„Ihr Geist lebt weiter“
Ausstellung zum 50. Todestag der gebürtigen Mechernicherin Gertrud Roggendorf, die vor 80 Jahren als Schwester Anna Huberta in Indien die „Helpers of Mary“ gründete – Organisiert von der „Indienhilfe Köln e.V.“– Generaloberin Pushpy Alappadan angereist – „Marys“ leisten Hilfe und Bildung für Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern – Vernissage-Publikum war beeindruckt
Von Henri Grüger
Mechernich/Mumbai – Ungewöhnlich genug: Mystische und traditionelle indische Musik erklingt auf den Fluren des Mechernicher Rathauses. Die Wände auf dem Flur in der zweiten Etage sind voll mit Bildern in Schwarz-Weiß. Es sind historische Aufnahmen, aber es gibt auch Bilder von heute, in Farbe, lachende Kinder, ernste Frauen, Hausarbeitsschülerinnen an der Nähmaschine…
Vor 50 Jahren starb die Waisenhaus-Gründerin Schwester Anna-Huberta, geborene Getrud Roggendorf aus Mechernich. Vor 80 Jahren, im dritten Kriegsjahr 1942, hob sie in Indien die Gesellschaft der „Helpers of Mary“ aus der Taufe, einen Frauenorden mit heute weltweit 360 hauptsächlich in der Kinder- und Frauenhilfe tätigen Schwestern. Auch Anna-Huberta Roggendorfs Leitspruch ist heute von ungebrochener Aktualität: „Live Love“.
Immer mehr Menschen füllen den Flur, um der Vernissage über die „Heilige von Mechernich“ beizuwohnen. Organisiert hatte die Ausstellung die „Indienhilfe Köln e. V.“ Eigens in die Geburtsstadt ihrer Gründerin angereist waren Oberin Pushpy Alappadan und Schwester Naveela von den „Marys“ aus Indien. Dort feiern die „Marys“ derzeit ein ganzes Jubiläumsjahr anlässlich des 50. Todestages ihrer Gründerin. Die Ausstellung im Rathaus der Geburtsstadt ist in dem Zusammenhang ein besonders wichtiger Moment.
Besucher haben in der zweiten Etage der Stadtverwaltung über mindestens drei Monate lang die Gelegenheit, sich über das Leben und Wirken von Schwester Anna Huberta Roggendorf zu informieren. Auf einer Seite des Flurs sind Bilder aus der Geschichte Anna Hubertas dargestellt, auf der anderen Seite die Arbeit der Ordensschwestern in den indischen Slums.
Die „Indienhilfe Köln“ und Organisatorin Gabriele Möbius haben sich im Vorfeld erfolgreich mit Gabriele Schumacher von der Mechernicher Stadtverwaltung und Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick für die Realisierung der Ausstellung eingesetzt.
„Wichtig für den Orden“
Annetraut Orth (geborene Roggendorf), die Nichte Anna Hubertas, war ebenfalls bei der Vernissage. Sie kannte ihre 1972 verstorbene Tante noch persönlich. So erzählte sie, dass Anna Huberta ihren Namen aus den Vornamen ihrer Eltern, Anna und Hubert, zusammengesetzt habe. Und sie betonte: „Es ist sehr wichtig für den Orden, Unterstützung zu bekommen und die Power dahinter zu verstärken. Daher freut mich das rege Interesse für meine Tante und ihr Lebenswerk sehr.“
Auch die Pfarrer Jaison Thazhathil, Sabu Purayidathil, die Schwestern Rose und Liya Tom, Tilj Puthenveettil von der Mechernicher Communio in Christo beziehungsweise den Samaritan-Schwestern sowie Pfarrer Erik Pühringer von der GdG St. Barbara Mechernich waren dabei.
Pfarrer Pühringer betonte: „Das ist ein interessanter Auftakt für diese wichtige Ausstellung und zur Würdigung des 50. Todestages Anna Hubertas. Es ist gut, einen Akzent zu setzen, um diese besondere Mechernicherin im Bewusstsein der Bürger zu halten.“
Die Schwestern der Hilfsorganisation und die des Ordo Communionis in Christo vor Ort kommen alle aus dem indischen Kerala, konnten sich also in ihrer Muttersprache austauschen. Pfarrer Jaison Thazhathil tauschte sich intensiv mit der Generaloberin der „Society of the Helpers of Mary“ aus.
Ein Film, der im Ratssaal des Rathauses abgespielt wurde, dokumentierte die Arbeit der „Marys“ in Indien. Nach Ende der Vorstellung brandete Applaus auf. Zur Stärkung gab es indische Köstlichkeiten wie „Sukian“ (Bällchen aus Mungbohnen mit Rohrzucker), „Samosa“ (divers gefüllte Teigtaschen) oder „Bonda“ (frittierter Kartoffelsnack), die „auf der Hand“ genossen werden konnten.
„Stark, voller Liebe und Glaube“
Eröffnet wurde die Vernissage mit einer Ansprache des stellvertretenden Bürgermeisters Günther Kornell. Verwaltungschef Dr. Hans-Peter Schick, der die Ausstellung mit realisiert hatte, fehlte krankheitsbedingt. Generaloberin Pushpy Alappadans Ansprache an die Mechernicherin wurde von Martin Kramm übersetzt: „Ihr Credo war, die Bedürftigen nicht zu sich kommen zu lassen, sondern hinzugehen in die Slums, wo die Not am größten ist“. Diesem Wahlspruch folgten die Schwestern bis heute.
„Ihr zweiter Grundsatz war, es gebe keine schlechten Kinder, nur ungeliebte“, so Generaloberin Pushpy Alappadan: „Schwester Anna Huberta war eine starke und liebevolle Persönlichkeit voll tiefem Glauben.“ Für sie sei es eine große Ehre, den Heimatort ihrer Ordensgründerin nochmals persönlich zu besuchen und diese besondere Ausstellung mit zu eröffnen. Die „Helpers of Mary“ setzen sich für eine Seligsprechung Anna Hubertas ein, ein langwieriger und nicht einfacher Prozess. Am Schluss segnete die Oberin die Mechernicher.
Martin Kramm, der Vorsitzende der „Indienhilfe Köln“, erzählte, wie seine Ehefrau Rani im von Gertrud Roggendorf aufgebauten Waisenhaus „St. Catherine´s Home“ in Indien gelebt und Anna Huberta noch selbst kennengelernt hatte. Die „Heilige von Mechernich“ sei auch mit Ranis Adoptivmutter Viktoria „Doris“ Hettlich befreundet gewesen, die später die „Indienhilfe Köln e.V.“ zur Unterstützung des Andheri-Kinderdorfes gründete. Mitinitiatorin Gabriele Möbius dankte Kramm für die aufwendige Organisation und ihren stets verlässlichen Einsatz für die „Mutter Theresa aus Deutschland“, wie Möbius die Ordensgründerin aus der Arenbergstraße nennt.
„Müssen sie einfach unterstützen!“
Die „Gesellschaft der Helferinnen Mariens“, so der deutsche Name des Ordens, bringt unter anderem Bildung und Aufklärung zu Kindern und Frauen beispielsweise Indien, Äthiopien und Kenia. Außerdem gibt es eine kleinere Schwesterngemeinschaft in Italien. Ihr besonderes Augenmerk gilt den Mädchen, die in vielen Ländern kaum Rechte auf persönliche Entfaltung besitzen.
Rani Kramm, die mit ihrem Mann Martin die „Indienhilfe Köln e. V.“ leitet, sagte im Mechernicher Rathaus: „Der Geist Anna Hubertas lebt in den »Marys« weiter. Es ist extrem beeindruckend, wie viele Menschen zur Vernissage gekommen sind. Die Schwestern helfen dabei, dass sich etwas ändert. Denn das muss es.“
Durch die Möglichkeiten der Perspektiven, Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten, die sie den Frauen bieten, verdienten viele von ihnen mittlerweile mehr als ihre Männer: „Da überlegen es sich die Männer erst recht nochmal, wie sie ihre Frauen behandeln.“
„Weiterhin Gutes bewirken“
Schwester Anna Huberta Roggendorf (geboren am 31. Juli 1909 in Mechernich, gestorben am 4. Juli 1973 in Mumbai) gründete die „Society of the Helpers of Mary“ (SHM) 1942 in Indien. Auch die anderen „geistlichen“ Kinder der Mechernicher Familie Roggendorf, Schwester Anna-Xaveria, die in Pakistan wirkte, und Schwester Anna-Maria in Brasilien, haben Ihr Leben der Nächstenliebe und Hilfe gewidmet. Der ältere Bruder Josef Roggendorf war Jesuit und Gründer und Dekan der Universität von Tokio.
Bis heute gibt es einen Kreis engagierter Frauen und Männer in Mechernich, die seit über 50 Jahren bei einem Basar in der Vorweihnachtszeit viele Zehntausend Euro für die Lebenswerke der drei Roggendorf-Schwestern aus Mechernich gesammelt und an die Projekte überwiesen haben.
Auch die Stadt selbst gedenkt der Familie. Nicht nur in Form einer Erinnerungstafel am Geburtshaus in der Arenbergstraße, im Neubaugebiet Mechernich.-Nord wurde der „Anna-Huberta-Roggendorf-Weg“ nach der Ordensfrau benannt, eine Straße in Krankenhausnähe nach ihrem Vater, dem Heimatforscher Hubert Roggendorf.
Seinerzeit wurde beim ersten Besuch der Generaloberin Pushpy Alappadan in Mechernich überlegt, ein paar „Marys“ nach Mechernich zu holen. Rani Kramm: „Anna Huberta betonte aber immer, die Schwestern gehörten zu den bedürftigen Menschen in den Slums.“ Deshalb sei der Plan nicht weiterverfolgt worden, in der Geburtsstadt der Gründerin eine kleine Dependance zu errichten.
Martin Kramm war mit der Vernissage zufrieden: „Wir haben schon viel erreicht, einfach weil so viele Leute gekommen sind und beeindruckt waren. Auch der Film hat da denke ich vieles ausgemacht. Wir würden uns wünschen, dass möglichst viele Menschen auch etwas mitnehmen und vielleicht etwas bei unserer Arbeit unterstützen. Einfach, damit Anna Huberta wertvolle Arbeit in Ehren gehalten wird und die »Helpers of Mary« so weiterhin Gutes in dieser Welt bewirken können.“
pp/Agentur ProfiPress