„Niedermachen oder Kräfte freilegen“
Jungen und Mädchen aus dem Stadtgebiet Mechernich zogen als Sternsinger von Haus zu Haus, erhoben ihre Stimmen für die Verwirklichung der Kinderrechte und sammelten Tausende Euro für Gleichaltrige in der so genannten Dritten Welt
Mechernich – Seit dem 30. Dezember waren wieder an die 100 Jungen und Mädchen aus dem Stadtgebiet Mechernich als Sternsinger unterwegs. In Mechernich, Kommern und den übrigen 42 zur Stadt gehörenden Orten brachten sie den Menschen in ihren Wohnungen und Häusern den traditionellen Dreikönigssegen „20*C + M + B + 25“.
Das bedeutet lateinisch abgekürzt „Christus mansionem benedicat“ („Christus segne dieses Haus“). Gleichzeitig stellt dieser Segen die Initialen der drei Weisen aus dem Morgenland dar, die den neugeborenen Messias laut Bibel und frommer Legenden nach seiner Geburt aufsuchen und ihm mit Gold, Weihrauch und Myrre huldigen.
Dabei werden sie auf ihrem langen Weg aus dem orientalischen „Morgenland“, also dem ferneren Osten, von einem Kometen geführt, einem am Firmament wandernden Stern, daher auch „Sternsinger“.
Am Sonntag vor dem Dreikönigsfest, 5. Januar, feierte der Mechernicher Pfarrer Stephen Rayappan Packiam mit 50 von ihnen aus der Kernpfarrei St. Johannes Baptist sowie Breitenbenden und Nöthen ihren Eltern und Geschwistern so wie der Pfarrgemeinde einen bewegenden Dankgottesdienst.
Familienmesskreis aktiv
Er war vom Familienmesskreis um Agnes Peters vorbereitet und mit den agierenden Königinnen und Königen einstudiert worden. Anschließend waren die Sternsinger zu einem gemeinsamen Essen ins Johanneshaus neben der Kirche eingeladen. Die Pizza wurde wieder spendiert von Aldo Moranelli von „Pinocchio“.
Father Stephen machte den Mädchen und Jungen im Königsgewand ein Riesenkompliment, dass sie sich in den vergangenen witterungsmäßig unwirtlichen Tagen durch die Straßen von Mechernich gekämpft hatten. Sie hätten gemäß dem diesjährigen Motto des Dreikönigssingens ihre Stimmen erhoben und seien für die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von Tür zu Tür gezogen.
Mit Symbolen in den Händen traten im Gottesdienst einige Sternsinger vor die Gemeinde. Der erste hielt einen Pass in die Höhe und plädierte dafür, dass alle Kinder das Recht auf einen eigenen Namen, die Achtung der eigenen Identität und Persönlichkeit und ein sicheres Zuhause haben sollten.
Der zweite hatte ein Schulheft mitgebracht und klagte das Recht auf Bildung ein. Jedes Kind auf der Welt müsste die Chance haben, zur Schule zu gehen und etwas zu lernen. Ein Kuscheltier symbolisierte die Erfüllung der Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz der eigenen Intimität. Der Impfpass stand für eine vernünftige medizinische Versorgung aller Kinder auf der Welt – ein Buch, das „Lieblingsbuch“, stand für den Wunsch, dass jedes Kind lesen können sollte und seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Ein alttestamentarischer Text des Propheten Jesaja, vorgetragen von dem Lektor Franz-Josef Kremer, machte deutlich, dass diese Wünsche für Kinder ganz dem Willen Gottes entsprächen, wenn er seinem Volk in der Figur Jakobs zusichert: „Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist / und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder / und für dein Leben ganze Völker.“
Jedes Jahr ziehen rund 300 000 Sternsinger durch Deutschland und sammeln Spenden für Kinder in Not. Allein 2023 haben sie mehr als 45 Millionen Euro an Spenden gesammelt, im Stadtgebiet Mechernich sind es Jahr für Jahr mehrere Tausend Euro. Das Dreikönigssingen, das Ende der 60er Jahre aufkam, ist weltweit die größte Sammelaktion von Kindern für Kinder.
Father Stephen persönlich dankbar
Jedes Jahr steht ein anderes Schwerpunktthema und Land im Mittelpunkt der Aktion. In diesem Jahr geht es um die Kinderrechte, nicht ohne Grund: 250 Millionen Kinder, vor allem Mädchen, gehen weltweit nicht zur Schule. 160 Millionen Kinder müssen arbeiten, die Hälfte von ihnen unter ausbeuterischen Bedingungen.
Father Stephen bezeichnete sich selbst als Zeuge für die Wirksamkeit der Sternsinger-Aktion. In seinem Heimatdorf in Indien wurde mit Geldmitteln des deutschen Dreikönigssingens eine Schule gebaut, die ihm den Weg zur Bildung, zum Studium und schließlich in die weite Welt eröffnet habe. Er sagte am Ende des Gottesdienstes: „Ich bin sehr dankbar!“
Und weiter: „Die Kinder in Indien und Afrika arbeiten, sie haben nicht jeden Tag etwas zu essen. Seid froh, dass ihr in Deutschland geboren seid. Mit eurer Aktion unterstützt und segnet ihr die anderen Kinder, denen es nicht so gut geht.“
Es komme immer darauf an, wie man einen anderen Menschen behandle: das mache etwas mit ihm, sagte der aus Indien stammende, lange in der Diözese Würzburg wirkende und dann nach Mechernich an die Seite von Pfarrer Erik Pühringer gekommene Geistliche: „Es ist ein Riesenunterschied, ob ich jemanden niedermache und kleinhalte oder ihm Zuspruch gebe und damit ungeahnte Kräfte in ihm freilege.“
pp/Agentur ProfiPress