Sehnsucht nach Nostalgie
Freilichtmuseum Kommern zeigt bei „Tagen nach der Ernte“ einmal mehr alte Agrartechnik – Regenwetter verhagelt Zuschauerzahlen – Nico Hamen: „Distanz der Menschen wird immer größer“
Mechernich-Kommern – „Es goss wie aus Eimern. Und das ausgerechnet bei der Ernte…“ schreibt Stefan Lieser am Montag nach den diesjährigen „Tagen nach der Ernte“ im Rheinischen Freilichtmuseum Kommern in den in der Stadt Mechernmich erscheinenden Kölner Tageszeitungen.
Die echten Bauern der Umgebung haben Gerste, Weizen und Raps beizeiten, nämlich während der langen Hitzewelle und Dürre in Juli und August, unter Dach und Fach gebracht. Bei den Hobbybäuerinnen und Freizeit-Landwirten, die bei den „Tagen nach der Ernte“ Jahr für Jahr im Freilichtmuseum einem interessierten Publikum alte Arbeitsweisen und Agrartechniken vorführen, geht es nicht ums ökonomische Überleben.
So war es zwar schade, aber dem anhaltenden Dauerregen geschuldet, dass sich diesen Herbst nur ein Bruchteil jener Menschenmenge einfand, die sonst auf dem Kommerner Kahlenbusch zu sehen ist. Menschen, Pferde, Rinder und alte Landmaschinen waren im Arbeitseinsatz. An Buden eines weit verzweigten „Landmarktes“ konnte man allerlei erwerben, was mit dem Sinn der Veranstaltung irgendwie in Einklang zu bringen war.
Der Reporter Stefan Lieser sichtete ausweislich seines Berichtes in der „Kölnischen Rundschau“ und im „Kölner Stadt.-Anzeiger“ unter anderem Garnbleicher aus Wuppertal-Langenfeld, deren Monopol auf ein 1527 für 861 Golddukaten vom Erzherzog von Berg erkauftes Privileg zurückgehen soll.
Mausefallenbau
Die Kunst des Mausefallenbaus lehrte Andrea Rolfes-Koenen aus Bad Münstereifel. Erstmalig gab es einen großen Tuchmarkt im „Tanzsaal“ aus Pingsdorf, wo es Leinenmode und Strickwaren zu kaufen gab. In den Bauernkaten wurden Apfelpfannkuchen und Kaffee, Eintopf, Wurst und anderes serviert.
In der Baugruppe Niederrhein rückten schwere Kaltblüter Holz, an der Bockwindmühle aus Jülich wurde Getreide gedroschen. Restauratoren ehemals landwirtschaftlicher Schlepper fuhren im Kreis, während Museumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich fachkundige Kommentare zu den technischen Details der einzelnen Modelle zum Besten gab.
Museumsleiter Carsten Vorwig erklärte dem Reporter: „Am Vormittag waren mehr Leute da, als wir gedacht hatten, und die Stimmung war überraschend gut.“ Zischen Energiekrise, drohendem Corona-Winter und Ukraine-Krieg hätten die Leute Lust auf Ablenkung und vermutlich auch etwas Nostalgie. Auch wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen etwa in der Eifel zwischen dem 17. und Anfang des 20. Jahrhunderts alles andere als rosig gewesen seien, so Vorwig.
Brabanter Wechselpflug
David Schmitt und Horst Finder demonstrierten mit „Rose“, einer Ardenner-Stute, am „Brabanter Wechselpflug“, wie Feldarbeit funktionierte. Auch der seit Jahrzehnten unverwüstliche Nico Hamen vom Biohof im luxemburgischen Drauffeld war einmal mehr mit von der Partie auf dem Kahlenbusch. Er sagte laut Presseberichten: „Bei vielen Besuchern lässt die Beziehung zu den alten Handwerks- oder Feldbearbeitungstechniken immer mehr nach, die Distanz wird immer größer.
Ludwig Bär, genannt „Ziegen Luki“, aus Vogelsberg bei Fulda, war im achten Jahr vor Ort. Er hatte sein Gespann aus acht weißen Deutschen Edelziegen mitgebracht: sieben Böcke und eine Ziege, die einen mit Stroh beladenen Bollerwagen ziehen sollten. Lieser: „So die beiden Leitböcke an der Spitze unter ihrem Kummet es denn wollen. Wenn »Leonhard« und »Paulchen« es anders sahen, half kein gutes Zureden, und auch kein Futter. Dann stand der Ziegenzug ganz einfach still.“
pp/Agentur ProfiPress