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400 Jahre „Antependium von Mechernich“

Wertvolles Altartuch aus dem Hause Rath bei Mechernich hing lange auf der Rückseite des Aachener Domaltares – Es entstand im Jahre 1624 in einem rheinischen Kloster, möglicherweise sogar in Antonigartzem am Rande des heutigen Stadtgebiets Mechernich – Kirchengemeinde Mechernich hat es abgelehnt, das teure Stück zurückzunehmen

Mechernich – Dr. Monica Paredis-Vroon, die Textilexpertin der Aachener Domschatzkammer, schätzt den materiellen Wert des „Antependiums von Mechernich“, 86,2 Zentimeter breit und 92,2 Zentimeter hoch, auf sage und schreibe 80.000 Euro. Die kostbare Stickerei entstand 1624 in einem rheinischen Kloster, so die Restauratorin, möglicherweise ganz in der Nähe des Bleibergs, dem Kloster Antonigartzem, dessen Reste sich heute unmittelbar hinter dem Krewelshof in Obergartzem befinden.

Oder auch im Kloster Steinfeld. Darauf könnte das Hauptmotiv hindeuten, der Heilige Norbert von Xanten, der den Prämonstratenser-Orden im 11. Jahrhundert gründete. Das Altartuch, das ihn im Zentrum zeigt, wurde vermutlich im Auftrag der Herrschaft von Nesselrode hergestellt und hing ursprünglich in der Schlosskapelle des untergegangenen Hauses Rath zwischen Strempt und Roggendorf.

Monica Paredis-Vroon und Peter Schweikert-Wehner am „Antependium aus Mechernich“ in der Aachener Domschatzkammer. Die schätzungsweise 80.000 Euro kostbare Stickerei zierte fast 20 Jahre die Rückseite des Hochaltars im Aachener Dom. Jetzt muss das Antependium aus der Zeit des Barocks restauriert werden. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Monica Paredis-Vroon und Peter Schweikert-Wehner am „Antependium aus Mechernich“ in der Aachener Domschatzkammer. Die schätzungsweise 80.000 Euro kostbare Stickerei zierte fast 20 Jahre die Rückseite des Hochaltars im Aachener Dom. Jetzt muss das Antependium aus der Zeit des Barocks restauriert werden. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Lange Jahre zierte es die Chorseite des Aachener Domaltares. Dabei war die wertvolle Textilie Licht und schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Daraufhin wurde das Antependium im Aachener Münster aus dem Verkehr gezogen und ruht jetzt wieder hinter verschlossenen Panzertüren in der Aachener Domschatzkammer.

Die Pfarrgemeinde Mechernich, der das Tuch genaugenommen gehört, hat eine Rückgabe abgelehnt, so Pfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer: „Wir können in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist nicht für eine sachgerechte und diebstahlsichere Unterbringung sorgen.“ Auch eine temporäre Ausstellung im 400. Jubiläumsjahr seiner Entstehung etwa im Johanneshaus neben der Kirche lehnt Pühringer ab.

Im Zentrum des Antependiums Norbert von Xanten, der Verteidiger der Eucharistie, und die Jahreszahl 1624, kurz nach der Heiligsprechung Norberts zur Zeit der Gegenreformation. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Im Zentrum des Antependiums Norbert von Xanten, der Verteidiger der Eucharistie, und die Jahreszahl 1624, kurz nach der Heiligsprechung Norberts zur Zeit der Gegenreformation. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Ausstellung zur Heiligtumsfahrt 2028

Zuletzt war das „Antependium von Mechernich“ am Bleiberg anlässlich des 700-jährigen Pfarrjubiläums im Jahre 2008 gezeigt worden. Die Pfarrei St. Johannes Baptist wurde 1308 im sogenannten „Liber valoris“ erstmals erwähnt („Liber Valoris ecclesiarum Coloniensis dioceses“, so der vollständige Titel, übersetzt „Werte-Buch der Kirchen der Diözese Köln“). Es handelt sich um ein Steuerverzeichnis der Kölner Erzbischöfe. Als nächsten Anlass für eine Ausstellung des Antependiums vor Ort ist für Pfarrer und GdG-Leiter Pühringer die nächste Aachener Heiligtumsfahrt vom 17. bis 25. Juni 2028 günstig.

Das sakrale Kunstwerk besteht in der Hauptsache aus Leinen, 29 verschiedenen Stoffen als Applikationsmaterial und 16 verschiedenen und verschieden farbigen Stickgarnen. Das Altartuch hat äußersten Seltenheitswert.

Dr. Monica Paredis-Vroon zeigt auf eine von ihrer während der bislang letzten Restauration in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ausgewechselte Stelle. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Dr. Monica Paredis-Vroon zeigt auf eine von ihrer während der bislang letzten Restauration in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts ausgewechselte Stelle. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Wie der Wikipedia-Kirchenkunstexperte „Tryptychon“, ein Pseudonym des Mechernicher Apothekers, TuS-Vorsitzenden und Kommunalpolitikers Dr. Peter Schweikert-Wehner, mit Hilfe anderer Kunsthistoriker in Köln und Limburg sowie Dr. Monica Paredis-Vroon herausgefunden hat, handelt es sich beim zentralen Motiv des Mechernicher Antependiums um Norbert von Xanten, den Verteidiger der Eucharistie, daher sei er auf dem Altartuch mit Monstranz und Hostie dargestellt.

Dr. Schweikert-Wehner: „Norbert von Xanten wurde 1582 seliggesprochen, 1621 erlaubte der Papst die Verehrung als Heiliger in der gesamten katholischen Kirche. Norbert lebte im 11. und 12. Jahrhundert und war unter anderem Gründer des Prämonstratenserordens (bis 1802 auch in Kloster Steinfeld), Erzbischof von Magdeburg und Reichskanzler für Italien.“

Dr. Peter Schweikert-Wehner hat sich für das Internetlexikon „Wikipedia“ mit Hilfe von Kunsthistorikern in Köln und Limburg sowie Dr. Monica Paredis-Vroon (l.) von der Domschatzkammer Aachen auf Recherchen nach den Ursprüngen des Mechernicher Antependiums begeben. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Dr. Peter Schweikert-Wehner hat sich für das Internetlexikon „Wikipedia“ mit Hilfe von Kunsthistorikern in Köln und Limburg sowie Dr. Monica Paredis-Vroon (l.) von der Domschatzkammer Aachen auf Recherchen nach den Ursprüngen des Mechernicher Antependiums begeben. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Die Stickerei des Bischofs auf dem Antependium von Mechernich zeige die Ankunft des Heiligen im Paradies, das mit rankenden Pflanzen angedeutet ist. Nach Peter Schweikert-Wehners Vergleich mit anderen Antependien aus Köln und Limburg könnte das Mechernicher Altartuch ebenfalls in Köln und Umgebung entstanden sein: „Die genaue Werkstatt der Werke wird allerdings wohl nicht mehr zu ermitteln sein.“

Wie an dieser Stelle bereits berichtet, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wie das Antependium nach Aachen gelangte. Im Gegensatz zu dem Mechernicher Regionalhistoriker Anton Könen, der bereits in den 90er Jahren im Auftrag des Aachener Domkapitels Nachforschungen angestellt hatte, hält Dr. Monica Paredis-Vroon den ersten Bischof des 1802 unter Napoleon gegründeten Bistums Aachen, Marc-Antoine Berdolet, für unschuldig.

Pfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer, hier Aschermittwoch 2017 bei der Eröffnung einer Kirchenkunstausstellung an St. Johannes Baptist mit dem Floisdorfer Maler und Objektkünstler Franz Kruse, will das „Antependium von Mechernich“ nächstens anlässlich der Aachener Heiligtumsfahrt 2028 wieder zu einer Ausstellung an den Bleiberg holen. Archivfoto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Pfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer, hier Aschermittwoch 2017 bei der Eröffnung einer Kirchenkunstausstellung an St. Johannes Baptist mit dem Floisdorfer Maler und Objektkünstler Franz Kruse, will das „Antependium von Mechernich“ nächstens anlässlich der Aachener Heiligtumsfahrt 2028 wieder zu einer Ausstellung an den Bleiberg holen. Archivfoto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

„Bischof Berdolet ist unschuldig“

Der brachte zwar zahlreiche Kunstwerke und Inventarien von seiner Rundreise durch die Eifel nach Aachen, aber nach Ansicht der Domschatz-Textilexpertin befand sich das Altartuch von Haus Rath nicht darunter. Sie vermutet eher, dass das wertvolle Stück nach Aufhebung von Schloss Rath und einem Brand in der Alten Kirche freiwillig und aus Sicherheitsgründen nach Aachen gegeben wurde.

„Tryptychon“ alias Dr. Peter Schweikert-Wehner schreibt dem Mechernicher „Bürgerbrief“, im Rheinland gebe es eine Reihe ähnlicher Werke aus gleicher Zeit: „Möglicherweise stammen viele von ihnen aus der gleichen Werkstatt, zum Beispiel das Niederwerther Antependium, das sich in der katholischen Kirche St. Georg in Niederwerth befindet.“

Dr. Monica Paredis-Vroon hält den ersten Bischof des 1802 unter Napoleon gegründeten Bistums Aachen, Marc-Antoine Berdolet, für unschuldig am Verschwinden des Antependiums aus Mechernich. Sie vermutet, dass die Christengemeinde am Bleiberg das wertvolle Tuch nach Aufhebung der Schlosskapelle Rath und einem Brand der Alten Kirche freiwillig abgegeben hat. „Sie will es auch nicht zurück“, so der aktuelle Pfarrer von Mechernich, Erik Pühringer. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Dr. Monica Paredis-Vroon hält den ersten Bischof des 1802 unter Napoleon gegründeten Bistums Aachen, Marc-Antoine Berdolet, für unschuldig am Verschwinden des Antependiums aus Mechernich. Sie vermutet, dass die Christengemeinde am Bleiberg das wertvolle Tuch nach Aufhebung der Schlosskapelle Rath und einem Brand der Alten Kirche freiwillig abgegeben hat. „Sie will es auch nicht zurück“, so der aktuelle Pfarrer von Mechernich, Erik Pühringer. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Es sei laut eingestickter Jahreszahl von 1615 und vermutlich in Köln entstanden: „Das Leinengewebe ist unter Verwendung von Gold und Seide bestickt. Die Pflanzen sind ähnlich und zum Teil identisch mit dem Mechernicher Werk. Neben dem heiligen Bernhard und der Mutter Gottes sind auf dem Tuch die Heiligen Anna, Petrus, Klara und Franziskus dargestellt.“

Weiter hat Schweikert-Wehner das Schnütgen-Antependium im gleichnamigen Kölner Museum ausfindig gemacht. Es ist zur Zeit nicht ausgestellt und befindet sich im Depot des Museums. Das Tuch war ehedem im Treppenhaus von Alexander Schnütgen aufgehängt und wurde anlässlich einer Präsentation im Kunstgewerbemuseum 1910 leider zugeschnitten: „Es zeigt zentral die Mutter Gottes mit Kind, daneben kniend die Heiligen Dominikus und Theresia, umgeben von Paradiespflanzen. Die eingestickte Jahreszahl der Herstellung ist 1623.“

Hinter dicken Panzertüren lagert der Aachener Domschatz bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Hinter dicken Panzertüren lagert der Aachener Domschatz bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Ebenfalls in Köln und zwar im Diözesanmuseum Kolumba befindet sich ein Stoffantependium mit unklarer Datierung. Es zeigt Maria mit Einhorn in einem ummauerten Paradiesgarten. Bei der abgebildeten Kirche könnte es sich um St. Pantaleon handeln. Inschriftenbänder sind marienverehrende Texte.

Das dritte Kölner Antependium sei im Kunstgewerbemuseum zu finden und motivisch fast identisch mit dem Kolumba-Antependium: „Auf ihm ist neben Maria mit Einhorn und St. Pantaleon ein Engel mit Horn und vier Hunden abgebildet.“

Monica Paredis-Vroon, die Textilexpertin der Aachener Domschatzkammer, hier mit Wikipedia-Autor Peter Schweikert-Wehner, schätzt den materiellen Wert des „Antependiums von Mechernich“, 86,2 Zentimeter breit und 92,2 Zentimeter hoch, auf sage und schreibe 80.000 Euro. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Monica Paredis-Vroon, die Textilexpertin der Aachener Domschatzkammer, hier mit Wikipedia-Autor Peter Schweikert-Wehner, schätzt den materiellen Wert des „Antependiums von Mechernich“, 86,2 Zentimeter breit und 92,2 Zentimeter hoch, auf sage und schreibe 80.000 Euro. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Konstante Temperatur und Luftfeuchte

Peter Schweikert-Wehner, der bei Wikipedia unter dem Pseudonym „Tryptychon“ bereits über 3600 kunstgeschichtliche Expertisen für das berühmte Internetlexikon verfasst hat, hauptsächlich über Kölner Kirchenschätze, aber auch aus dem Stadtgebiet Mechernich, beispielsweise über den Roggendorfer Schnitzaltar und die Kallmuther Pieta, nennt weiter das Lahnsteiner Antependium von 1617 mit gleichen Motiven. Es befindet sich im Diözesanmuseum in Limburg.

Unlängst hat der Kirchenkunstexperte, Jahrgang 1968, das „Antependium von Mechernich“ in der Domschatzkammer besichtigen können. Es liegt dort bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Dunkeln – ohne den schädlichen Einfluss von Insekten und Staub.

Monica Paredis-Vroon ist glücklich, dass die aus Mechernich stammende Stickerei, die zu Napoleons Zeiten ins Aachener Münster gelangte, auf absehbare Zeit nicht mehr als rückwärtiger Schmuck des Hauptaltars genutzt werden soll. Nach den 60er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts stehe demnächst eine dritte Restaurierung bevor. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Monica Paredis-Vroon ist glücklich, dass die aus Mechernich stammende Stickerei, die zu Napoleons Zeiten ins Aachener Münster gelangte, auf absehbare Zeit nicht mehr als rückwärtiger Schmuck des Hauptaltars genutzt werden soll. Nach den 60er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts stehe demnächst eine dritte Restaurierung bevor. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Monica Paredis-Vroon ist glücklich, dass die aus Mechernich stammende 86,2 Zentimeter breite und 92,2 Zentimeter hohe Stickerei, die zu Napoleons Zeiten ins Aachener Münster gelangte, auf absehbare Zeit nicht mehr als rückwärtiger Schmuck des Hauptaltars genutzt werden soll. Nach den 60er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts stehe demnächst eine dritte Restaurierung bevor.

Für die Echtheit der Entstehungsdaten des genau 400 Jahre alten „Antependiums von Mechernich“ und der bislang ermittelten ähnlichen Antependien spricht laut Dr. Schweikert-Wehner auch der Umstand, dass es 1570 kirchliche Vorschrift wurde, die Rückseiten der Altäre mit Stofftüchern zu verhängen. Danach kamen kunstvoll gestaltete Tücher, so genannte Antependien (von lat. „ante“ = „vor“ und „pendere“ = „hängen“) für diesen Zweck in Mode.

pp/Agentur ProfiPress