„Mit einer Frau fahre ich nicht mit“
Seit fast 20 Jahren fährt Peggy Rüth Bus und beseitigt Vorurteile mit nur einer Tour – Am liebsten steuert sie „ihren“ Doppeldecker von Schäfer Reisen – Für mehr Weiblichkeit im Cockpit von Bussen, Lastwagen und Baggern findet am Dienstag, 6. Juni, die Aktion „Frauen in Fahrt“ statt
Mechernich – In einem Kreisverkehr bei Nideggen lässt sie einem Müllwagen von Schönemackers die Vorfahrt. Dabei ist ihr Gefährt nicht weniger klein. Aber der Müllwagen spielt mitunter eine Rolle dabei, warum Peggy Rüth überhaupt Busfahrerin geworden ist – und warum sie sich in großen Gefährten so wohl fühlt.
Für eine Frau ist das alles andere als selbstverständlich. Schließlich sitzen immer noch überwiegend Männer am Steuer von Bus, Lastwagen und Bagger. Damit sich das ändert, laden die Agentur für Arbeit Brühl und das Jobcenter EU-aktiv gemeinsam mit dem Tiefbauunternehmen H. & P. Schilles, Schäfer Reisen und Lehner Omnibusbetrieb sowie der Spedition Berners zum Aktionstag „Frauen in Fahrt“ ein. Am Dienstag, 6. Juni, können Frauen von 9 bis 12 Uhr auf dem Mechernicher Gelände von Schäfer Reisen mit einem Bagger einen Sandhaufen bewegen oder das Steuer von Lastwagen und Bus übernehmen.
Peggy Rüth macht das seit 2004 bei Schäfer Reisen. Damals waren die Vorurteile in Sachen „Frau am Steuer“ deutlich größer als heute – auch wenn sie immer noch nicht ganz verschwunden sind. Während die 50-Jährige ihren Bus von Embken in Richtung Schmidt steuert, um dort Grundschulkinder einzusammeln, erzählt sie von einem ihrer ersten Erlebnisse.
Souveräne Frau am Steuer
„Ich bin mit einem Kollegen nach Köln gefahren, um eine Gruppe einzusammeln. Eigentlich sollte ich nur die Leerfahrt übernehmen und der Kollege dann die eigentliche Tour fahren“, sagt die gelernte Tischlerin. Am Treffpunkt angekommen, habe ein Fahrgast gesagt: „Wenn die fährt, fahre ich nicht mit.“ Daraufhin habe ihr Kollege prompt reagiert und sie die eigentliche Tour fahren lassen. „Am Ende ist der Mann als letzter ausgestiegen, hat sich entschuldigt und gesagt: Besser hätte ich auch nicht fahren können“, sagt die souveräne Frau am Steuer mit einem Schmunzeln.
Inzwischen ist Peggy Rüth an ihrer ersten Station angekommen und sammelt die ersten Grundschulkinder ein, um den Bus sicher nach Nideggen zu steuern, eine weitere Klasse einzusammeln und alle zusammen nach Embken zu Turnhalle und Schwimmbad zu bringen. Die Tour ist nicht ohne. Zahlreiche Serpentinen und enge Straßen sind durchaus eine Herausforderung mit einem großen Gefährt.
Ruhe bewahren, ist die Zauberformel mit der die Busfahrerin immer gut gefahren ist. Das ist nicht immer ganz leicht, der Lärmpegel im Bus ist hoch. Da muss eine freundliche, aber bestimmte Ansage über das Mikrofon her. Die Anlage ist nicht ganz in Ordnung. „Da muss heute Abend mal jemand nach schauen“, sagt Peggy Rüth, für die ein gewisses Maß an technischem Verständnis schon hilfreich ist im Job.
Nochmal mehr gefordert
Das hat ihr schon in mancher Situation geholfen. Denn die 50-Jährige, die aus Blankenheimerdorf stammt, fährt nicht nur Kurzstrecke oder Linie, sondern ist auch sehr gerne auf längeren Reisen am Steuer. Der Umgang mit den Menschen scheint ihr Spaß zu machen. Diesen Eindruck erweckt sie jedenfalls, wenn sie von Touren mit Seniorengruppen erzählt, bei denen es meist viel zu lachen gebe. Und wenn dann in Hamburg auf dem Busparkplatz die Batterien streiken, dann klemmt sie sie kurzerhand schon mal ab und hilft dem hinzugerufenen Monteur, die Batterien heraus zu heben und die neuen einzubauen.
Die kurze Tour mit den Grundschulkindern von Schmidt nach Embken bleibt ohne technische Panne und so steuert sie den Bus gekonnt durch die anspruchsvollen Straßen. Etwas traurig ist sie an diesem Tag allerdings doch, weil sie nicht „ihren eigenen“ Bus fahren darf. Normalerweise steuert sie einen Doppeldecker. Der ist noch mal eine Nummer größer. Aber genau das ist es, was Peggy Rüth reizt. „Da ist man noch mal mehr gefordert“, sagt sie. Weil man zum Beispiel in Köln immer darauf achten muss, welche Wege man nimmt, um nicht vor Brücken zu stranden, die zu niedrig sind.
Doch woher kommt ihre Leidenschaft für diese übergroßen Gefährte? Die hat sich vermutlich schon in ihrer Jugend entwickelt. Ihr Vater steuerte die Müllwagen einer Vorgängerfirma von Schönemackers. „In den Ferien bin ich immer mitgefahren“, sagt Peggy Roth mit einem gewissen Funkeln in den Augen.
Nach der Tischlerlehre im Freilichtmuseum Kommern und einigen Stationen bei Tischlereien war dann irgendwann der logische Schritt ans Steuer eines großen Gefährts. Seit 2004 steuert sie nun schon Busse von Schäfer Reisen. Eine Firma, bei der sie sich offenbar sehr wohl fühlt. Immerhin pendelt sie von Wuppertal, wo sie der Liebe wegen wohnt, immer nach Mechernich zu ihrem Doppeldecker. Wenn es mit dem dann auch schon mal auf eine mehrtägige Tour geht, braucht es auch das Verständnis der Partnerin.
Familienfreundliche Dienstpläne
Auf der Suche nach Fachkräften haben die Busunternehmen genauso wie die Logistik- und Tiefbaufirmen, die sich am Aktionstag „Frauen in Fahrt“ beteiligen, auch immer die Familienfreundlichkeit im Blick. „Das kriegen wir in unseren Dienstpläne abgebildet“, sagt auch Christoph Lehner, Geschäftsführer von Schäfer Reisen und Lehner Omnibusbetrieb. Er hatmit den weiblichen Kolleginnen immer gute Erfahrungen gemacht und würde sich freuen, auch künftig mehr Frauen in seinen Bussen einsetzen zu können.
Peggy Rüth hat den Schritt hinter das Steuer eines Busses nicht bereut? „Ich mag die Abwechslung, den Kontakt mit den Menschen und komme in Deutschland und der Welt herum“, sagt die Busfahrerin. Das mache für sie den Reiz ihres Jobs aus und daher könne sie andere Frauen nur dazu ermutigen, das Steuer zu übernehmen.
Wer den ersten Schritt dahin wagen möchte, ist bei der Aktion „Frauen in Fahrt“ am Dienstag, 6. Juni, von 9 bis 12 Uhr genau richtig. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, die Teilnahme auf dem Gelände von Schäfer Reisen, Kiefernweg 44, in Mechernich ist kostenfrei. Für Fragen können sich Interessentinnen gerne per Mail an Sandra Schimtz bruehl.bca@arbeitsagentur.de oder Ingrid Kloß Jobcenter-EU-aktiv.BCA@jobcenter-ge.de wenden.
pp/Agentur ProfiPress