Ein Pfundskerl geht in Rente
Gerd Linden, Landwirtschaftsmeister im Freilichtmuseum Kommern, beginnt am 1. Februar seinen Ruhestand – Rückblick auf ein anekdotenreiches Leben – Einige Träume will er noch verwirklichen
Heimbach-Düttling/Mechernich – Wenn Gerd Linden einmal erzählt, sollte man ihn gewähren lassen und nicht unterbrechen. Denn dann erzählt er eine Anekdote nach der anderen. Über den ersten Besuch der Grünen Woche in Berlin, infolgedessen er in einer Fotomontage zur Viktoria auf dem Brandenburger Tor wurde und ein verdreifachter Ochse Max die vier Pferde der Quadriga ersetzte. Über die Besucherin des Freilichtmuseums, die die äußeren Geschlechtsorgane eines Ebers für eine schlimme Entzündung hielt und ihn wüst beschimpfte. Und natürlich den Besuch in Köln, ebenfalls mit dem 1,3 Tonnen schweren Ochsen, der irgendwann bei der wiederholten Aufzeichnung einer Anmoderation von Jean Pütz erst im WDR-Studio seinen Dienst verweigerte und kurze Zeit später vor dem Kölner Dom die Platten vor dem Eingangsportal wässerte.
Was man auch merkt, wenn Gerd Linden erzählt: Er ist ein Mann aus dem Leben, einer der anpackt und macht, der hilft und tut, ein echter Pfundskerl. Einer, dem auch der Trubel in diesem Monat nichts anhaben kann. Da wäre sein 63. Geburtstag, da wäre das 40. Jubiläum als Angestellter im Öffentlichen Dienst, da wäre sein Abschied aus dem Freilichtmuseum Kommern, der einhergeht mit dem Einstieg in den Unruhestand.
Am 13. Januar 1955 wurde Gerd Linden, Sohn eines Düttlinger Landwirts, in Mechernich geboren. Noch immer wohnt Linden auf dem elterlichen Hof, der mittlerweile natürlich ein wenig umgebaut wurde. Selbst seine Lehre hatte Linden im elterlichen Betrieb gemacht – damals war das normal. 1977 legte er dann die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister ab. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er als Pächter vom Vater den Betrieb, der nur 20 Milchkühe hatte, übernommen. „Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“, erzählt Linden heute.
Um über die Runden zu kommen, fing er zur gleichen Zeit an, bei der Stadt Mechernich zu arbeiten, als Hilfsgärtner im Bauhof. „Ich habe Rasen gemäht, Hecken und Bäume geschnitten“, erinnert er sich. Den Hof führte er als Nebenerwerb, die Milchkühe ersetzte er später durch Ammenkühe, Kälber und Schweine.
1980 heiratete er, Ehefrau Elke stammt aus Tondorf, sie lernten sich bei der Landjugend kennen. Das Paar bekam drei Söhne, die mittlerweile selbst fünf Kinder haben. Drei Jahre später ging es für Linden in den Mechernicher Wald. „Der Bauhof suchte dafür Leute, das habe ich dann zwei Jahre gemacht. Ich war dem Förster Bodo Pilzecker unterstellt.“ Nebenbei bildete er sich noch zum Forstwirt weiter.
Zu der Zeit gab es eine Borkenkäferplage, wie sich Linden erinnert. 43 Borkenkäferfallen wurden in den Waldstücken im Mechernicher Stadtgebiet aufgestellt, davon auch zwei im Freilichtmuseum. So erfuhr er, dass das Museum auf dem Kommerner Kahlenbusch einen Landwirtschaftsmeister suchte. Linden spielte mit offenen Karten. „Ich fühlte mich gut aufgehoben bei der Stadt, doch ich wollte mich bewerben und habe das dem Garten- und Friedhofsamtsleiter Hubert Büth und Bodo Pilzecker auch gesagt. Erst später erfuhr ich, dass die beiden dann meine Fürsprecher im Museum waren.“
Seit 1985 im Freilichtmuseum
Im Januar 1985 begann dann seine Zeit im Freilichtmuseum, wo die Museumslandwirte, die alle kurz vorm Rentenalter waren, den Jungspund, der jetzt als Meister ihr Vorgesetzter war, testeten. „Ich habe mich aber offenbar ganz gut geschlagen“, meint Linden im Rückblick.
Der Viehbestand zu dem Zeitpunkt sei überschaubar gewesen. Eine Kuh, ein Kalb, ein Esel und ein paar Schäfchen, das war alles. „Museumsleiter Dr. Dieter Pesch beauftragte mich dann, den Viehbestand auszuweiten“, erzählte Linden. Glanrinder, Edelziegen, Mergelland-Schafe, Deutsche Weideschweine und Kaltblüterpferde wurden ebenso angeschafft wie Esel und Hühner. Bei letzteren musste das Museum Einschränkungen machen. „Wir wollten auch da auf historische Rassen setzen. Aber der Habicht holt jedes Jahr Dutzende Hühner, das wurde auf Dauer zu kostspielig“, erklärt Linden.
Mit dem Freilichtmuseum kam Linden dann auch gut rum, denn Museumsleiter Pesch wusste den Kahlenbusch prächtig zu vermarkten. „Sitt esu leev un doot et“ – das sei die Aufforderungsfloskel von Pesch gewesen. Und so machte sich Linden Gedanken, wie man den Besuch der ersten Grünen Woche medienwirksam nutzen konnte. Eine erste Idee, die Übergabe von Akten aus dem Bundeskanzleramt in Bonn an Gerhard Schröder im neuen Dienstsitz in Berlin, scheiterte am Veto des Kanzleramts. Doch auch Lindens zweite Idee, die Fahrt mit dem Ochsenkarren durchs Brandenburger Tor, gefiel Pesch, der diesen Vorschlag mit dem Wunsch der bereits erwähnten Fotomontage veredelte.
Einen anderen Kanzler hatte Linden schon neun Jahre vorher kennengelernt. Eine Abordnung des Freilichtmuseums war 1991 zum Kinderfest im Kanzleramt eingeladen, wo sich Helmut Kohl und dessen Ehefrau Hannelore auch für Linden und dessen Ochsen interessierten.
Berühmt ist Linden aber noch für seine Tätigkeit als Köhler. Schon zu Beginn seiner Zeit im Freilichtmuseum brachten ihm seine Kollegen Josef Meurer und Karl Schregel die Technik bei. Bis 2009 wurde dort jedes Jahr Holzkohle hergestellt. 2008 baute Linden mit einem Freund und seinen drei Söhnen außerdem im Düttlinger Wald einen eigenen Kohlenmeiler auf. Alle zwei Jahre wird dort Holzkohle gewonnen. „Mal gucken, ob ich das jetzt als Rentner dann nicht jedes Jahr mache“, überlegt er.
Der Traum vom Olympischen Feuer
Am 19. Mai wird der Meiler mit dem Friedenslicht von Bethlehem, das Linden sich in Blankenheim-Rohr abgeholt hat, entzündet. „Mein Traum ist ja, den Meiler mit dem Olympischen Feuer zu entzünden“, erzählt Gerd Linden.
Überhaupt hat Linden noch einige Träume, die er gerne verwirklich würde. Mit zwei seiner fünf Esel würde er sich gerne einfach mal in der Kutsche mach Luxemburg und dann Richtung Frankreich aufmachen – „So weit wie ich komme. Und wenn nach 20 Kilometern schon Schluss ist, dann es ebenso.“ Linden könnte sich außerdem vorstellen, die Eselherde zu vergrößern und diese dann Wanderern auf dem Wildnistrail im Nationalpark als Begleittiere zur Verfügung zu stellen.
Seine Ehrenämter hat Gerd Linden mittlerweile fast alle aufgegeben. So saß er von 1989 bis 2014 im Heimbacher Stadtrat, war zwischenzeitlich sogar CDU-Fraktionschef und Ortsvorsteher von Düttling und Hergarten. Den Vorsitz des Bürgerbusses und der Forstbetriebsgemeinschaft will er ebenfalls niederlegen.
Eingeschlafen sind mittlerweile die Hilfsprojekte für Rumänien. Mehr als 30 Mal war er auf Mission in Südosteuropa. Das kam durch Lindens Zivildienst als Rettungswagenfahrer beim Malteser Hilfsdienst zustande. Weil auch Museums-Vize Dr. Michael Faber und der damalige Bauwissenschaftler des Museums, Dr. Arpad Konovaloff, Mitglieder der Malteser waren, kamen die Kontakte zustande. Ostern 1990 erfolgte der erste Hilfstransport in das vom Ceaucescu-Regime gebeutelte Land. Die Helfer hatten in ihrem Lager in Voißel fleißig gesammelt: von medizinischen Geräten, einer Säuglingsstation bis hin zu Möbeln und Teppichen. Linden und die Mitfahrer betätigten sich in Rumänien als Handwerker, errichteten Toiletten in einem Kindergarten.
Zwei ehrenamtliche Tätigkeiten will Linden aber behalten. Er will weiter als Waldführer im Nationalpark Eifel fungieren sowie als Referent in Vogelsang. „Und natürlich freue ich mich auch, wenn ich als Rentner mehr mit meinen Enkeln unternehmen kann“, erzählt Linden. Man darf sich sicher sein: Das Leben von Gerd Linden wird auch im Unruhestand um die ein oder andere Anekdote reicher werden.
pp/Agentur ProfiPress