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AllgemeinSalvatorianerkloster Steinfeld

„Was bedeuten wir Beethoven?“

Hommage an einen außergewöhnlichen Komponisten mit ungewöhnlichen Fragen aus ungewohnter Perspektive: „Klassik im Kloster Steinfeld“ diesmal mit dem Dirigenten Dirk Joeres, dem Philosophen Gerd B. Achenbach und dem Pianisten Knut Hanßen

Kall-Steinfeld – 2020 ist Beethovens 250. Geburtsjahr – und alle huldigen ihm. Der Hype um einen der größten großen Komponisten geht natürlich auch am Kloster Steinfeld nicht spurlos vorüber. Denn die frühere Prämonstratenser-Abtei, die seit 1923 – bis aufs Gästehaus – vom Salvatorianer-Orden geistlich und wirtschaftlich geleitet und unterhalten wird, ist nicht nur ein spirituelles, sondern auch ein kulturelles Zentrum im Dreieck der Bistümer Aachen, Köln und Trier.

Jetzt fand wieder eines der vielbeachteten Klassikseminare in den Klostermauern statt, die 2019 mit einem Wochenende zu Franz Schubert ihren Auftakt genommen hatten. Es sah Live-Musik, Vorträge und eine kleine Exkursion in die „Werkstatt“ des Komponisten vor.

Klassik im Kloster Steinfeld: Dieses Trio klärte ein Wochenende lang über Ludwig van Beethovens unbekanntere Seiten auf (v.l.): Knut Hanßen, Gerd B. Achenbach und Dirk Joeres in der ehemaligen Schülerbibliothek der früheren Prämonstratenser-Abtei, die seit 1923 – bis aufs Gästehaus – vom Salvatorianer-Orden geistlich und wirtschaftlich geleitet und unterhalten wird. Foto: Stefan Lieser/KStA/KR/pp/Agentur ProfiPress

Geleitet wurde das Ganze von dem Musiker Dirk Joeres und dem Philosophen Gerd B. Achenbach sowie dem Kölner Pianisten Knut Hanßen. Die 25 Seminarteilnehmer kamen aus Aachen, Düsseldorf, Köln, dem Bergischen Land und der Eifel. Es ging um Musikpraxis und Analyse, kurz, um „Beethoven – im Ernst. Eine unzeitgemäße Betrachtung“, so Motto und Untertitel der zweitägigen Veranstaltung.

Taub mit zirrhotischer Leber

Beethoven wurde 1770 in Bonn geboren. Schon als junger Mann zog er nach Wien, wo er ab 1792 lebte. Dort fand der Rheinländer Gönner und Mäzene, die ihm die freie Komponistentätigkeit ermöglichten. Er wurde zum berühmtesten Komponisten seiner Zeit. „Beethoven starb 1827, erst 57 Jahre alt, unter anderem an einer Leberzirrhose“, schreibt der Journalist Stefan Lieser im „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Weit weniger bekannt als diese Fakten, aber offensichtlich unvermeidlich im „Beethoven-Jahr“, das längst zum „Corona-Jahr“ geworden ist, sind Beethoven-Gedenktassen und Beethoven-Büsten als Briefbeschwerer. Ein Andenken ganz anderen Kalibers sind da schon Beethovens Hörrohre…

Auch unbekanntere Fakten wurden in Steinfeld „gehandelt“, so die „Kölnische Rundschau“: „Wusste man, dass die Taubheit für den Komponisten am Ende nur die folgenreichste, aber medizinisch keineswegs die schwerste Erkrankung war?“ Viele kannten auch noch nicht den „Beethoven-Wanderweg“ durchs Siebengebirge.

Vieles hat nicht viel mit dem großen Bonner zu tun, so der Pianist Knut Hanßen, der Philosoph Gerd B. Achenbach und der Pianist und Dirigent Dirk Joeres. Letzterer: „Es existierte schon zu Lebzeiten ein regelrechter Kult um Ludwig van Beethoven. Er war die Nahtstelle, eine Art Gelenk zwischen der klassischen Romantik und der Musik der Moderne.“

Gerd B. Achenbach: „Johannes Brahms wie Richard Wagner waren sich in der Bewunderung Beethovens, dessen herausragende Sonderstellung als Komponist sie anerkannten, einig.“ Und das, obwohl die Kompositionen Beethovens für das zeitgenössische adelige, also elitäre Publikum, im Wortsinn ungehört blieben.

Napoleon gestrichen

„Etwa die 3. Sinfonie, uraufgeführt 1804“, schreibt Stefan Lieser: „Die »Eroica« bezeichnete Beethoven selbst als seine gelungenste. Er widmete sie zunächst Napoleon, doch als der sich zum Kaiser ausrief, strich der Komponist die Widmung durch. Bonaparte hatte das Ideal des demokratisch legitimierten Herrschers aus Sicht des Komponisten verraten.“ Solche Zusammenhänge klar zu machen, den Komponisten auch in seiner politischen Dimension zu sehen, auch das sei ein Ziel des Seminars im Kloster Steinfeld gewesen.

Erfinder der Klassikreihe im Gästehaus und Kloster Steinfeld (v.l.): Dirigent und Pianist Dirk Joeres, die engagierte Kulturpromoterin Linda Abberton und Gästehaus-Manager Christoph Böhnke. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Knut Hanßen brachte den Seminarteilnehmern drei der 32 Klaviersonaten Beethovens  zu Gehör, die 1., noch ganz im Sinn der Klassik, die letzte als Beispiel des die Regeln der Klassik überwindenden Spätwerks und die Klaviersonate op. 27, Nr. 2, die „Mondschein“-Sonate, aus der produktivsten Zeit Beethovens Anfang des 19. Jahrhunderts in Wien.

Der Titel „Mondschein“-Sonate stammt übrigens nicht vom Komponisten selbst, so Knut Hanßen, „sondern von einem Rezensenten, der meinte, der erste Satz erinnere ihn an eine nächtliche Bootsfahrt über den Vierwaldstätter-See“.

Stefan Lieser: „Langsam, melancholisch, gravitätisch ist dieser erste Satz, ganz im Gegensatz dazu der heiter, beschwingte kurze Mittelsatz, wirbelnd der letzte, dessen Tempovorgabe »Presto« treffend gewählt ist.“ Im ersten und dritten Satz höre man als Nebenmelodie die gleiche Akkordfolge, nur unterschiedlich gespielt in den Satzvorgaben, sagte Knut Hanßen: Das sei ein typisches Beispiel für die „Sonatenarchitektur“ Beethovens.

Unvollendete 10. Sinfonie

Wie diese Technik im Detail funktioniert, wie mühsam Beethoven nach den einzelnen Bausteinen suchte, die er für seine Kompositionsgebäude benötigte, erklärte Dirk Joeres. Die Frage, welche Bedeutung das Werk des Bonners für den heutigen Zuhörer hat, drehte der Philosoph Achenbach auf den Kopf: „Was bedeuten wir Beethoven? Werden wir seinem Werk gerecht?“

Eine Antwort erwartet Dirk Joeres jedenfalls nicht von einem ehrgeizigen Projekt, das die Deutsche Telekom mit internationalen Musik- und KI-Experten sowie Wissenschaftlern des Beethoven-Hauses Bonn in Angriff genommen hat, nämlich Beethovens unvollendete 10. Sinfonie mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) zu Ende „komponieren“ zu lassen.

„Ich bin mal gespannt auf die anstehende Welturaufführung…“, sagte Dirk Joeres, der die Reihe „Klassik im Kloster Steinfeld“ gemeinsam mit der engagierten Kulturpromoterin Linda Abberton organisiert – und das meine er selbstverständlich „zutiefst ironisch“.

pp/Agentur ProfiPress