Zurück, um zu mahnen
Künstler Gunter Demnig verlegte sechs Stolpersteine für die Kommerner Familie Schwarz – An der Gedenkveranstaltung in der Gielsgasse beteiligten sich zahlreiche Polizisten
Mechernich-Kommern – Er braucht keine Worte. Wenn Gunter Demnig umringt von seinen Eimern und Werkzeugen auf dem Boden in der Kommerner Gielsgasse kniet und sein Gesamtkunstwerk um sechs weitere Solpersteine für Isidor, Ida, Josef, Ernst, Kurt und Gerta Schwarz ergänzt, dann tut er das schweigend.
Er tut es bedächtig, einem Ritual gleich. Es ist ein Niederknien vor den Opfern der schrecklichen nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Es ist bei aller Stille, mit der er diese Stolperstein-Verlegungen vollzieht, ein lauter, unüberhörbarer Aufschrei, der sich uns ins Gedächtnis brennen soll: Nie wieder soll so etwas geschehen.
„Mit einfachen Mitteln, einem Stein und einer Messingplatte, schafft Gunter Demnig eine geniale, unübersehbare Wirkung“, stellte Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick während seiner Ansprache vor rund 70 Teilnehmern der Stolperstein-Verlegung heraus. „Er holt die Opfer damit in ihre Heimatorte zurück. Er zeigt damit, dass diese Menschen ein Teil unserer Gesellschaft waren, bevor sie vertrieben oder deportiert wurden“, so Schick weiter. Jetzt ist also auch die Familie Schwarz zurück in Kommern, um heutige und künftige Generationen zu mahnen.
53 Stolpersteine im Stadtgebiet
Zu verdanken ist das der Projektgruppe „Forschen – Gedenken -Handeln“ mit Gisela und Wolfgang Freier, Rainer Schulz und Elke Höver, die bei ihren Aktionen auch immer von der Stadt und dem städtischen Bauhof unterstützt werden. „Vor fast genau 20 Jahren, im Mai 2003, legten wir die ersten Stolpersteine vor dem Haus der Familien Eiffeler und Frohwein in der Kölner Straße“, so Gisela Freier. Mit den Steinen für die Familie Schwarz erinnerten nun 42 Steine in Kommern an die ehemals jüdischen Mitbürger, im gesamten Stadtgebiet seien es 53.
„Flucht 1939“, steht auf den jetzt verlegten Steinen. Denn Isidor Schwarz und seine Familie konnten der Vernichtung durch Nazideutschland entkommen. „Zu unserer Freude haben sie alle überlebt, in England und den USA“, so Gisela Freier weiter, deren Mitstreiter das Gedicht „Das Zeichen“ von Shalom Ben-Chor vortrugen und Zweige an den neuen Stolpersteinen niederlegten.
Viehhandel betrieben
Zudem hatte die Projektgruppe den Lebensweg der Familie recherchiert. So wurde Isidor Schwarz am 15. Januar 1870 in Embken geboren. 1905 heiratete er Ida Levano aus der bekannten Kommerner Levano-Familie. In der dortigen Gielsgasse betrieb Isidor Schwarz mit seiner Frau einen Viehhandel. Zwischen 1906 und 1912 wurden die Kinder Josef, Ernst, Kurt und Gerta geboren.
Sohn Kurt Schwarz besuchte seinen Heimatort Kommern noch einmal im September 1985 anlässlich der Aufstellung des Gedenksteines für die jüdischen Familien. „Ich werde die schöne Zeit hier nie vergessen, ich kann aber auch nicht vergessen, was damals passiert ist“, sagt er damals.
„Vergessen dürfen auch die heutigen und künftigen Generationen nicht“, betonte Leo Wolter, als Vertreter des Euskirchener Landrats. Nur, wenn man daran erinnere, könne man verhindern, „dass in Deutschland und Europa nie mehr das geschieht, was unter den Nazis geschehen konnte“, so der stellvertretende Landrat weiter, der anschließend das Mikrofon an Tina Kuhle-Gemünd weiterreichte.
Für Rechtsstaat und Demokratie
Die Extremismusbeauftragte der Kreispolizeibehörde Euskirchen war mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen zur Gedenkveranstaltung gekommen. „Wir als Polizei stehen für den Rechtsstaat, für Demokratie mit all ihren Werten. Es ist an uns, diese zu schützen. Und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, dass Geschichte sich wiederholt“, betonte Tina Kuhle-Gemünd, die zum Abschluss ihres Redebeitrags ein Gedicht von Bruno Jasenski vortrug:
„Fürchte dich nicht vor deinen Feinden, im schlimmsten Fall können sie dich töten. Fürchte dich nicht vor deinen Freunden, im schlimmsten Fall können sie dich verraten. Fürchte dich vor den Gleichgültigen, weder töten und verraten sie, aber nur mit ihrer stillschweigenden Zustimmung gibt es auf der Welt Mord und Verrat.“
Ein Gedicht, das allen Beteiligten noch einmal vor Augen führte, wie wichtig es ist, immer wieder aufs Neue für freiheitliche Werte einzustehen. Wie wichtig es ist, mutig Positionen zu beziehen. Wie wichtig es ist, den Mund aufzumachen gegen Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus. Gunter Demnig tut all das mit seinem Gesamtkunstwerk, mit seinen Stolpersteinen, die uns jeden Tag mahnen, wachsam zu sein. Er tut das mit lauter Stimme und braucht dafür doch keine Worte.
pp/Agentur ProfiPress