Eindringlicher Appell an die Türkei
Pinar Sahbaz möchte die Freilassung ihrer Mutter Zozan und ihrer Tante Hatun erreichen – Die beiden Mechernicherinnen sitzen seit dem 15. Oktober in Haft – „Völlig unbegründet“, sagt die Tochter und Nichte – Während einer Pressekonferenz im Mechernicher Rathaus erfahren die Frauen Solidarität und Unterstützung von vielen Seiten
Mechernich – Als Pinar Sahbaz von den Erlebnissen am 15. Oktober erzählt, wird sie von Tränen übermannt. Sie kann erst einmal nicht weitererzählen, betretene Stille im Mechernicher Ratssaal, das Schicksal der Frauen berührt. Pinar Sahbaz berichtet, wie sie mit ihrer Mutter Zizik genannnt Zozan und Tante Hatun Sahbaz aus der Türkei nach Hause fliegen wollte. „Doch an der Passkontrolle wurden beide mitgenommen. Ich durfte alleine zurückreisen – auch wenn es schwer für mich war, musste ich“, so die junge Frau, die so sehr darum kämpft, dass Mutter und Tante aus der türkischen Haft entlassen werden.
Ihnen wird demnach vorgeworfen, Mitglied einer Terrororganisation zu sein beziehungsweise eine terroristische Agenda zu unterstützen. „Völlig unbegründet“, sagt Tochter und Nichte Pinar Sahbaz. Beide Verhaftungen würden sich lediglich auf die angebliche Teilnahme an Demonstrationen für Frauenrechte in Düsseldorf und Frankreich stützen.
„Ich mache mir große Sorgen um den gesundheitlichen Zustand meiner Mutter und meiner Tante“, so die junge Frau weiter. Sie wisse, dass ihre Mutter an Herzproblemen und Panikattacken und dass ihre Tante an Atemnot leide. „Unter Haftbedingungen hat sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert“, berichtet Pinar Sahbaz. Entsprechende Gutachten habe sie bei den türkischen Behörden eingereicht. „Aus humanitären Gründen appelliere ich daher an die türkische Regierung und Staatsanwaltschaft und an die zuständigen Behörden, die Freilassung meiner Mutter und meiner Tante zu veranlassen“, richtet sie einen eindringlichen Appell in Richtung Türkei.
Sachkundige Bürgerin
Unterstützung für ihre Forderungen erhält sie von vielen Seiten. Um die Mechernicher Solidarität auszudrücken, hatte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick zu einer Pressekonferenz in den Ratssaal eingeladen – und ganz viele sind gekommen. Der Bundestagsabgeordnete Detlef Seif ist da, Vertreter von „Stimmen der Solidarität – Mahnwache Köln“ sind extra aus Köln angereist. Mit dabei sind auch Hamide Akbayir und Dilan Ors, die beide ebenfalls in der Türkei in Haft waren und erst nach bangen Monaten und Jahren wieder nach Deutschland durften. Zudem beteiligen sich Vorstandmitglieder Georg Krautkrämer und Jürgen Wessling sowie Jörg Detjen von den Kölner Linken an der Solidaritätsbekundung für die Familie Sahbaz.
Vertreten sind auch so gut wie alle Fraktionen aus dem Rat. Daniel Decker und Beppo Wassong von der SPD sind als enge Unterstützer von Pinar Sahbaz dabei. „Schließlich sitzt Zozan Sahbaz für uns als sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales“, berichtet Beppo Wassong. Auch Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick betont: „Sie ist eine engagierte Bürgerin im Stadtgebiet.“
Gekommen ist zudem Peter Schweikert-Wehner (SPD) ebenso wie Peter Kronenberg (CDU), Heinz Schmitz und Dr. Manfred Rechs (beide UWV), Gerd Altmeier (Grüne) sowie Oliver Totter (FDP). Zu Wort meldet sich auch Walburga Nüssmann, weil sie ihre Solidarität mit Zozan Sahbaz, der ehemaligen Tischtennis-Mitspielerin in der TuS Mechernich, unbedingt zum Ausdruck bringen möchte.
Auch für Detlef Seif ist die Inhaftierung der beiden Frauen unverständlich. „Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass ein nachdrücklicher Hinweis aus dem Auswärtigen Amt und dem Generalkonsulat ausreichend sein wird für die Freilassung“, berichtet der Bundestagsabgeordnete, der sich auf Bitten der Familie und von Mechernichs Bürgermeister bereits sehr früh in den Fall eingeschaltet hat.
Doch diese Hoffnung war vergebens. Auch ein Brief an den türkischen Botschafter in Berlin blieb unbeantwortet. „Doch ich werde mich auch weiterhin mit Nachdruck für die Freilassung der beiden Frauen einsetzen“, betont Detlef Seif. Denn eigentlich müssten die türkischen Behörden verstehen und begreifen, dass selbst nach ihren Rechtsvorschriften hier kein strafbares Verhalten vorliege.
Resolution im Rat denkbar
Für Dilan Os ist klar: „Das ist Willkür.“ Die Frau, die jahrelang in der Türkei inhaftiert war, zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde und nach Urteilsverkündung auf freien Fuß gesetzt wurde, um nach Deutschland ausreisen zu können, kann sehr gut nachempfinden, wie sich die Pinar Sahbaz fühlt. Für Dilan Os hat die Inhaftierung kurdischer Frauen vor allem einen Zweck: Einschüchterung.
Gleichzeitig betont sie: „Wir können hoffen und wir können an der Seite von Pinar stehen. Außerdem müssen wir medial Aufmerksamkeit erregen und ganz laut sein. Weil das wirkt. Bei uns hat es zwar sehr lange gedauert, aber es wirkt. Nur der mediale Druck bringt etwas.“
Dafür ist Pinar Sahbaz auch sehr dankbar. Alle Beteiligten hoffen, dass die beiden Mechernicherinnen zum Ende des Monats auf freien Fuß gesetzt werden. Denn für den 28. Januar ist in der Türkei der nächste Prozesstag angesetzt. An dem Tag kommt in Mechernich auch der Rat zusammen und so wird während der Presskonferenz die Idee geboren in eben dieser Sitzung der Forderung nach Freilassung mit einer Resolution noch weiteren Nachdruck zu verleihen.
pp/Agentur ProfiPress