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„Krockwösch“ für „rheinisch Katholische“

Alter Brauch mit möglicherweise vorchristlichen Wurzeln wurde nach der Christianisierung in die Kirche integriert und lebt im Rheinland seit Jahrhunderten an „Mariä Himmelfahrt“ fort – Museums-Wirtschafterinnen sammelten, banden und verschenkten Hunderte Sträuße an die Museumsbesucher – Segnungsgottesdienst mit Mechernicher Diakon

Mechernich-Kommern – „Bletzkrock“ (Johanniskraut), „Dondekrock“ (Weidenröschen)  und „Wurmkrock“ (Rainfarn) gehören ebenso in einen Eifeler „Krockwösch“ (Krautwisch) wie „Böndeknöpp“ (Großer Wiesenknopf) und „Maria Bettstrüh“ (Oregano). Je nach Ort und Ecke variiert die Anzahl der Kräuter, die an Mariä Himmelfahrt zum Krautwisch gebündelt und in katholischen Kirchen gesegnet werden, zwischen sieben und 99. Hauptsache, es handelt sich um eine so genannte „heilige Zahl“.

Was es mit dem alten Brauch auf sich hat, konnten Interessierte am Donnerstag, 15. August, dem Feiertag „Mariä Himmelfahrt“, einmal mehr im LVR-Freilichtmuseum in Kommern erfahren. Denn dort hatten die Museums-Wirtschafterinnen Monika Blaeser, Annette Maylahn, Anita und Marianne Wolfgarten am Vortag und frühen Morgen landesübliche Kräuter, Blumen und Nutzpflanzen gesammelt. Auch die vier Hauptgetreidearten aus Börde und Voreifel, nämlich Roggen, Gerste, Hafer und Weizen, gehören in den „Krockwösch“.

Im LVR-Freilichtmuseum in Kommern hatten die Museums-Wirtschafterinnen (v.l.) Anita Wolfgarten, Monika Blaeser, Marianne Wolfgarten und Annette Maylahn landesübliche Kräuter, Blumen und Nutzpflanzen gesammelt. Auch die vier Hauptgetreidearten aus Börde und Voreifel, nämlich Roggen, Gerste, Hafer und Weizen, gehören in den „Krockwösch“. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Gottesdienst und Segnung

Donnerstag nun wurden im Beisein mehrerer Dutzend Gläubiger und Neugieriger vor dem Schützendorfer Kapellchen (Museumsbaugruppe Eifel) unter fachkundigen Erklärungen der Museums-Wirtschafterinnen Krautwische gebunden, gesegnet und an die Museumsbesucher überreicht. In einem kleinen Gottesdienst wurden Weihwasser und Kräuter geweiht, Marienlieder gesungen und gebetet. Klaus Cepok las aus dem alttestamentarischen Buch Ezechiel. Der Mechernicher Diakon Manfred Lang begrüßte nicht nur „rheinisch Katholische – deshalb das »rk« auf der Steuerkarte“. Es waren auch bekennende evangelische Christen dabei, die gleichwohl die Heilkraft der Kräuter und den Segen für diese Kräuter in ihren religiösen Erfahrungsschatz zu integrieren wussten.    

Der Diakon sagte, dass im Krautwisch-Brauch christliche und vorchristliche Elemente zusammenfließen. Im christlichen Glaubenskontext seien Zahlenmagie und mystische Gesichtspunkte aber heutzutage in den Hintergrund getreten. Wenngleich Krautwisch-Komponenten heute noch immer als Tee oder Futterbeigabe an kranke Menschen oder Vieh verabreicht oder bei Gewitter im Herdfeuer verbrannt werden.

„Aber das hat nichts mit Zauberei zu tun“, sagte Lang. Umgekehrt spiele auch das Wissen um die medizinische Heilkraft mancher Pflanzen bei der Kräutersegnung am Festtag der Aufnahme Mariens in den Himmel nicht die zentrale Rolle.

Erfahrbarkeit Gottes

Lang: „Es geht, glaube ich, um die handfeste Erfahrbarkeit Gottes. Der Allmächtige ist keine abstrakte Größe, über die man nur philosophieren oder theologisieren könnte. Gott ist uns näher als die eigene Nasenspitze, er durchdringt seine ganze Schöpfung, er ist in der Heilkraft der Kräuter ebenso präsent wie in unserem eigenen, ganz konkreten Leben.“ Das junge Mädchen Maria, das vor 2000 Jahren den Anruf Gottes hörte, annahm und ihr Leben ganz danach ausrichtete, sei bis heute das Vorbild dieser Gotteserfahrung.

Der „Krautwisch“ gilt als heil- und wunderwirksam – bei Gewittern wurden früher einige Zweige im Herdfeuer verbrannt. Auch der „Krockwösch“ des Vorjahres wird nach Mariä Himmelfahrt nicht einfach weggeworfen, sondern traditionell dem Feuer überantwortet. Beim Neubau eines Hauses legte man früher geweihte Kräuter unter die „Dörpel“ genannte Haustürschwelle. Beim Tod eines Familienmitgliedes werden vereinzelt noch immer Zweige des „Krockwöschs“ mit in den Sarg gelegt.

pp/Agentur ProfiPress