Die Kunst des Abschiednehmens
Berührender Lit.Eifel-Abend mit „Zimmer-frei“-Fernsehmoderatorin Christine Westermann in der Steinfelder Basilika
Kall-Steinfeld – „Golden“, sind für Christine Westermann die Erinnerungen an ihre wohlbehütete Kindheit in Erfurt. Golden funkelt auch die Basilika in Steinfeld. Nicht nur an diesem Lit.Eifel-Abend, an dem die Schriftstellerin und Moderatorin, bekannt aus der preisgekrönten Fernsehsendung „Zimmer frei“ und dem „Literarischen Quartett“ vor ausverkauftem Gotteshaus aus ihrem jüngsten Buch „Manchmal ist es federleicht“ liest. Aber da ganz besonders. Sie gibt Einblick in bewegende und berührende Momente.
„Abschiednehmen ist eine Kunst“, sagt sie und erzählt in ihrer unaufgeregten, sympathisch-unkomplizierten, wohltuenden Art von ihren kleinen und großen persönlichen Abschieden. Sie erinnert an Wegbegleiter. Auch an Anne, die in Amsterdam verstarb und von der danach beim Weihnachtsessen ein Foto an ihrem Platz die Lücke füllte und tröstete.
Über das Ende von „Zimmer frei“ und wie viel Kraft dieser emotionale Moment sie gekostet hat und wie bewegend er tief in ihrem Innern war, erzählt sie auch. Ganz schön zusammenreißen mussten sie und ihr Kollege Götz Alsmann sich nach zwanzig Jahren gemeinsamen Fernsehschaffens, um nicht hemmungslos in Weinen auszubrechen, als die letzte Sendung unaufhaltsam nahte und vorüberzog.
Schwierigster und traurigster Abschied
Doch sei der erste große Abschied, der vom Vater gewesen, bekennt sie: „Und er ist auch bislang der größte, schwierigste und traurigste geblieben.“ Das Kapitel, was vom Vater erzähle, erzähle daher auch ein bisschen von ihr. Zu prägend sei der Verlust zehn Jahre nach der Flucht aus der DDR gewesen, zehn Jahre nach dem Beginn des neuen Lebens in Freiheit.
Sie war dem Vater mit der Mutter wenige Tage später hinterher geflüchtet. Mit der kahlköpfigen Puppe Gisela in der Hand, die ihr die Mama in die Hand gedrückt hatte. „Wofür entscheidet man sich, wenn man flüchten muss?“, fragt sie.
Jörg Pilawa habe sie in einem Fernsehinterview gefragt: Wissen Sie, wo ihr Buch steht im Regal des Buchhändlers? Er habe es unter den Ratgebern entdeckt – und damit am falschen Platz, wie sie betont: „Da gehört das Buch nicht hin.“ Es solle keinen Rat geben. Jeder müsse für sich selber erleben und entscheiden, wie er am besten damit umgeht, mit dieser und anderen Erfahrungen. „Jeder Abschied ist individuell“, so Westermann. Es gebe keinen Fahrplan.
Freund sein mit innerer Schönheit
Und manches im Leben komme eben auch, wie es kommen muss: „Ich bin gerade dabei mich mit der inneren Schönheit anzufreunden“, spricht die 71-Jährige charmant auf das Altern und ihr Alter an. Die Erkenntnis reife leider erst spät heran, wie schön man früher war.
Loslassen habe auch etwas Gutes: Im Alter habe sie Abstand genommen von zu strengen Regeln mit dem eigenen Ich, dem Perfektionismus und zu großen sportlichen Pflichten. Gnädiger zu sein mit sich selbst, tue gut und falle jetzt leichter. Was würde sie tun, wenn sie 200 Jahre alt werden könnte?, fragt WDR-Moderatorin Katia Franke, die charmant durch den Abend führte. „Leben“, so Westermann spontan und offen. Je älter man werde, umso mehr erkenne man, wie herrlich das Leben sei.
Lesungen zu halten, liebe sie. Christine Westermann klammert nicht(s) aus, plaudert sogar über den Leichenschmaus, Gespräche mit einem Bestatter und die Planung der eigenen Beerdigung. Und dennoch ist da immer das Gefühl, als säße man mit ihr gerade beim Plausch bei einer guten Tasse Tee. Schwere Kost wurde mit ihr federleicht.
Ein gelungener Auftakt für die Lit.Eifel – elf weitere Termine folgen. www.lit-eifel.de. Für die jeweiligen Veranstaltungsorte wurde ein individuelles Hygienekonzept auf Basis der Corona-Schutz-Verordnung erarbeitet.
pp/Agentur ProfiPress