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Familienschicksal weckt Eigeninitiative

Awo-Kindergärtnerinnen, Privatleute und Hilfsorganisationen ermöglichen Erdbestattung in der neuen Heimat Mechernich und unterstützen Witwe und Kinder des gebürtigen Beniners Kelly Edigin (27), der vor Karneval an der Feytalstraße mit tödlichem Ausgang verunglückte

Mechernich – Ein tragisches Familienschicksal hat sich in den vergangenen Wochen von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt in Mechernich abgespielt. Der seit 2015 am Bleiberg lebende erst 27jährige Familienvater Kelly Edigin aus dem afrikanischen Benin verunglückte Anfang Februar mit dem Fahrrad in der Feytalstraße, fiel ins Koma und starb Rosenmontag in der Universitätsklinik Bonn. Er hinterlässt Ehefrau Doris Edokpayi (41) und die Kinder Favour (6) und Praise (4).

Wären da nicht Freundinnen und Freunde in Mechernich gewesen, allen voran Nicole Thielen und Melanie Freikowski vom städtischen Awo-Kindergarten am Nyonsplatz, wäre der Leichnam von Amts wegen verbrannt und in der Bundesstadt Bonn anonym beigesetzt worden. Die in Nigeria vollzogene Trauung wird von deutschen Behörden nicht anerkannt. Die Witwe konnte Überführung und Erdbestattung ihres verstorbenen Mannes nicht einmal beantragen.

Doch die beiden Kindergärtnerinnen und ihre Kolleginnen und zahlreiche Eltern mobilisierten daraufhin hinter den Kulissen zunächst die Stadtverwaltung Mechernich, dann zahlreiche Spender und Hilfsorganisationen, um den Toten nach Mechernich zu holen, dort zu bestatten und Mittel für die Familie zu organisieren, die über die erste schwere Zeit ohne Ehemann und Vater hinweghelfen sollen. „Menschlich ist der Verlust nicht zu ersetzen“, so Nicole Thielen: „Aber die Familie spürt, dass sie nicht allein gelassen wird.“

Hilfsgruppe und Mechernich-Stiftung

Die Erdbestattung nach katholischem Ritus, wie die Familie es aus religiösen Gründen wünschte, hat am heutigen Donnerstag unter Beteiligung einer ganzen Reihe von Freunden und Verwandten auf dem Mechernicher Friedhof stattgefunden. Der Kirchenmusiker Erik Arndt spielte auf der Orgel „Tears to heaven“. Unter den Trauergästen befanden sich viele Kindergarteneltern und Personal der Kindertagesstätte am Nyonsplatz, den Kelly und Doris Kinder besuchen. Nicole Thielen und Melanie Freikowski verkündeten Lesung und Evangelium und sprachen die Fürbitten.

Sie waren es auch, die in den turbulenten Tagen zuvor Beratung bei Silvia Jambor vom Mechernicher Ordnungsamt und Hilfe bei dem Lückerather Willi Greuel von der Hilfsgruppe Eifel fanden. Diese gemeinnützige Hilfsorganisation streckte Geld für Überführung und Beisetzung vor, Personal und Eltern der Kindertagesstätte am Nyonplatz organisierten eine Spendenaktion im Internet, um die Kosten zu refinanzieren und darüber hinaus ökonomische Unterstützung für die Hinterbliebenen zu organisieren.

Viele Privatleute machten mit, der Schicksalsschlag weckte Eigeninitiative. Auch Organisationen und Institutionen haben sich inzwischen beteiligt, so Pfarrer Erik Pühringer, seine Pfarrcaritas und die für wohltätige Zwecke spielende Mechernicher Skatrunde sowie die gemeinnützige Mechernich-Stiftung um den städtischen Dezernenten Ralf Claßen, den evangelischen Pfarrer Dr. Michael Stöhr und die katholische Seelsorgerin Maria Jentgen, die Mittel für Witwe und Waisen bereitstellt.

Melanie Freikowski und Nicole Thielen (v.l.) kümmern sich intensiv um die Witwe Doris Edokpayi und die Kinder Praise (l.) und Favour, rechts Kellys jüngerer Bruder Sam. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Melanie Freikowski und Nicole Thielen (v.l.) kümmern sich intensiv um die Witwe Doris Edokpayi und die Kinder Praise (l.) und Favour, rechts Kellys jüngerer Bruder Sam. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Die in der Stadt Mechernich erscheinenden Kölner Tageszeitungen berichteten nach Gesprächen mit Nicole Thielen und Doris Edokpayi: „Die Blumen am Straßenrand sind für Passanten und Autofahrer leicht zu übersehen. Doris Edokpayi hat dort gebetet – für ihren Mann, der Anfang Februar an der Feytalstraße einen Verkehrsunfall hatte, der ihn letztlich das Leben kostete.“

Die Blumen an der Unfallstelle hätten Freunde abgelegt, dazu eine Kerze. „Ich habe auch für die Frau gebetet, die den Wagen gesteuert hat, mit dem Kelly zusammengestoßen ist“, erzählte die Nigerianerin dem Reporter: „Ich möchte nicht, dass sie deswegen leidet. Sie trifft keine Schuld an dem Unfall.“

Kelly Edigin und sie kamen 2015 von Nigeria nach Deutschland. „Sie ist gläubige Katholikin“, schreibt Thorsten Wirtz: „Damit sie und ihre beiden kleinen Kinder später einen Ort zum Trauern haben, sei es ihr Wunsch gewesen, dass ihr Mann in Mechernich bestattet wird. Doch dieser Wunsch wäre beinahe nicht in Erfüllung gegangen – aus bürokratischen Gründen.“

Annemieke Schröder, eine Freundin der Familie, sagte Thorsten Wirtz: „Ohne Trauschein ist Doris nicht berechtigt, einen Antrag auf Erstattung der Beerdigungskosten zu stellen. Und die Familie kann für die Kosten in Höhe von rund 5800 Euro nicht aufkommen.“ Die Kinder seien minderjährig und damit nicht bestattungspflichtig. „Laut Sozialamt dürfen sie damit keinen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten stellen.“

Hilfsgruppenchef Willi Greuel musste nicht lange überlegen, als der Fall an ihn herangetragen wurde. „Wie kann man bei so einem Schicksalsschlag für die Familie noch lange über Zuständigkeiten diskutieren?“, fragt er sich: „Das ist doch einfach nur grausam…“

Steinmetzbetrieb stiftet Einfassung

„Unterstützung gab es auch von der Mechernicher Stadtverwaltung, die zwar wegen fehlender Zuständigkeit nicht die Kosten der Bestattung übernehmen konnte, der Familie aber bei der Suche nach einer Grabstelle half“, heißt es in der „Kölnischen Rundschau“ und im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Steinmetzbetrieb Simons aus Mechernich wolle die vorgeschriebene Einfassung für das Reihengrab übernehmen.

Kelly Edigin war 2015 nach seiner Flucht aus Nigeria nach Mechernich gekommen, seine Frau zunächst nach Schweinfurt. Doch ihr Mann kümmerte sich um die Zusammenführung, was schließlich auch gelang. Bis zum Sommer des vergangenen Jahres lebten die beiden mit ihren inzwischen zwei Kindern, vier und sechs Jahre alt, in einem Zimmer der Geflüchteten-Unterkunft im Mechernicher Casino. Jetzt haben sie eine eigene kleine Wohnung am Ortsrand von Mechernich.

„Der sechsjährige Sohn des Paares ist von Trisomie 21 betroffen und schwer behindert“, schreibt Thorsten Wirtz: „Es war Kellys größter Wunsch, selbst für den Unterhalt seiner Familie aufzukommen“ so Annemieke Schröder: Er habe einen Deutschkurs besucht und mit Unterstützung von Freunden Bewerbungen geschrieben, als ihn der Unfall aus dem Leben riss. Er sei gerade auf dem Weg zur Kita gewesen, um die beiden Kinder abzuholen, so Doris Edokpayi. Wenig später sei sie von Polizisten informiert worden, dass ihr Mann verunglückt sei.

pp/Agentur ProfiPress