Oben zurückhalten, unten schützen
Stadt, Erftverband und Ingenieurbüro Okeanos informierten in Kommern über Maßnahmen zum Hochwasserschutz entlang des Bleibachs – Nächste Bürgerversammlung für den Einzugsbereich Veybach findet am Montag, 3. Februar, um 18 Uhr in der Vussemer Turnhalle statt
Mechernich-Kommern – Das Interesse war groß. Kein Wunder, auch knapp vier Jahre nach der verheerenden Flut 2021 sind die Ereignisse im kollektiven Gedächtnis noch sehr präsent. Daher ließen sich rund 100 Anrainer des Bleibachs nun in der Kommerner Bürgerhalle über das Thema Hochwasserschutz informieren.
Dazu hatte die Stadt Mechernich eingeladen und mit den Okeanos-Ingenieuren Charlotte Rau und Benjamin Freudenberg sowie dem Erftverbands-Mitarbeiter Dr. Julian Struck war zusätzliche Expertise zugegen. Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick betonte: „In den vergangenen Jahren haben wir in Mechernich kontinuierlich an größeren und kleineren Maßnahmen gearbeitet, einiges wurde bereits umgesetzt, weitere Dinge sind in Planung.“ Das Problem: „Bei Bund und Land ist von dem anfänglichen Elan, schnell Dinge umzusetzen, leider nur noch sehr wenig übriggeblieben.“
Auch bei den Finanzen sieht es schlecht aus. Mechernichs Fachbereichsleiter Mario Dittmann machte noch einmal deutlich, dass die Behörden zwischen Starkregen- und Hochwasserschutz unterscheiden. „Und für Starkregenschutz gibt es grundsätzlich keine Förderungen. Für Hochwasserschutz gäbe es zwar bis zu 80 Prozent Zuschuss, aber der Fördertopf ist inzwischen mehrfach überzeichnet“, so der Fachmann im Mechernicher Rathaus.
Gutachten, Genehmigungen, Grunderwerb
Dass das Land nun auch noch beim Thema Wiederaufbauplan einen Rückzieher macht und Vorsorgemaßnahmen nur noch zu einem sehr geringen Prozentsatz bezuschussen möchte, macht die finanzielle Situation der Kommunen nicht besser.
Nichtsdestotrotz hatte die Stadt Mechernich sofort begonnen konkrete Schutzmaßnahmen im gesamten Stadtgebiet zu planen. Es wurden Gutachten erstellt, Genehmigungen angefragt, es gab Abstimmungen mit Umweltschutzverbändern und teilweise wurde sogar bereits Grunderwerb getätigt.
Zur Unterstützung der Planungen hatte die Stadt Mechernich das Ingenieurbüro Okeanos ins Boot geholt. So konnte Benjamin Freudenberg während der Bürgerversammlung die Fortschritte und Herausforderungen beim kommunalen Hochwasserschutzkonzept herausarbeiten. Insgesamt habe man rund 100 Bürgermeldungen überprüft und bewertet, zudem habe es zahlreiche Informationen der Stadt gegeben. 125 Projekte seien letztlich zu 102 Maßnahmen konsolidiert worden.
„Unter diesen Vorschlägen sind auch 35 Maßnahmen, die eher in den Kontext von Starkregen fallen. 25 davon, die ausschließlich etwas mit Starkregen und Schutz zu tun haben“, so Freudenberg und obwohl derzeit keine Chance auf eine Förderung besteht, wurden auch diese Maßnahmen weiter betrachtet, um bei sich ändernden Förderbedingungen möglicherweise doch zu einer Umsetzung zu gelangen.
Priorisiert werden Maßnahmen, die möglichst früh im Oberlauf des Gewässers ansetzen, um den größtmöglichen Schutz für alle Ortslagen zu bieten. „Alles, was oben schon zurückgehalten wird, kommt unten nicht mehr an“, so der Ingenieur.
Wichtiger ganzheitlicher Ansatz
Er stellte allerdings auch klar, dass selbst bei Umsetzung aller Maßnahmen die Dimension des Hochwassers von 2021 nicht vollständig abgedeckt worden wäre: „Das 2021er-Hochwasser war eine Naturkatastrophe, vor der wir mit technischem Hochwasserschutz allein nicht schützen können.“ Er unterstrich die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, der auch Flächenmanagement und Eigenvorsorge umfasst.
Abschließend hob Freudenberg hervor, dass Hochwasserschutz eine Gemeinschaftsaufgabe sei: „Es geht häufig darum, Zeit zu gewinnen – und diesen Zeitgewinn können wir nicht nur durch kommunale Maßnahmen, sondern auch durch Eigenvorsorge realisieren.“
Dr. Julian Struck vom Erftverband hingegen berichtete über die Fortschritte und Herausforderungen des interkommunalen Hochwasserschutz-Konzepts. Die Kooperation umfasse Maßnahmen, die über die Grenzen einzelner Kommunen hinauswirken, mit dem Ziel, Hochwasserschäden entlang der Erft von der Quelle bis zur Mündung zu minimieren.
Ein für Kommern bedeutendes Projekt innerhalb der interkommunalen Maßnahmen ist die geplante Umgestaltung des Mühlensees zu einem Hochwasserrückhaltebecken. Ziel ist es, den bestehenden Hochwasserschutz zu verbessern und gleichzeitig die Funktion des Sees als Naherholungsgebiet zu erhalten.
Geplant ist ein permanent eingestauter Bereich, der als Teich fungiert, sowie Dämme und Wege, die sowohl den Hochwasserschutz als auch die Erlebbarkeit des Gebiets fördern sollen. Neben Erholungsmöglichkeiten werden ökologische Maßnahmen umgesetzt, wie die Einrichtung spezieller Schutzräume für Amphibien, die bei den Voruntersuchungen entdeckt wurden.
Umbau Mühlensee schreitet voran
Technisch gesehen wird der Abfluss des Mühlensees auf 3,5 Kubikmeter pro Sekunde reguliert, um den schadfreien Abfluss an neuralgischen Punkten wie der Rehgasse in Kommern zu gewährleisten. „Das ist die Engstelle, wo einfach nicht mehr durchpasst“, so die Experten. Die Bauzeit ist mit etwa einem Jahr angesetzt, wobei der früheste Baubeginn Ende 2025 erfolgen könnte.
Schwerpunkt der interkommunalen Beiträge sind zudem noch weitere Hochwasserrückhaltebecken, die eine überregionale Wirkung entfalten. Neben dem Mühlensee liegen aktuelle Schwerpunkte auf Projekten in Schwerfen, Schweinheim und am Möschweider Bach. Einige Becken befinden sich bereits in der Genehmigungs- und Planungsphase. Der Spatenstich für das Projekt Zülpicher Wassersportsee fand Ende letzten Jahres statt, und der Bau soll bald beginnen.
Im Anschluss an die Ausführungen der Experten hatten auch die Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit ihre Fragen zu stellen. Auch im Nachgang des offiziellen Teils nahmen sich die Ingenieure Zeit für einen weiteren Austausch. Zudem standen Steckbriefe der einzelnen Maßnahmen und Übersichtskarten zur Verfügung, um sich noch eingehender mit den aktuellen Planungen und Überlegungen befassen zu können.
Diese Gelegenheit soll es auch bei zwei weiteren Bürgerinformations-Veranstaltungen geben. Die nächste Versammlung soll den Einzugsbereich Veybach näher beleuchten. Dazu lädt die Stadt für Montag, 3. Februar, um 18 Uhr in die Vussemer Turnhalle ein. Eine dritte Veranstaltung in Floisdorf, bei der die Maßnahmen am Rotbach und dessen Einzugsbiet thematisiert werden sollen, wird noch terminiert.
pp/Agentur ProfiPress