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„Als ob täglich ein Airbus abstürzt“

Rettungsdienstleiter Jesko Priewe und Mechernicher Feuerwehrchef Jens Schreiber setzen sich für ein flächendeckendes Netz von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren im Kreis- und Stadtgebiet ein – 34 neue Geräte sind vonnöten, um deutlich mehr Menschen im Falle eines plötzlichen Herzstillstands zu retten – Um Spenden wird gebeten, damit das „Herzensprojekt“ umgesetzt werden kann – Bürger stiftet „Defi“ für Satzvey

Mechernich – Dieses Projekt kann im doppelten Sinne als „Herzensangelegenheit“ bezeichnet werden: Im Stadtgebiet Mechernich sollen flächendeckend öffentlich zugängliche Defibrillatoren installiert werden.

Wie wichtig das ist, erläuterte Jesko Priewe, Facharzt Innere und Kardiologie und einer der ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Euskirchen, im Mechernicher Rat. Für das Projekt macht sich auch die Feuerwehr Mechernich unter der Leitung von Jens Schreiber stark. Ebenso Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und seine Bürgermeister-Kollegen im Kreis.

Jürgen Claßen demonstriert die Funktionsweise eines Defibrillators beim Roten Kreuz. Die Aufstellung solcher 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbarer Lebensretter soll in Mechernich ebenso forciert werden, wie die Ausbildung von freiwilligen Notfallrettern, die über die neuartige Corhelper-App alarmiert werden können. Archivfoto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

„Wenn das Herz eines Menschen zu schlagen aufhört, geht es um jede Sekunde. Es ist ein Kampf gegen die Uhr, denn bereits nach vier Minuten können irreversible Schäden bei den Betroffenen entstehen“, so Jens Priewe im Stadtrat.

Jedes Jahr sterben dem Notfallmediziner zufolge deutschlandweit 60.000 Menschen am plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand: „Das ist, als ob täglich ein Airbus abstürzt.“ Im Kreis seien pro Jahr rund 180 Bürger von diesem Schicksal betroffen.

Dem Vorurteil, dass es sich bei den Betroffenen ausschließlich um betagte Menschen handelt, widersprach Priewe: „Da sind auch viele Jüngere dabei. Der letzte, den ich hatte, war 39. Das empfinde ich als einen Rieseneinschlag.“ Der Verstorbene sei Familienvater von drei kleinen Kindern gewesen.

„Es geht um Zeit“

„Es geht um Zeit“, betonte Jesko Priewe. Der Rettungsdienst habe die Richtlinie in acht bis neun Minuten am Einsatzort zu sein, im ländlichen Mittel seien elf Minuten vorgegeben. „Wir wissen aber auch, dass die irreversiblen Schäden ab »Minute 3« einsetzen“, so der Facharzt: „Wenn elf Minuten nichts gemacht wurde, haben wir keine Chance, den Patienten zu retten.“ Deshalb komme gerade den Ersthelfern am Kollaps-Ort eine immense Bedeutung zu.

Dänemark, die Niederlande und Schweden seien Vorzeigebeispiele in Sachen Reanimation durch Ersthelfer und Laien. „Diese Länder haben Laienhelferquoten von rund 70 Prozent“, so Priewe. Dänemark zum Beispiel habe mit eigentlich „banalen Maßnahmen“ die Überlebensquote verdoppelt und damit einen medizinischen Meilenstein gesetzt.

In Deutschland habe die Laienhelferquote 2013 bei 27 Prozent gelegen. „Das war der vorletzte Platz in Europa“, so der Facharzt. 2019 habe der Wert zumindest schon bei 40 Prozent gelegen. Zufrieden könne man damit aber längst noch nicht sein. Im Kreis Euskirchen habe man 2019 trotz eines hervorragend aufgestellten Rettungsdienstes nur 22 von 180 Betroffenen retten können. „Also nicht richtig viele“, so Priewe.

Würde man einen Wert vergleichbar Dänemarks erreichen, so könne man im Kreis Euskirchen „jedes Jahr 30 Menschen mehr retten“. Priewe will das Thema mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken. „Machen“, sei eben wichtig. Jesko Priewe berichtet von einem 14-Jährigen, der seinem Vater mit der Herz-Lungen-Massage an einer Raststätte das Leben gerettet hat, wo alle anderen nur hilflos zugeschaut hätten. Er betonte: „Wenn das ein 14-Jähriger kann, dann kann das keine Raketenwissenschaft sein, auch körperlich nicht.“

2000 Ersthelfer als Ziel

Seit einem guten halben Jahr ist im Kreis Euskirchen die Corhelper-App verfügbar, die registrierte Ersthelfer in der Nähe eines solchen Notfalles alarmiert und an den Einsatzort lotst. „Seitdem haben wir 130 Mal diese App ausgelöst“, berichtete der Facharzt. Inzwischen seien 504 Ersthelfer registriert, darunter 140 Angehörige der Feuerwehr, plus 210 Menschen die beim Rettungsdienst arbeiten, zudem 52 Helfer aus Pflegeberufen, 25 Ärzte und andere. Das Ziel laute letztlich 1500 Laienhelfer zu generieren, noch besser seien 2000, so Priewe: „Dann wissen wir, dass wir gut aufgestellt sind, selbst auf großer Fläche.“

Die Ersthelfer müssen mindestens 18 Jahre alt sein und einen zertifizierten Erste-Hilfe-Schein vorlegen können, der nicht älter als zwei Jahre ist. Außerdem gebe es eine jährliche Unterweisung durch den Rettungsdienst des Kreises, der die Helfer auch betreut, etwa zum Abfangen belastender Erlebnisse.

Gebraucht werden nicht nur Ersthelfer, sondern auch die Defibrillatoren als notwendige Notfallausstattung vor Ort. Aktuell gebe es 38 Geräte im Kreis Euskirchen, die rund um die Uhr, also „24/7“ verfügbar seien. Zwölf weitere, die nur tagsüber zugänglich sind, aber gleichzeitig 203 Defibrillatoren, die überhaupt nicht öffentlich erreichbar sind. Im Stadtgebiet Mechernich zählt Jesko Priewe bislang zwei Geräte, die rund um die Uhr zugänglich sind, und 29 nicht-öffentliche.

Um eine optimale Verteilung der Geräte zu erreichen, hat Jesko Priewe den Mechernicher Beritt bereits näher unter die Lupe genommen. Er präsentierte den Ratsvertretern eine, wie er sagte, wissenschaftlich ausgearbeitete Flächenabdeckung. In seiner Karte hat er die Standorte, die neu entstehen sollten, markiert, also auch die Straßen und Gebiete, die damit versorgt werden könnten.

„Für Mechernich brauchen wir zusätzlich 34 Geräte“, stellte er fest. Gute Standorte seien sicherlich Feuerwehrgerätehäuser oder auch Kirchen im Dorf. „Gebraucht werden vor allem Spendengelder“, ruft Jens Schreiber Bürger, Ortsbürgermeister und Dorfvereine auf, sich für diese Herzensprojekt zu engagieren. Ein Bürger in Satzvey ist bereits mit gutem Beispiel voran gegangen und hat einen „Defi“ gespendet, der in Kürze einsatzbereit am Feuerwehrgerätehaus installiert wird.

Wer spenden möchte, kann sich an Jens Schreiber wenden, der erreichbar ist unter Telefon (0 24 43) 49-44 16 oder per Mail an j.schreiber@mechernich.de. Die Stadt Mechernich übernehme die Betriebs- und Wartungskosten.

pp/Agentur ProfiPress