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„Die Bienen flogen wieder schön…“

Kaller „Spiegel-Bestseller-Autor“ Norbert Scheuer las im Kommerner Pfarrheim aus seinem Roman „Winterbienen“ – Gedenken an Novemberpogrom 1938 – Geschichte über Heldenmut eines Eifeler Imkers im Angesicht des Nationalsozialismus – Musikalisch begleitet von Rainer Berger

Mechernich-Kommern – „Als ich den Grund der Lesung erfuhr, sagte ich sofort zu. Ich wollte eine solch wichtige Aktion an diesem symbolträchtigen Tag unbedingt unterstützen. Wie ich finde etwas Schönes, auch im Angesicht des Traurigen.“ Klare Worte des Kaller „Spiegel-Bestseller-Autors“ Nobert Scheuer, der nun aus seinem Historien-Roman „Winterbienen“ im Kommerner Pfarrheim las. Musikalisch begleitete ihn dabei Rainer Berger auf verschiedenen Querflöten.

Der mehrfach ausgezeichnete Kaller Autor Norbert Scheuer (vorne, m.) las im Kommerner Pfarrheim aus seinem Historienroman „Winterbienen“. Musikalisch begleitete ihn dabei Rainer Berger (hinten, m.). Organisiert hatte alles die Arbeitsgruppe „Forschen-Gedenken-Handeln“, bestehend aus Rainer Schulz (l.), Gisela Freier (2. v. r.), ihr Ehemann Wolfgang Freier und Elke Höver (r.). Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Der mehrfach ausgezeichnete Kaller Autor Norbert Scheuer (vorne, m.) las im Kommerner Pfarrheim aus seinem Historienroman „Winterbienen“. Musikalisch begleitete ihn dabei Rainer Berger (hinten, m.). Organisiert hatte alles die Arbeitsgruppe „Forschen-Gedenken-Handeln“, bestehend aus Rainer Schulz (l.), Gisela Freier (2. v. r.), ihr Ehemann Wolfgang Freier und Elke Höver (r.). Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

65 Besuchern waren gekommen, auf den Tag genau 85 Jahre nach der Nacht des Novemberpogroms im Jahre 1938, in der Anhänger des Nazi Regimes Gotteshäuser, Wohnungen und Geschäfte der jüdischen Bevölkerung in ganz Deutschland zerstörten. Auch Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Stadtarchivar Stephan Meyer wohnten der „Lesung gegen das Vergessen“ bei.

„Bücher Schwinning“ aus Mechernich verkaufte „Winterbienen“ und weitere Bücher Norbert Scheuers im Eingangsbereich, die er im Anschluss an die Lesung auf Wunsch sogar persönlich signierte. Zum Abschluss lud man das Auditorium zu „anregenden Gesprächen bei Wein oder Wasser“ ein.

Spenden für Gedenktafel

Neben dem Gedenken hatte der Abend noch einen weiteren Sinn: „Auch wenn noch etwas Geld fehlt, können wir durch großzügige Spenden den Großteil eines Gedenkschildes für die Kommerner Familie Levano finanzieren, das wir im März nächsten Jahres an deren ehemaligen Firmensitz befestigen wollen“, freuten sich Rainer Schulz und Gisela Freier gegenüber der Agentur ProfiPress.

In Scheuers Roman geht es um den unscheinbaren Kaller Bürger Egidius Arimond, der im Jahre 1944 jüdische Menschen in seinen Bienenstöcken über die belgische Grenze schmuggelt. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
In Scheuers Roman geht es um den unscheinbaren Kaller Bürger Egidius Arimond, der im Jahre 1944 jüdische Menschen in seinen Bienenstöcken über die belgische Grenze schmuggelt. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Ihre Arbeitsgruppe „Forschen-Gedenken-Handeln“, bestehend aus dem Ehepaar Wolfgang und Gisela Freier, Rainer Schulz sowie Elke Höver, hatte die Lesung organisiert. Allgemein setzt sich die Gruppe stark für das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes ein. Gisela Freier hatte Scheuer zu diesem Anlass eingeladen, nachdem der Kontakt über den Mechernicher Autor, Journalisten und Mundart-Experten Manni Lang zustande gekommen war. Und das mit Erfolg: „Er hat direkt zugesagt und wollte nicht einmal Honorar haben!“

Ein unscheinbarer Held

Andächtige Stille herrschte, als Scheuer im dunklen Pfarrzentrum, nur erleuchtet durch den Schein einer Schreibtischlampe, aus seinem Roman las. Das Buch handelt von Egidius Arimond aus Kall. Der ehemalige Geschichts- und Lateinlehrer lebt zu Zeiten des NS-Regimes und hat aufgrund von Epilepsie seinen Job verloren. Nun kümmert er sich um die Bienenstöcke seines Vaters, erntet Honig um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch er hat ein Geheimnis. Heimlich bringt er jüdische Flüchtlinge durch die Eifel über die Grenze nach Belgien, versteckt in seinen Bienenstöcken. Das Geld, das er damit verdient, nutzt er für seine dringend benötigten Epilepsie-Medikamente.

Genau beschrieb Scheuer jede Szene, das Publikum lauschte ihm derweil gebannt. Geschrieben wie ein Tagebuch erzählt der Roman meist die Gedanken Arimonds. In winterlicher Atmosphäre, mal spannend, mal einfühlsam gibt Scheuer einen realistischen Einblick ins Zeitgeschehen, ab und an untermalt von Rainer Berger auf seinen Querflöten – mal leise, mal lauter, wild und ruhig.

65 Zuhörer waren zu der Benefizlesung erschienen, bei der Spenden für eine Gedenktafel am ehemaligen Firmensitz der Kommerner Familie Levano gesammelt wurden. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
65 Zuhörer waren zu der Benefizlesung erschienen, bei der Spenden für eine Gedenktafel am ehemaligen Firmensitz der Kommerner Familie Levano gesammelt wurden. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Es ging um Arimonds Vorfahr Ambrosiuis, einen Mönch, der im 15. Jahrhundert auf Kloster Steinfeld lebte. Um ein kleines jüdisches Mädchen, dass er in einem Bienenstock gerade durch die kalte Nacht schmuggelt, als er von bewaffneten Kontrolleuren gestoppt wird. Um seinen Bruder bei der Luftwaffe und um Charlotte, eine mysteriöse Bibliothekarin, in die der Hauptprotagonist droht, sich zu verlieben. Und natürlich nicht zuletzt um seine Bienen, die ihm Kraft schenken und die er wie seinen Augapfel hütet.

Gefesselt lauschte ihm das Publikum, nicht ein Mucks war zu vernehmen. Nach einer kurzen Pause, in der das Publikum Scheuer Fragen zu seinem Roman stellen konnte, las der Autor auch aus seinem Nachfolgebuch „Mutabor“ – bevor das Publikum mit einem großen Applaus dankte.

„Gedanken und Fantasie anregen“

Rainer Berger begleitete die Lesung mit gleich drei verschiedenen Querflöten: einer normalen, einer Bass- und einer Alt-Querflöte. Er hatte die „Buchmusik“ schon früher eigens für den Roman komponiert. „Beispielsweise stelle ich mit den Instrumenten das rege Treiben der Bienen, mal aufgeregter, mal sanfter dar. So möchte ich die Gedanken und Fantasie des Publikums anregen“, erklärte Berger.

Rainer Berger begleitete Scheuer auf drei verschiedenen Querflöten und sorgte so für eine besondere Stimmung im Saal. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress
Rainer Berger begleitete Scheuer auf drei verschiedenen Querflöten und sorgte so für eine besondere Stimmung im Saal. Foto: Henri Grüger/pp/Agentur ProfiPress

Ihren ersten Berührungspunkt hatten die beiden schon vor vielen Jahren bei einer Benefiz-Lesung, durch „Winterbienen“ fanden sie kreativ wieder zusammen. Und auch beim Nachfolgebuch „Mutabor“ arbeiteten sie wieder zusammen, um Literatur und Musik in Einklang zu bringen. Dies gaben sie auch in Aachen zum Besten, als man Norbert Scheuer den bedeutenden „Hasenclever-Preis“ für sein bisheriges Lebenswerk verlieh.

In der Vergangenheit hatte auch schon den „Wilhelm-Raabe-Preis“ oder den „Rainer-Malkowsky-Preis“ erhalten. Letzterer ist einer der höchst dotierten Literaturpreise Deutschlands. Seine Werke wurden sogar schon in Englisch, Türkisch, Serbisch oder Arabisch übersetzt.

„Zeichen gegen Antisemitismus“

Als Norbert Scheuer einst die Chronik der Gemeinde Kall durchforstete, fand er den Tagebuch-Eintrag eines Bienenzüchters in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945. Darin beschrieb dieser, dass Kall durch „morgendliche Luftangriffe“ der Alliierten zerstört wurde, eine Verwandte von ihm erschossen – „»doch die Bienen flogen heute wieder schön«. Da kam mir die Idee zu diesem Roman. Ich wollte das Ganze in einen Zusammenhang bringen“, so Scheuer. Dazu habe er sich auch eine filmische Dokumentation von Regisseur Dietrich Schubert angesehen („Nicht verzeichnete Fluchtbewegungen“, 1990), der die Flucht von jüdischen Menschen durch die westliche Eifel nach Belgien im zweiten Weltkrieg thematisiert.

Initiatorin Gisela Freier betonte: „Ich war begeistert von dem Buch. Es zeigt auf eigene Weise, dass man mit viel Mut auch in den ausweglosesten Situationen helfen und einfach Mensch sein kann.“ In ihrer Ansprache zu Beginn sagte sie: „Auch in Kommern zerstörten die Nationalsozialisten in der Nacht des Novemberpogroms vor 85 Jahren die Synagoge sowie Geschäfte und Wohnungen der jüdischen Mitbürger. Einige von ihnen wurden sogar über die Kölner Straße getrieben. Dagegen wollen wir heute ein Zeichen setzen. Gegen immer mehr Fremdenfeindlichkeit, gegen das rechte Gedankengut der ewig Gestrigen und den gerade in letzter Zeit wieder erstarkten und sichtbaren Antisemitismus!“

pp/Agentur ProfiPress