„Nicht mit uns!“
Gegen Vergessen, Verfolgung und Gewalt: Gedenkgang führte Teilnehmer durch Mechernich – Flagge zeigen gegen Gräueltaten der Nationalsozialisten – Viele Jugendliche beteiligten sich an den verschiedenen Stationen – Der November ist ein Monat der Erinnerung, des Innehaltens und Gedenkens – Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mahnt zum Frieden und sammelt noch bis zum 30. November Spenden
Mechernich – Andächtig zieht die Gruppe durch die Stadt. Einige weiter vorne, manche weiter zurück und doch alle in einer gemeinsamen Sache: Sie alle wollen ein Zeichen gegen das Vergessen setzen und der Opfer von Verfolgung und Gewaltherrschaft gedenken – besonders durch das nationalsozialistische Regime.
„Dass diese Themen einen aktuellen Bezug haben, liegt angesichts der Ereignisse, die gerade in der Welt passieren, klar auf der Hand“, betonte Organisator Franz Josef Kremer von der „St. Johannes Baptist Kirchengemeinde Mechernich“ bereits im Vorfeld gegenüber dem Mechernicher Bürgerbrief. An dem mittlerweile 23. Gedenkgang beteiligten sich unter anderem auch der Mechernicher Dezernent Ralf Claßen und der stellvertretende Bürgermeister Günter Kornell.
Hintergrund sind die Schrecken der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Hier wurden, gesteuert vom Nazi-Regime, in ganz Deutschland und Österreich gezielt Synagogen, Geschäfte, Wohnungen sowie Häuser jüdischer Mitbürger zerstört und geplündert. In erster Linie taten dies Männer der SA sowie SS und Parteimitglieder der NSDAP, oftmals waren die Täter aber auch aus der Bevölkerung.
Motive auf einer Blüte
Der Abend begann an der Gesamtschule der Stadt Mechernich. Hier hatten sich Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse im Vorfeld mit der Kölner Jugend-Widerstandsgruppe „Edelweißpiraten“ auseinandergesetzt. Sie präsentierten dazu eine gebastelte Edelweiß-Blüte, die sich aus den verschiedenen Motiven und Interessen der damaligen Jugendlichen zusammensetzte. Themen wie Freiheit, Gleichberechtigung und Frieden waren dabei Kernpunkte. Die Gesamtschüler würdigten damit die Gruppe, deren Mitglieder so tapfer für die freiheitlichen Ideale eingestanden sind. Sie mahnten aber auch vor dem Vergessen und den immer wieder neu aufflammenden, nationalsozialistischen Weltanschauungen.
Über die Aula des Gymnasiums am Turmhof, wo eine Bildcollage aus Nazi-Aufmärschen, Konzentrationslagern und verschiedensten Situationen der damaligen Zeit gezeigt wurde und Schüler eine kleine „Diskussionsrunde“ auf der Bühne abhielten, führte der Weg weiter zum Rathausvorplatz.
„Wehret den Anfängen…“
Genau ein Jahr zuvor war hier das Denkmal für ehemalige Zwangsarbeiter von der aus Lückerath stammenden Grafikerin Anna von Laufenberg enthüllt worden. Franz-Josef Kremer berichtete davor von den vielen traurigen und grausamen Schicksalen beispielsweise polnischer oder russischer Zwangsarbeiter in Mechernich und dem Kreis Euskirchen und den damaligen Deportationen von Juden. Auch er mahnte deutlich vor diesen Geistern der Vergangenheit in der heutigen Zeit und betonte: „Nehmt Stellung. Macht klar: Nicht mit uns! Wehret den Anfängen…“
Die letzte Station war das Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Hier erzählten Jugendliche der „evangelischen Kirchengemeinde Roggendorf“ den Zuhörern von der Münchener Studenten-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Deren Mitglieder hatten vor 80 Jahren Flugblätter an der Universität verteilt und viele von ihnen mussten diesen Mut mit ihrem Leben bezahlen. Die Jugendlichen in Mechernich zeigten nun Ausschnitte aus einem Film über die Gruppe, verlasen eigens geschriebene, mahnende „Flugblätter“ und verteilten diese unter den Anwesenden.
Themen dieser Blätter waren zum Beispiel: „Russen können nichts für den Krieg“, „Gottes Ebenbild ist der Mensch in all seinen vielen Facetten, Geschlechtern und Sexualitäten“ oder das berühmte Zitat nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Wenn man aus der Geschichte eines gelernt hat, dann, dass man nichts aus der Geschichte gelernt hat.“
Gedenkmonat und Sammlung
Ohnehin ist der November ein Monat der Erinnerung, des Innehaltens und Gedenkens. Am christlich-katholischen Feiertag Allerheiligen (1. November) wurde den Heiligen gedacht, den „verherrlichten Gliedern der Kirche, die schon zur Vollendung gelangt sind“. Der Totensonntag ist ein evangelischer Gedenktag für die Verstorbenen, der in diesem Jahr am Sonntag, 20. November, begangen wird.
Der Volkstrauertag, in diesem Jahr der 13. November, ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag, welcher an die Opfer von Gewalt und Krieg erinnern soll. Er gehört zu den sogenannten stillen Tagen. Dann sind in der Regel öffentliche Tanzveranstaltungen untersagt, meist auch öffentliche Sportveranstaltungen.
Die Kriegsgräberfürsorge nutzt diesen Gedenkmonat und will ebenso ein Zeichen gegen das Vergessen und für Frieden und Völkerverständigung setzen. Daher sind bis zum 30. November wieder zahlreiche Freiwillige mit der Sammelbüchse unterwegs, um die Mechernicher Bevölkerung um Spenden zu bitten. In Mechernich und Kommern unterstützen außerdem Soldaten die Aktion.
pp/Agentur ProfiPress