mit einigen Diskussionen gerechnet hatten, übertrafen die hohen Wellen, die der Verzicht auf Kamelle nach sich zog, alle Erwartungen. „Dennoch hoffen wir, diese Maßnahme auch längerfristig etablieren zu können“, so Cloot-Schmich. „Wir wollen dadurch zeigen, dass ein Karnevalsumzug auch ohne Plastikmüll funktioniert und jeder auf seine Weise einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten kann.“
pp/Agentur ProfiPress