„Unrat, Ruinen und Gangster“
Landesgartenschau Mechernich-Kommern vor 50 Jahren: Wie aus der „Bärenschweiz“ der „Mühlenpark“ wurde – 83.500 Besucher an einem einzigen Tag, 258.000 in einer Woche – Heute Naherholungsgebiet der Stadt Mechernich
Mechernich-Kommern – Der Mühlenpark zwischen Elisabethhütte und Kommerner See erfreut sich auch im Jahre 2022 noch immer großer und seit einigen Jahren auch wieder steigender Beliebtheit.
Viele Menschen verbringen dort ihre Freizeit, es gibt tolle Sport- und Spielgeräte, weitläufige Spazier- und Wanderwege, Kletterspinne, Piratenkahn, Pump-Track-Bahn und nicht zuletzt einen Biergarten mit Bühne und Imbissgelegenheit.
Vor genau 50 Jahren war dieser Park Austragungsort einer der großen nordrhein-westfälischen Landesgartenschauen, die vom 16. bis 24. September 1972 nicht weniger als 258.000 Besucher in die ehedem von Schlackenhalden und Sümpfen überlagerte „Bärenschweiz“ lockte. Allein am letzten Sonntag wurden 83.500 Menschen gezählt, Verkehrsfluss und Parkplatzbewirtschaftung brachen zusammen. Polizei und Ordnungskräfte waren überfordert.
In Zehnerreihen nebeneinander schoben sich die Menschenmassen durch den unteren Mühlenpark entlang des Bleibachs und über die Eisen-Wendelbrücke in den höher gelegenen Sport- und Spielpark, in dem heutzutage das Hotel „Eifeltor“ und die Sommerrodelbahn die Hauptattraktionen sind. 1972 hatte man dort einen „Reiterhof Mühlenthal“ aufgebaut mit weitläufigen Pferdekoppeln und Turnierparcours sowie einer gigantischen Wasserorgel, die zu Händels Kompositionen ihre Fontänen sprühen ließ.
Norbert Leduc, der „Vater“ der „Laga“
Die Landesgartenschau in Mechernich respektive Kommern war von langer Hand vorbereitet worden, als ihr „Vater“ galt einmal mehr der frühere Kommerner Gemeindedirektor Norbert Leduc, der im Zuge der fast gleichzeitig umgesetzten Zweiten Kommunalen Neugliederung Blei- und Greesberg den Rücken kehrte, weil nicht er, sondern sein Mechernicher Kollege Helmut Rosen Verwaltungschef der fusionierten Großgemeinde geworden war.
Eröffnet wurde die Landesgartenschau von NRW-Landwirtschaftsminister Diether Deneke und dem Veytaler Bürgermeister und späteren Landrat Josef Linden. Auch der Altkreis-Euskirchener Landrat Rudi Blaß und Oberkreisdirektor Dr. Bernhard Disse waren zugegen, als Dr. Friedrich-Wilhelm Goldenbogen, der Vorsitzende des Verbandes Rheinischer Gartenbauvereine, die Mechernicher Landesgartenschau als Umsetzung „menschengerechter Umweltpolitik“ bezeichnete.
Heutzutage würden Ökologen möglicherweise die Hände über dem Kopf zusammenschlagen angesichts der damals für hübsche Rasenflächen und Blumenbeete zerstörten Feuchtbiotope. Aus einer „Sandwüste“, schrieb die „Kölnische Rundschau“ am 18. September, sei eine „hervorragende Parkanlage entstanden, die dauerhaft der Erholung des Bürgers dienen“ solle.
„Paradiese auf Erden noch nicht verloren“
Landrat Rudi Blaß ließ sich dahingehend vernehmen, noch sieben Jahre zuvor seien auf dem heutigen Mühlenparkgelände „nur Steine, Unrat, Ruinen und Gangster“ zu finden gewesen. Die Verantwortlichen hätten gezeigt, „dass man sich nur tatkräftig bemühen und einsetzen müsse, dann gingen unsere Paradiese auf Erden nicht verloren“.
Eher als eine Frage des kleineren Übels relativierte Minister Deneke, der Schirmherr der Landesgartenschau 1972, die Umbaupläne für die von der Bevölkerung als desolat empfundene „Bärenschweiz“: Zeitweise hätten sogar Vorstellungen existiert, aus dem Terrain eine große Mülldeponie zu machen. Im Vergleich dazu habe sich aber umwelt- und gesellschaftspolitisches Augenmaß durchgesetzt.
Es gab zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen während der Mechernicher Landesgartenschau 1972. Die vorher erwartete Zahl von 400.000 Besuchern wurde jedoch nicht erreicht. Das erste Wochenende war verregnet, das letzte war wie eingangs erwähnt völlig überlaufen, so dass man nicht weiß, wie viele nach missglückter Parkplatzsuche wieder abgedreht sind.
Publikumsmagnet auch nach 50 Jahren
Der Mühlenpark selbst hat sich jedenfalls über die „Laga“ hinaus als Segen für Mechernich und Kommern erwiesen. Er blieb auch nach der Landesgartenschau ein Publikumsmagnet bis auf die heutigen Tage.
Dort fand die Regionalmesse „Mechernicher Sommerwoche“ regelmäßig statt, ebenso die legendären Konzerte „Rock im Glashaus“. Regelmäßig ziehen Floh- und Tiermärkte Besucher an, während der Corona-Krise avancierte das Gelände zu einem Ort für Open-Air-Fitness-Veranstaltungen und unbeschwertes Freizeitvergnügen für Jung und Alt unter freiem Himmel.
pp/Agentur ProfiPress