Brot für die Seele
Neues Album des Musikerduos Susanne Riemer und Wilhelm Geschwind mit Texten des Schriftstellers Norbert Scheuer – Schöpferisches Trio konnte bereits auf diversen Wegen überzeugen – Lieder zum Träumen und melancholischen Genießen
Mechernich/Kall/Eifel – „Wer in der Musik das Schubladendenken liebt, der wird bei Susanne Riemer und Wilhelm Geschwind den Schreiner aufsuchen müssen“: Diese Worte stammen aus der Feder des Texters und Rezensenten Dr. Michael Thalken anlässlich der Vorstellung des avantgardistischen Köln-Kaller Musikergespanns. Will sagen: Das, was die beiden komponieren, arrangieren und interpretieren ist ziemlich einmalig, originell und passt in keinen vorgefertigten Rahmen…
Das bewahrheitet sich auch beim neuesten Erzeugnis des „Jazz-Duos“, das ganz aktuell auf der CD „Brot und Seele“ nicht zum ersten Mal Gedichte von Norbert Scheuer vertont und bereits seit 2018 eingespielt hat. Das neue Studioalbum enthält zehn Lieder mit Scheuers Lyrik, jeweils zwischen 55 Sekunden und acht Minuten lang, und wie der Titel der Scheibe andeutungsweise zu versprechen scheint – und hält – „Brot“ für die „Seele“.
Einer der Titel heißt wie das Album „Brot und Seele“, andere vieldeutig „Schatten“ oder „Dorf“, jeweils mit viel Raum zum Träumen, melancholisch werden und Genießen. Vieles hat einen Bezug zur Eifel, aus der die Protagonisten des Albums zum Teil stammen, eine Deutung der Lieder bleibt allerdings jedem Hörer selbst überlassen. Sie können in jedem andere Emotionen und Gedanken auslösen.
Eifeler Gegenwartskultur
Dies macht das Album zu einem besonderen Stück Eifeler Gegenwartskultur. So betonte auch Susanne Riemer selbst: „Ich achte oft erstmal kaum auf den Inhalt. Ausgangspunkt für meine Musik kann der Klang der Sprache, der Sinn eines einzigen Wortes sein“.
„Die Materialität einer mitunter ländlichen und kleinstädtischen Welt verwandelt sich ins Geisterhafte, die Natur wird belebt, aber bleibt ganz bei sich“, steht auf der CD-Hülle. Das gilt für Norbert Scheuers sensible und teils sezierende Texte. Ihre Vertonung hat der Autor getrost einem ebenso kunstsinnigen wie inspirierten Musikerduo überlassen.
„Auf der Bühne musizieren zwar nur zwei Musiker“, urteilte Michael Thalken bei einer früheren Gelegenheit über die Kölnerin Susanne Riemer und den Kaller Wilhelm Geschwind, „aber eine Kongruenz zwischen dem, was man sieht, und dem, was man hört, will sich nicht so einfach einstellen.“ Diese Diversität und Emotionen in der Musik spürt man auch beim neuen Live-Studio-Album, das unter professionellsten Bedingungen in den Hansahaus-Studios Bonn eingespielt wurde.
Der Titelsong „Brot und Seele“ stammt aus Scheuers bei C.H. Beck erschienenem Gedichtband „Bis ich dies alles liebte“ und behandelt die scheinbare Banalität des Lebens. Darin heißt es: „War immer zufrieden mit meiner Bedeutungslosigkeit“ oder „Wollte nie aufgeben, um nichts gegen nichts zu tauschen“.
Gesänge wie in Trance
Da zeigt Scheuer, vertont von einer Ein-Mann-Band (Geschwind) und einer tranceartig singenden Susanne Riemer neue Wege, mit solchen Emotionen umzugehen. Da wirkt ein Wort oft wie ein ganzes Lied und Riemers melancholische Gesänge dringen manchem bis ins Schwarze der Seele und helfen sie etwas aufzuhellen.
Und das Besondere: Es fühlt sich an wie ein recht gewöhnungsbedürftiger Traum, der in jedem anderes auslöst, jeden auf eigene Art beeinflusst und inspiriert. Scheuers in Lieder gewandelte Verse handeln von Trauer und Tod, den Themen des „Herbstliedes“, von einem „Geburtstag“, an dem anscheinend niemand Geburtstag hat und von der Liebe in Liedern wie „Deine Augen“.
Verse wie „Ihr Lachen, ihr Blick, unsere Hoffnung, auch Schmerz und alles für immer mir blieb“ klingen euphorisch und melancholisch zugleich – wie verblassende Erinnerung. Songs wie „Boletal“ spiegeln Emotionen, die den Autor befallen, wenn er im Eifeler Landstrich unterwegs ist und sich in ihm Gedanken und Wünsche aus seinem Leben spiegeln.
Scheuers Gedichte wie diese insgesamt sehr avantgardistische Vertonung sind weder einfach zu klassifizieren, noch inhaltlich „eindeutig“. Dafür genießt jeder Hörer den Vorzug, alles auf sich allein wirken lassen zu dürfen… Musikalisch untermalt von den mystischen Klängen Geschwinds und Riemers entsteht so ein Gesamtkonzept, das seines Gleichen lange suchen muss und ein emotionsloses Hören dieses musikalischen Werkes geradezu unmöglich macht.
Kurzum: Live eingespieltes Gut von höchster Qualität mit Texten eines vielfach ausgezeichneten Poeten. Unbedingt hörenswert.
Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Zu den Akteuren und ihrem Werk:
Der Texter:
Norbert Scheuer stand bereits 2015 mit „Die Sprache der Vögel” auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse und mehrfach, zum Beispiel mit dem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vorabgedruckten Roman „Überm Rauschen“ (2009) oder dem 2019 erschienenen Roman „Winterbienen“ auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Außerdem erhielt er den Drei-Sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und unter anderem den Düsseldorfer, rheinischen und viele weitere Literaturpreise von 2003 bis 2019.
Die Musiker:
Wilhelm Geschwind spielt Gitarre mit tiefer gestimmten Bass-Saiten und Fußpercussions. Susanne Riemer gehört (Zitat der Zeitschrift „Jazzpodium“) „zu den kreativsten und originellsten Musikerinnen der europäischen Jazzszene“. Sie spielt Trompete, Horn, Corno de Caccia, Euphonium, Flügelhorn und Klavier, singt und komponiert.
Gefördert:
Gefördert wurde das Projekt durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und die Deutsche Orchester Stiftung, aufgenommen und gemischt von Klaus Genuit.
pp/Agentur ProfiPress