Von den Ärmsten das Glück gelernt
Besuch im Nepal prägte Gruppe der Mechernicher Gesamtschule für das ganze Leben – Menschen ohne Perspektive geholfen – Paten gesucht
Mechernich/Nepal – Beim großen Widersehen waren die gemeinsamen Erinnerungen und Emotionen sofort wieder da. Die Teilnehmenden der Reise, die sie aus der Mechernicher Gesamtschule in das Entwicklungsland am anderen Ende der Welt geführt hatte, lagen sich in den Armen, strahlten und vergossen Tränen. Auch Lehrer Ralf Hennecke war überwältigt: „Wir kannten uns als Gruppe vorher nicht gut, sind aber in rasender Geschwindigkeit zusammengewachsen. Wir wollten einfach mit anpacken – ohne Wenn und Aber oder Berührungsängste. Dabei haben wir so viel gelacht und geweint – das habe ich in 30 Berufsjahren noch nie erlebt.“

Zusammengeschweißt hatte sie diese ganz besondere Reise im Rahmen der Nepal AG. Ob Schüler, Eltern, Lehrer oder Begleitpersonen, ihr Horizont hat sich deutlich erweitert – geprägt sowohl von den schönen als auch den traurigen Seiten des Lebens.Alle zwei Jahre führt die Reise, organisiert von Lehrerin Catherine Hofstetter, in den armen Himalayastaat – um zu helfen: „Diese Erfahrung kann man nicht beschreiben. Man muss einfach dabei gewesen sein!“ Sie selbst reist jedes Jahr dorthin.

Angefangen hatte alles nach verheerenden Erdbeben im Jahr 2015. „Wir konnten mit vielen kleinen Aktionen schon früher Großartiges bewirken“, freut sich Hofstetter: zum Beispiel schaffte man einen Stromgenerator und Wassertanks für eine Schule an. Auch diesmal verbesserten sie die Bedingungen vor Ort – oder war einfach für die kleinen und großen Menschen da, die von anderen meist vergessen werden.

Gepinselt, geschleppt, geklempnert
Nach mehr als zehn Stunden Flug erreichte die 20-köpfige Delegation die quirlige Hauptstadt Nepals. Sofort überwältigten sie verschiedenste Sinneseindrücke: Gerüche, Hupen, geschäftiges Treiben. „Kathmandu zählt zu den Metropolen mit der weltweit schlechtesten Luft“, so Catherine Hofstetter: „Verkehrsregeln gibt es nicht wirklich, aber irgendwie funktioniert es.“ Unter kamen sie bei der Familie von Mingur, die den Austausch mitorganisiert und beim großen Widersehen in der Schule aus ihrer Heimatstadt New York zugeschaltet war. Auch sie vergoss Tränen, als sie darüber berichtete, wie dankbar die Menschen über die Hilfe aus Deutschland sind.

Zunächst besuchte die Gruppe ein Behindertenheim in Panchkhal. Hungrige Kinder warteten hier bereits geduldig. Hofstetter: „Sofort servierten wir ihnen Hühnchenfleisch und Gemüse.“ Unterstützt werden die Kids vor Ort sonst nicht. Deswegen bleibt ihnen eine faire Chance auf „Teilhabe an einem menschenwürdigen Leben verwehrt.“
Um die Bedingungen vor Ort zu verbessern, haben sie gemeinsam die sanitären Anlagen behindertengerecht gestaltet: „Jeder packte mit an, ob als Maler, Bodenleger, Gärtner, Künstler oder Spielgefährte.“ Die Betten bekamen neue Matratzen, mit örtlichen Handwerkern installierte man eine inklusive Toilette und Dusche samt Handgriffen. „Dank Solaranlagen gibt es jetzt sogar eine warme Dusche“, so Hofstetter. Dazu gab es eine Waschmaschine, einen Trockner, Farbfernseher sowie bunte Trainingsanzüge und Kappen für die Kids. Als großen Abschluss backte die Truppe frische Waffeln, die bei den Kindern „sehr gut ankamen“.

„Geben ihr letztes Hemd“
Schülerin Josephine erinnerte sich besonders an den kleinen Madhu. Wegen Aggressionsproblemen wird er vom Rest der Gruppe leider oft abgeschottet: „Er hat sich so doll gefreut und in die Hände geklatscht, als wir gekommen sind.“ Für sie sei die Reise „wunderschön“ gewesen: „ich würde das am liebsten jedes Jahr machen!“ Staleen, ein anderer Schüler, war ebenso ergriffen: „Es war für mich eine große Ehre, teilnehmen zu dürfen. Was mir im Herzen geblieben ist, ist wie sie sich über jede noch so kleine Sache gefreut haben. Die Menschen waren immer freundlich und hatten ein Lächeln im Gesicht, obwohl die wirklich gar nichts haben.“

Auch seine Schulkameradin Sophie betonte: „Es gab Momente, wo man richtig glücklich war und solche, wo man einfach nur heulen konnte. Die Menschen waren unglaublich und herzlich. Und das, obwohl ihre Häuser teilweise nicht mal Wände hatten!“ Ihr habe die Reise gezeigt, dass man sich „wirklich glücklich schätzen kann, was man eigentlich alles besitzt. Jetzt freue ich mich über jede Kleinigkeit!“

„Es gab keinen Tag, wo einem nicht die Tränen kamen“, betonte auch Anja, Tochter der „Nepal-Oma“, die die Hilfsaktionen mit Näharbeiten schon lange unterstützt. Marita, einer Lehrerin in Rente, wurde die Nachhaltigkeit der Aktion nochmal bewusst, als sie Projekte von 2019 wieder in Augenschein nahm. Ähnlich ging es der ehemaligen Schülerin Saskia, die sich nach ihrer vorherigen Nepalreise sogar Gebetsfahnen hat tätowieren lassen. Lehrerin Sheryl bewegte besonders, wie die Kinder für sie gesungen und ihnen zur Begrüßung traditionelle „Khatas“ (Schals) und Blumen überreicht hatten. „Nachdem wir zurück waren, hat Ralf mich gefragt: `Na, bist du angekommen? Und ich sagte Nein, ich bin immer noch da!`“

Tom, Bruder eines ehemaligen Schülers, war mit seinem Vater Hans dabei. Beeindruckt erzählte er: „Dieser Kontrast zwischen Zufriedenheit, Glück und diesem Leid zu sehen, hat mich sehr bewegt.“ Karina, die eigentlich in einer inklusiven Kita arbeitet, prägte besonders, wie die Kinder trotz Perspektivlosigkeit in den Tag hineinleben: „Ich bin viel dankbarer zurückgekommen. Diese Menschen sind so herzlich. Sie haben selber nichts, aber geben ihr letztes Hemd…“

„Da warst Du glücklich“
Über vier Stunden ging es für sie mit Jeeps auch ins Bergdorf Ratankot, zur dortigen Basic School: „Gewundene, holprige Wege führten uns durch eine beeindruckende Berglandschaft, immer wieder unterbrochen von sorgfältig angelegten Reisterrassen.“ Im Gepäck für die rund 50 Kinder vom Kindergartenalter bis zur achten Klasse hatte die Gruppe Schulranzen, gefüllt mit Material, Seifenblasen sowie Spielzeug wie Springseile und Frisbees. Schüler Melvin erinnerte sich: „Als die Kinder sich riesig gefreut haben, ging einem das Herz auf.“

Weiter führte der Weg ins Lepradorf Khokana Touda. Zwar ist die schmerzhafte und tödliche Krankheit seit 40 Jahren heilbar, dennoch erkranken in Nepal heute noch viele Menschen daran – aufgrund fehlender Gesundheitsversorgung. Hier verschenkten sie Lese- und Sonnenbrillen samt handgenähten Etuis der „Nepaloma“. Darauf folgte ein Besuch in einer Schule in Kiripur.

Großer Demut herrschte beim Besuch der „Boudhanath Stupa“, der größten buddhistischen Gebetsstätte in Nepal, sowie im beeindruckenden „Thrupten Chaoling“-Kloster in 3.000 Meter Höhe. „Zuständig“ für dieses ist ein zehnjähriges Kind, genannt Rinponche, das dort als Heiligkeit angesehen wird. Lehrerin Franzi betonte: „Wir sind über 13 Stunden angereist, aber keiner hatte schlechte Laune. In den Pausen haben wir getanzt oder über Gott und die Welt gequatscht. Hoch oben feierten wir den Geburtstag von Ralf und durften sogar am Gebet im Kloster teilnehmen.

Im Rückblick ist Catherine Hofstetter tief beeindruckt vom Engagement ihrer Schülerinnen und Schüler, Kollegen und Begleiter: „Ich danke Euch von Herzen. Damit konnten wir für die Menschen so viel bewirken.“ So aufreibend die Reise mit ihren vielen Stationen und Eindrücken auch war – in den ruhigen Momenten war auch mal Zeit durchzuatmen. Der ehemalige Schüler Tim erinnerte sich besonders an das Haus von Mingurs Familie mitten in Kathmandu. „Hier saßen wir auf der wunderschönen Dachterrasse umgeben von Gebetsfahnen. Im Nachhinein ist mir aufgefallen: da warst du glücklich, da war einfach alles gut.“

Schon vor der Abreise hatte Catherine Hofstetter die Gruppe vorgewarnt: „Ihr werdet sehen. Wenn ihr das Land verlasst, werdet ihr alle weinen.“ Dass die Emotionen allerdings so stark sein würden – damit hatte wohl niemand gerechnet: „Begeisterte Freiwillige wie ihr seid das, was das Projekt in Zukunft braucht, um weiterzuleben und mit Leben gefüllt zu werden.“

Wer in Zukunft armen Kindern und Menschen ohne wirkliche Perspektive in Nepal helfen möchte, kann dies über das Paten-Programm der Mechernicher Gesamtschule tun. Möglich ist das mit 100 Euro pro Jahr, die eins zu eins den Menschen persönlich überreicht werden. Melden kann man sich dazu im Schulsekretariat entweder telefonisch unter (0 24 43) 3 10 11 30oder per Mail unter sekretariat@gesamtschule-mechernich.de.
Die Leben der Teilnehmenden sind nun, dank eines deutlich erweiterten Horizonts, nicht mehr wie zuvor. Aber was wünschen sie sich für die Menschen in Mechernich und ganz Deutschland? Kurzum: „Das wir endlich mal das wertschätzen, was wir haben. Sich weniger über unwichtige Dinge zu beschweren. Zueinander freundlich zu sein, einander anzulächeln, mehr Dankbarkeit zu zeigen, aufeinander zugehen und nicht allein zu lassen.“
pp/Agentur ProfiPress