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„Nie wieder, nicht hier, nicht mit uns!“

Gedenken an die Pogrome von Kommern gemeinsam mit Nachfahren der jüdischen Familie Kaufmann – Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick forderte zu Wachsamkeit und Widerstand gegen neuen Rechtsradikalismus auf: „Braune Parolen machen wieder Menschen besoffen mit Rassismus und Nationalismus, mit Fremden- und Menschenfeindlichkeit, mit Intoleranz und Hass. Auch dagegen demonstrieren wir heute!“

Mechernich-Kommern – „Das ist ein wirklich emotionaler Moment für mich“: Regina Cohens Blick richtete sich beim Gedenkgang an die Judenpogrome in Kommern auf eine goldfarbene Gedenktafel in der Gielsgasse.

Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Stadtverwaltungsmitglied Rainer Schulz und einige Schülerinnen der Marienschule Euskirchen informierten bei dem Gedenkrundgang durch Kommern über die Vertreibung und Ermordung der einst in Kommern beheimateten jüdischen Familien. Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

In diesem Haus lebten einst ihre Mutter Lilly (Jahrgang 1910) und ihre Tante Eva Kaufmann (*1907). Beide Mädchen waren Kommerner „Fraulöck“ und wurden von ihren Eltern mit Anstand im jüdischen Glauben erzogen, so wie sich ihre katholische Nachbarn bemühten, ihre Kinder zu anständigen Menschen zu erziehen.

Regina Cohens Mutter, die sich später nach ihrer Vertreibung aus Deutschland und ihrer Heirat in England Lilly Clyne schrieb und Tante Eva Wallace erlebten die Enteignung des Wohnhauses in der Kommerner Gielsgasse, die Fortnahme des von den Eltern bewirtschafteten Hofes in Hostel und die Deportation nach Köln, bis Eva und Lilly schließlich nach England entkamen.

Gemeinsam mit Sohn Sha und Enkelin Jasmin-Eva kam Regina Cohen für den Kommerner Gedenkrundgang aus den Vereinigten Staaten nach Kommern, wo einst ihre Vorfahren lebten und ihre Mutter Lilly und ihre Tante Eva Kaufmann geboren wurden. Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

Über den Atlantik zum Mühlensee

  Regina Cohen zog es schließlich bis nach Amerika. Am Samstag kehrte sie gemeinsam mit Sohn Sha Cohen und Enkelin Jasmin-Eva Cohen von Baltimore zu den Wurzeln der Familie an den Kommerner Bleibach zurück. Gemeinsam mit einigen Dutzend Kommernern nahm sie an dem Gedenkrundgang teil, der die Vergangenheit der jüdischen Familien von Kommern zum Gegenstand hat.

„Ich bin sehr froh, dass heute drei Generationen mit Euch gemeinsam hier stehen können, nach so vielen schrecklichen Ereignissen“, ermutigte Regina Cohen vor allem die junge Generation, sich der unabänderlichen Dinge annehme, die die absolute Mehrzahlheute gerne ungeschehen sein lassen würde, wie auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick demonstrativ erklärte.

Im Gedenken an die einst blühende jüdische Gemeinde und die zahlreichen Kommerner jüdischer Religionszugehörigkeit legten Schülerinnen der Marienschule weiße Steine auf die Grabsteine des jüdischen Friedhofs in Kommern. Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

„Nie wieder“ rief der erste Bürger den Schwur der Mütter und Väter des Grundgesetztes und der jungen demokratischen Bundesrepublik in Erinnerung, dass nie wieder Menschen jüdischen Glaubens auf deutschem Boden ein Haar gekrümmt werden dürfe.

Dr. Hans-Peter Schick verdeutlichte, dass dieser Eid nicht allein durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit zu erfüllen ist. Er rief zu Wachsamkeit und Widerstand gegen die neue rechtsradikale Gesinnung in Deutschland auf.

Dutzende Teilnehmer nahmen am Gedenkrundgang durch die Gassen Kommerns teil und zeigten ihre Solidarität mit den Erschlagenen und mit den Überlebenden. Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

Daran habe auch Bundesinnenminister Horst Seehofer in Halle an der Seite seines bayrischen Landsmanns, des Zentralratsvorsitzenden Josef Schuster, mit allem Nachdruck erinnert, so Dr. Schick.

„Braune Parolen machen besoffen“

Der Anschlag in Halle habe gezeigt, dass derartige Ereignisse kein Relikt längst vergangener Tage seien, sondern leider wieder hochaktuell. Der Bürgermeister: „Es ist höchste Zeit! Braune Parolen machen wieder Menschen besoffen mit Rassismus und Nationalismus, mit Fremden- und Menschenfeindlichkeit, mit Intoleranz und Hass. Auch dagegen demonstrieren wir heute.“

Am Haus mit der goldfarbenen Erinnerungstafel an die dort einst lebende Kommerner Familie Kaufmann zeigten diese Marienschülerinnen ein Foto mit den beiden dort geborenen und den Holocaust Gott sei Dank überlebenden Schwestern Lilly (* 1910) und Eva Kaufmann (*1907). Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

Über mehrere Stationen führte der Gedenkrundgang die Teilnehmer vom Geburtshaus von Eva Wallace und Lilly Clyne zur Gedenktafel am jüdischen Friedhof und vorbei an den Grabstellen der einst in Kommern beheimateten jüdischen Familien.


Familienspurensuche auf dem Kommerner Judenfriedhof: Regina und Sha Cohen.  Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

Schülerinnen der Marienschule Euskirchen versorgten die Zuhörer dabei mit Hintergrundinformationen über die damaligen Lebensumstände. „Es gibt unterschiedliche Arten des Erinnerns: Mahnmale, Gedenksteine, Stolpersteine, Gedenkstunden oder Gedenkrundgänge“, erklärte der Organisator des Rundganges, Rainer Schulz.

„Verantwortung unserer Generation“

„Man muss die Erinnerung wachhalten und das Unfassbare weitererzählen. Das ist die Verantwortung unserer Generation“, so der engagierte Rathausmeister und Kommerner Geschäftsmann. Umso stolzer sei auch der erste Bürger der Stadt, dass die weiterführenden Schulen Jahr für Jahr an die Pogrome erinnern und den Rundgang mitgestalten.

Schülerinnen der Marienschule Euskirchen informierten während des Gedenkrundgangs über Vertreibung und Ermordung und das Überleben einiger weniger Kommerner mit jüdischer Religionszugehörigkeit. Foto: Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress

So konnten am Samstag nicht nur Regina Cohen und ihre Familie auf den Spuren ihrer Vorfahren wandeln. Auch die übrigen Teilnehmer trugen ihren Teil zum Nicht-Vergessen und Verzeihen bei und setzten ein öffentliches Zeichen zur Bekräftigung des von Horst Seehofer in Halle und Dr. Hans-Peter Schick in Kommern abgegebenen Versprechens: „Nie wieder! Nicht hier! Nicht heute! Nicht morgen! Nicht mit uns!”

Cedric Arndt/pp/Agentur ProfiPress