Festung im Kalten Krieg . . .
. . . und Aktionsfeld der Spione: Beim Neujahrsempfang der Bundeswehr wurden 60 Jahre Militärgeschichte in der Garnisonsstadt Mechernich beleuchtet – Enge Verbundenheit und Solidarität zwischen Streitkräften, Land und Leuten – Zahlreiche Ehrengäste, muntere Talkrunde
Mechernich – Die Geschichte des Bundeswehrstandorts Mechernich von 1959 bis zum heutigen Tag war Thema des Neujahrsempfangs der Bundeswehr. Es war der dritte Neujahrsempfang des amtierenden Kommandeurs und Standortältesten Lars Rauhut – und er stand früheren Empfängen mit einer Fülle von Informationen und bislang unbeleuchteter Aspekte in nichts nach.
2018 hatte Rauhut seine Mitarbeiter zu Wort kommen lassen und die über ein Dutzend unterschiedlichen Einheiten und Einrichtungen in der Bleibergkaserne vorgestellt. 2019 ging es um die Bundeswehr als Lehrherr und Ausbilder. Zivile und militärische Azubis aus den Bereichen Technik, Logistik, Feuerwehr und Sanitätswesen gaben in einer Art Talkshow Auskunft über die bemerkenswert hohe Qualität ihrer Berufsausbildung „beim Bund“.
Ein von dem Journalisten und Reservisten Manfred Lang moderiertes kurzweiliges Gespräch mit Zeitzeugen gab auch diesmal Einblick in öffentlich wenig bekannte Aspekte aus 60 Jahren Bundeswehrgeschichte am Bleiberg. Mechernich war eine Art Festung im Kalten Krieg und damit interessant auch für Agenten der anderen Seite.
Bis zu 1600 Mann Truppenstärke
Oberstleutnant Lars Rauhut, Oberst a.D. Dietmar Wolter und Oberstleutnant a.D. Friedrich Hunsicker, der als Wahl-Mechernicher auch Chronist des Männergesangvereins, Bergbaumuseumsmentor und Vorsitzender der Berg- und Hüttenleute war, gaben Rede und Antwort. Stabsfeldwebel a.d. Herbert Spieß, der ebenfalls in Mechernich wohnhaft geblieben ist und den Talk mit seinen Erinnerungen mit vorbereitet hatte, war kurzfristig ausgefallen.
Es ging in der Runde um den Bau und Betrieb der Untertageanlage (UTA), die ursprünglich fünfmal größer werden sollte, als sie tatsächlich ist, um gewandelte Lagerhaltung und Logistik in 50 Jahren und die Zeit des Kalten Krieges mit bis zu 1600 Mann Truppenstärke im Mechernicher Luftwaffenversorgungsregiment. Heute sind es 740, größtenteils beschäftigt im von Oberstleutnant Lars Rauhut geleiteten Bundeswehrdepot West.
Eisenbahnzüge und 300 Lkw hätten damals komplette Instandsetzungs-Werkstätten zu Raketenbasen und Ausweichflugplätzen auf Autobahnen transportieren können. Luftwaffen- und Luftflottenkommando hätten im Verteidigungsfall im Bleiberg sichere Unterkunft gefunden.
Die geheime UTA wie auch andere Einrichtungen der Bleibergkaserne waren damit nebenbei auch ein Hotspot für Spione. Tatsächlich fand man nach der Wiedervereinigung eine Untertageanlage der Nationalen Volksarmee mit haarklein der gleichen Be- und Entlüftung, wie man sie von Mechernicher Plänen abfotografiert und in der DDR nachgebaut hatte…
Gutes Verhältnis zur Bevölkerung
Die Stabsoffiziere Wolter, Rauhut und Hunsicker beleuchteten auch die Bedeutung der Bundeswehr für Stadt und Umland – und umgekehrt. Standortältester Lars Rauhut hatte schon bei der Vorbereitung des Talks konstatiert, die enge Verbundenheit und Solidarität vor Ort habe in seinen Augen ganz sicher mit zum Erhalt der Mechernicher Garnison beigetragen, als das dortige Depot mit Untertageanlage vor einigen Jahren während der Standortreform der Bundeswehr zur Disposition stand.
Unter den vielen Gästen des Neujahrsempfangs begrüßte Standortältester Rauhut als ersten den Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Landrat Günter Rosenke. Neben ihnen hatte in der ersten Reihe Brigadegeneral Peter Webert Platz genommen, der Kommandeur des Zentrums für Geoinformationswesen der Bundeswehr und Standortältester von Euskirchen.
Auch Willi Greuel und Reiner Züll von der Hilfsgruppe Eifel für leukämie- und tumorkranke Kinder waren gekommen, DRK-Kreisgeschäftsführer und Ortsvereinsvorsitzender Rolf Klöcker, Rotkreuz-Kameradschaftsleiter Sascha Suijkerland, Robert Karl Lang und Karl-Heinz Cuber von der Reservistenkameradschaft Mechernich, Vertreter von Freiwilliger Feuerwehr, Kirchen und Polizei.
Mechernichs Vize-Bürgermeister Günter Kornell, selbst Oberstleutnant der Reserve, und Erster Beigeordneter Thomas Hambach, früherer Leutnant und Kommandant auf einem Flakpanzer, sowie Vize-Landrat Markus Ramers komplettierten die illustre Gesellschaft.
Tradition, Werte, Kameradschaft
Uniformen überwogen im Auditorium. So begrüßte Lars Rauhut unter anderem Oberstleutnant Christian Bruske vom Kreisverbindungskommando Euskirchen, seinen stellvertretenden Depotleiter Oberstleutnant Winfried Schreiber und Oberstleutnant Lars Rißman, den Chef des Kalibrierzentrums der Bundeswehr, das ebenfalls in der Bleibergkaserne zu Hause ist. Auch Johannes Bresa vom katholischen Militärpfarramt Bonn war gekommen.
In seiner Ansprache, die diesmal mehr ein Impulsreferat zum Thema Geschichte des Bundeswehrstandorts Mechernich war, zitierte Lars Rauhut den ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss mit den Worten: „Nur wer weiß, woher er kommt, weiß wohin er geht“. Rauhut: „Anders formuliert – es ist wichtig zu wissen, was uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr verbindet.“
Tradition sei nur ein Aspekt, gemeinsame Werte der wichtigere und aktuellere, so der Standortälteste. „Die etwas altertümlich daherkommende Begrifflichkeit der Kameradschaft“ sei ein Beispiel dafür. Er würde sich freuen, wenn dieser Aspekt für die Besucher des Neujahrsempfangs ein wenig erlebbar und nachvollziehbar würde.
Am Rande des Neujahrsempfangs hatte Oberstabsfeldwebel Rainer Paulsen, der Kasernenfeldwebel der Bleibergkaserne, eine interessante Ausstellung aufgebaut mit Schrift- und Erinnerungsstücken aus der Standortgeschichte, darunter den Portraits sämtlicher Kommandeure und einen alten Kampfanzug in „NATO Oliv“, den Hauptfeldwebel a.D. Karl-Heinz Cuber, der Vorsitzende der Reservistenkameradschaft Mechernich, zur Verfügung gestellt hatte.
Für musikalische Kurzweil sorgte das Violinen-Ensemble der Musikschule Euskirchen unter der Leitung von Christian Wolf unter anderem mit dem „Duo Concertate für zwei Violinen“ des belgischen Komponisten Charles-Auguste de Bériot, gespielt von Linda Peintinger und Luisa Dippold, die tags zuvor den Bonner Regionalentscheid des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ gewonnen hatten. Im zweiten Teil spielten Klara Engels (16) und Julia Peintinger (16) unter anderem Werke von Telemann.
pp/Agentur ProfiPress