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Wichtig für den Heilungsprozess

Nachfahren der Aachener Familie Levano besuchten Kommern – Die 86-jährige Ruth Almogi und ihr Enkel Shalev Lussheimer wollten das Dorf sehen, in dem ihre Verwandten wohnten

Mechernich-Kommern – Ruth Almogi spricht richtig gut Deutsch. Und das obwohl sie 1937 im damaligen Palästina geboren wurde und ihr ganzes Leben in Israel verbracht hat. Aber ihre Mutter Lotte Levano stammte aus Aachen, bis sie Mitte der 1930er Jahre vor dem Nazi-Regime nach Palästina fliehen musste. Deutsch ist daher bis zum Kindergarten Ruth Almogis Muttersprache, die sie bis heute nicht verlernt hat.

Bei ihrem Besuch in Kommern entzifferten Ruth Almogi und Enkel Shalev Lussheimer auch die hebräischen Inschriften auf den Grabsteinen des jüdischen Friedhofs. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Bei ihrem Besuch in Kommern entzifferten Ruth Almogi und Enkel Shalev Lussheimer auch die hebräischen Inschriften auf den Grabsteinen des jüdischen Friedhofs. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

„Wenn ich nach Deutschland komme, fühlt es sich daher nicht an, als wäre ich fremd. Es fühlt sich an, als würde ich zu meinen Wurzeln zurückkehren“, sagt die fast 86-Jährige während eines Spaziergangs durch Kommern. Mit ihrem Enkel Shalev Lussheimer hat sie trotz ihres hohen Alters die Reisestrapazen auf sich genommen, um unter anderem das Dorf zu besuchen, in dem ihre Verwandten, die Kommerner Levanos, einst lebten und arbeiteten.

Der Rundgang durch Kommern startete vor dem einstigen Firmengelände der Levano-Familie. Ruth Almogi (3.v.l.) und Shalev Lussheimer (3.v.r.) werden umrahmt von den Mitgliedern des Initiativkreises „Forschen-Gedenken-Handeln“, Gisela (v.l.) und Wolfgang Freier sowie Elke Höver und Rainer Schulz. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Der Rundgang durch Kommern startete vor dem einstigen Firmengelände der Levano-Familie. Ruth Almogi (3.v.l.) und Shalev Lussheimer (3.v.r.) werden umrahmt von den Mitgliedern des Initiativkreises „Forschen-Gedenken-Handeln“, Gisela (v.l.) und Wolfgang Freier sowie Elke Höver und Rainer Schulz. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Erste Station ist daher auch der ehemalige Firmensitz der Levanos in der Kölner Straße, wo die jüdische Familie einen florierenden Getreidehandel betrieben hatte, bis sie von den Nationalsozialisten zwangsenteignet wurde. Elke Höver, Rainer Schulz sowie Gisela und Wolfgang Freier vom Kommerner Initiativkreis „Forschen-Gedenken-Handeln“ begleiten die beiden Gäste aus Jerusalem. Gemeinsam schauen sie sich die Stolpersteine an, die an die Geschwister Paula, Flora, Hugo und Arthur Levano erinnern.

In der Kölner Straße schauen sich die beiden Gäste aus Jerusalem Stolpersteine an, die an die Geschwister Paula, Flora, Hugo und Arthur Levano erinnern. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
In der Kölner Straße schauen sich die beiden Gäste aus Jerusalem Stolpersteine an, die an die Geschwister Paula, Flora, Hugo und Arthur Levano erinnern. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

1917 gefallen

Weiter geht es Richtung Kriegerdenkmal an der Kirche. Dort wird auch dem 1917 gefallenen Gustav Levano gedacht. Ein schmerzlicher Beleg dafür, dass jüdische Mitbürger damals nicht nur selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft waren, sondern auch für Deutschland kämpften und ihr Leben ließen.

Nur wenige Jahre später ist die Stimmung gekippt. Spätestens mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beginnen die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung. Ein Tag nach der Pogromnacht brennt auch die Synagoge in Kommern. Für Ruth Almogi und Shalev Lussheimer ist der Gedenkstein in der Pützgasse, der an das jüdische Gotteshaus erinnert, neben dem Besuch des jüdischen Friedhofs, wo kürzlich erst der „Anne Frank-Erinnerungsbaum“ offiziell präsentiert wurde, eine weitere Station auf ihrem Spaziergang durch Kommern.

Am Tag nach der Pogromnacht brannte auch die Kommerner Synagoge nieder. Ruth Almogi und Shalev Lussheimer schauen sich den Gedenkstein in der Pützgasse an. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Am Tag nach der Pogromnacht brannte auch die Kommerner Synagoge nieder. Ruth Almogi und Shalev Lussheimer schauen sich den Gedenkstein in der Pützgasse an. Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Währenddessen ist auch immer wieder die Familiengeschichte der Levanos ein Thema. Denn die Kommerner Familie hatte einen engen Kontakt zu den Aachener Verwandten. Gegenseitige Besuche kamen immer wieder vor. „Die Aachener Levanos führten in der Adalbertstraße, in Sichtweite des Elisenbrunnens und der Synagoge, ein großes Schuhgeschäft“, erläutert Gisela Freier.

Fünf Kinder

Das Aachener Ehepaar Eduard und Lina Levano habe fünf Kinder gehabt: Lotte, die Mutter von Ruth Almogi, Renate, Miriam, Werner und Günther. Während die Töchter Lotte und Renate Mitte der 30er Jahre in das damalige Palästina fliehen konnten, verschlug es Sohn Werner nach Schweden. Miriam, das jüngste Mädchen, wurde über Jahre von einer befreundeten Familie in Brüssel versteckt.

Erst kürzlich wurde der „Anne Frank-Erinnerungsbaum“ offiziell der Öffentlichkeit präsentiert. Er steht auf dem jüdischen Friedhof in Kommern, der letzten Station auf dem Rundgang von Oma und Enkel mit den Mitgliedern des Initiativkreises „Forschen-Gedenken-Handeln“.   Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress
Erst kürzlich wurde der „Anne Frank-Erinnerungsbaum“ offiziell der Öffentlichkeit präsentiert. Er steht auf dem jüdischen Friedhof in Kommern, der letzten Station auf dem Rundgang von Oma und Enkel mit den Mitgliedern des Initiativkreises „Forschen-Gedenken-Handeln“.   Foto: Ronald Larmann/pp/Agentur ProfiPress

Nach der Befreiung machte sich die damals 17 Jahre alte Miriam allein auf den Weg nach Palästina, wo sie ihre Schwestern wiederfand. Miriam ist heute 94 Jahre alt und lebt in Jerusalem. „Zu den Aachener Levanos in Israel haben wir seit langer Zeit sehr freundschaftliche Kontakte“, sagt Wolfgang Freier. So ist auch der jetzige Besuch zustande gekommen.

Der hat für den 32-jährigen Shalev Lussheimer eine sehr wichtige Bedeutung. „Was passiert ist, war 1945 nicht zu Ende“, sagt der junge Mann. Seine Generation habe zwar keinen direkten Bezug mehr zu den schrecklichen Ereignissen der Nazizeit und man könne das, was damals passiert sei, auch nicht mehr ändern. „Aber für den Heilungsprozess halte ich es für absolut unerlässlich, dass wir die Verbindung zu unseren Wurzeln wieder aufbauen“, sagt Shalev Lussheimer. Dafür sei die Arbeit von Gisela und Wolfgang Freier und dem Initiativkreis so überaus wichtig. „Indem wir gemeinsam diese Verbindung wieder aufbauen, können wir die Welt ein wenig besser machen“, so der 32-Jährige.

pp/Agentur ProfiPress