Wenn Wind weht: Windmühlen bauen
Andera Gadeib fordert einen intelligenten Umgang mit dem digitalen Wandel und zeigt in der Mottenburg eine menschliche Zukunft auf – Freunde und Förderer des LVR-Industriemuseums hatten zu einem spannenden und impulsgebenden Vortrag eingeladen
Kuchenheim – „Ja, es ist eine optimistische Perspektive die ich einnehme, aber es ist keine unkritische.“ Andera Gadeib, studierte Wirtschaftsinformatikerin, Unternehmerin, Autorin und berufenes Mitglied in verschiedenen Beiräten zum Beispiel „Junge Digitale Wirtschaft“, macht sich stark für einen intelligenten Umgang mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft – und gibt in der Mottenburg eine Anleitung zum Chancendenken: Kein „ja, aber…“, besser ein „ja, und…“ sei mit Blick auf die (menschliche) Zukunft gefragt.
Eingangs ihres Vortrages, zu dem die Freunde und Förderer des LVR-Industriemuseums Euskirchen eingeladen hatten, allen voran Heinz-Otto Koch, zitiert sie ein chinesisches Sprichwort: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.“ Der Mensch sei wichtig in dem Prozess der Digitalisierung und sollte ihn am besten aktiv gestalten.
„Wir befinden uns im Jahr 2050“, führt Gadeib die Zuhörer dreißig Jahre voraus, in ein Jahr in dem alles digitalisiert ist, was digitalisiert werden konnte. Und, wo ist der Mensch, fragt sie und nimmt sogleich aufwallende Ängste: „Wir stellen fest, dass wir immer noch da sind. Und dass es Dinge gibt, die zutiefst human geblieben und entgegen aller Vorhersagen nicht von Maschinen übernommen worden sind.“ Im Gegenteil der Mensch werde besonders wertgeschätzt, so ihre Theorie.
In der Geschichte der industriellen Evolution habe es häufiger ungeliebte Revolutionen gegeben. „Als etwa die Technologie in die Weberei einzog“, so Gadeib: „Die Frage ist, wie wir damit umgehen.“ Den digitalen Wandel müsse man „aktiv bei den Hörnern“ packen und „Weichen heute stellen“. Sie sagt: „Es ist absehbar, dass die Welt unserer Kinder und Kindeskinder vollkommen anders aussehen wird als die Gegenwart, in der wir leben.“
Sie fordert: „Gestalten wir die Zukunft also enkeltauglich.“ Schule habe da einen wichtigen Part, das aktuelle Bildungssystem werde dem allerdings (immer noch) nicht gerecht.
Bewusstes Auseinandersetzen
Vor allem ein bewusstes Auseinandersetzen mit der Technik und den Möglichkeiten sei wichtig. „Das digitale Zeitalter hat gerade erst angefangen und das im moderaten Tempo. Auch wenn uns das ganz und gar nicht so erscheint. Die technologischen Veränderungen entwickeln sich exponentiell“, prophezeit Gadeib. Die Digitalisierung werde niemals mehr so langsam voranschreiten wie heute. Dabei fühle es sich jetzt schon ein bisschen so an als ob ein Schnellzug im Eiltempo vorbeirausche. Sie sagt: „Aber all das sollte uns keine Angst machen oder in Ohnmacht versetzen, denn es könnte der Beginn einer der spannendsten Reisen sein, die wir je gemacht haben.“
Im Laufe des Abends in der Mottenburg zeigt Gadeib – mit „Sofia“, dem menschenähnlich agierenden Roboter, „Ferbie“, einem digitalen Spielzeug, was Wortschätze lernen und letztlich sogar Haustüren öffnen kann, „Alexa“, die mit einem spricht und sich vor allem Dinge merken kann – alles Technologien, die es heute schon gibt. Vielleicht schon in zehn Jahren gebe es vielleicht eine Welt voller noch intelligenterer Geräte, wie die Toilette, die schon frühmorgens die ersten Gesundheitsdaten an den Arzt meldet oder das autonome Auto, das vor der Haustür auf einen wartet.
„Nutzen Sie Technologien für und nicht gegen die Menschen“, rät sie. Vor allem solle man bei den Entscheidungen das Bauchgefühl, als ein hohes Gut des Menschen, nicht außer Acht zu lassen. Dass „Künstliche Intelligenz“ (KI) uns Menschen überholt, glaubt sie nicht. 2013 habe die Kanzlerin den mächtigen Satz gesagt: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Dafür sei sie verhöhnt worden. Doch Gadeib sagt: „Ich glaube, dass die Kanzlerin bis heute recht hat. Das Internet ist Neuland.“
Die Referentin lud ein, Teil eines „großen Transformationsprozesses zu sein, der in die Geschichte eingehen wird.“ Dabei ist für sie die zentrale aller Fragen die: „Welche Windmühlen haben wir gebaut, als der digitale Wandel aufzog?“
pp/Agentur ProfiPress