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Das Ende aller Freundschaft

Großartige szenische Lesung „Adressat unbekannt“ nach Stolpersteinverlegung in der Kommerner Bürgerhalle mit Michael Mombaur, Axel Gehring und Bernd Spehl – Liebe und Verbundenheit ersticken schon in den Anfängen des nationalsozialistischen Fanatismus

Mechernich-Kommern – Nach der Verlegung eines Stolpersteins am Firmensitz der alten jüdischen Kommerner Unternehmerfamilie für Arthur Levano (1890 – 1960), den jüngsten Spross, fand im Bürgerhaus eine packende szenische Lesung zum Thema statt.

Der Theaterpädagoge Axel Gehring (l.) und Gymnasialleiter Michael Mombaur (Marienschule Euskirchen) lasen in der Bürgerhalle Kommern mit musikalischer Begleitung des Klezmer-Klarinettisten Bernd Spehl (m.) aus Kressmann Taylors fiktivem Briefwechsel „Adressat unbekannt“. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Der Theaterpädagoge Axel Gehring (l.) und Gymnasialleiter Michael Mombaur (Marienschule Euskirchen) lasen in der Bürgerhalle Kommern mit musikalischer Begleitung des Klezmer-Klarinettisten Bernd Spehl (m.) aus Kressmann Taylors fiktivem Briefwechsel „Adressat unbekannt“. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Der Theaterpädagoge Axel Gehring und Gymnasialleiter Michael Mombaur (Marienschule Euskirchen) lasen mit musikalischer Begleitung des Klezmer-Klarinettisten Bernd Spehl aus Kressmann Taylors fiktivem Briefwechsel „Adressat unbekannt“.

Die us-amerikanische Autorin ließ sich für das Stück, das 1938 erstmals im New Yorker „Story Magazine“ erschien, von echten Briefwechseln aus der Zeit inspirieren. Nach dem Krieg geriet der Briefroman in Vergessenheit – bis er 1992 als Reaktion auf weltweit zunehmende Fremdenfeindlichkeit erneut abgedruckt wurde. Es geht um das sich in Briefen spiegelnde Ende einer Freundschaft zweier deutsch-amerikanischer Geschäftsleute zu Beginn der NS-Herrschaft.

Gehring las den Part des jüdischen Geschäftsmannes Max Eisenstein in San Franzisko, Mombaur die seines nach Lesart der Nazis arischen Kompagnons Martin Schulse, der 1932 von Amerika nach München übersiedelt, aber an der gemeinsamen Kunstgalerie in USA beteiligt bleibt.

Die Lesung war gut besucht, in der ersten Reihe unter anderem Gisela Freier, die sich nahezu zeitlebens für das Andenken Mechernicher und Kommerner Juden engagiert, und Dr. Frank Weyers von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Die Lesung war gut besucht, in der ersten Reihe unter anderem Gisela Freier, die sich nahezu zeitlebens für das Andenken Mechernicher und Kommerner Juden engagiert, und Dr. Frank Weyers von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Schulse distanziert sich zunächst von der Entwicklung der Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Doch nach und nach wird er selbst zum Nazi. Ihm wird aufgrund seines Vermögens und seiner Beziehungen ein hoher Posten in der Kommunalverwaltung angetragen. Sein gesellschaftlicher Status steigt von Tag zu Tag. Der anfängliche Opportunismus verwandelt sich in einen glühenden Fanatismus, der schließlich dazu führt, dass sich Schulse von seinem jüdischen Freund und Geschäftspartner distanziert.

Auf offener Bühne als Jüdin attackiert

Mehr noch: Er überlässt die Schwester des Geschäftspartners, die als Schauspielerin in Berlin um Haaresbreite einem Pogrom auf offener Bühne entkommt und sich zu ihm, dem ehemaligen Geliebten, zu Fuß nach München durchschlägt, unbeschützt SA-Häschern. Griselle wird von ihnen in einem Münchener Park vor Schulses Haustür erschlagen…

Doch Eisenstein zahlt seinem vormaligen Partner und Freund den Verrat heim: In einer Briefserie weckt er („Der Gott Mosis stehe Dir zur Seite“) mit mysteriösen Zahlenkombinationen („bestelle die folgenden Reproduktionen: Picasso, 17 auf 81, rot; van Gogh, 5 auf 42, weiß“) systematisch den Argwohn der Nazi-Zensur.

Hohe rezitatorische und musikalische Qualität, kombiniert mit großartiger Trauer- und Geschichtsarbeit lieferten Axel Gehring, Bernd Spehl und Michael Mombaur auf der Kommerner Bürgerhausbühne ab. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Hohe rezitatorische und musikalische Qualität, kombiniert mit großartiger Trauer- und Geschichtsarbeit lieferten Axel Gehring, Bernd Spehl und Michael Mombaur auf der Kommerner Bürgerhausbühne ab. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Vergebens fleht nun Martin um Mitleid: „Willst Du, dass ich vor die Wand gestellt werde? Ich werde aufs Amt zitiert. Sie zeigen mir Deine Briefe…“ Am Ende kommt ein Brief an Martin Schulse ungeöffnet zurück nach Amerika – wie zuvor bei Griselle mit dem grausamen Stempelaufdruck „Adressat unbekannt“.

Die „New York Times“ feierte den fiktiven Briefwechsel angeblich als „stärkste Anklage gegen den Nationalsozialismus, die man sich in der Literatur vorstellen kann“. Klezmer-Klarinettist Bernd Spehl begleitete die szenische Lesung in Kommern mit einfühlsamen Klängen des osteuropäischen Judentums und der deutschen Romantik.

Er ist durch seine Auftritte mit dem Klezmer-Trio „A Tickle In The Heart“ und der Band „Klezmer Alliance“ bekannt und spielte schon mit Größen der Klezmer-Musik wie Pesakh Fiszman, Deborah Strauss, Andrea Pancur, Guy Schalom, Susan Ghergus und Efim Chorny.

pp/Agentur ProfiPress