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Vom Bleiberg nach Benin

Bochumer Forscher belegt, dass das Metall für die berühmten afrikanischen Benin-Bronzen aus dem Rheinland stammt –Eine wesentliche Zutat: Mechernicher Blei 

Mechernich/Bochum – Kurz vor Weihnachten hatte Henriette Reker einen Termin mit nationaler und internationaler Tragweite. Im Rautenstrauch-Joest-Museum empfing Kölns Oberbürgermeisterin den Generaldirektor der „National Commission for Museums und Monuments“ Nigerias, Abba Isa Tijani. Gemeinsam unterzeichneten sie eine Vereinbarung, die die Rückgabe von 92 Benin-Bronzen aus dem Kölner Museum für die Kulturen der Welt an Nigeria regelt.

Durch seine wissenschaftlichen Analysen konnte der Geochemiker Dr. Tobias Skowronek nachweisen, dass das Metall für die berühmten Benin-Bronzen aus dem Rheinland stammt. Eine wesentliche Zutat: Mechernicher Blei. Links unter dem Bohrer ist eine hufeisenförmige Manille zu sehen. Foto: Tobias Skowronek/pp/Agentur ProfiPress
Durch seine wissenschaftlichen Analysen konnte der Geochemiker Dr. Tobias Skowronek nachweisen, dass das Metall für die berühmten Benin-Bronzen aus dem Rheinland stammt. Eine wesentliche Zutat: Mechernicher Blei. Links unter dem Bohrer ist eine hufeisenförmige Manille zu sehen. Foto: Tobias Skowronek/pp/Agentur ProfiPress

Aber was hat das jetzt mit Mechernich zu tun? Einiges. Denn eine kürzlich veröffentlichte Analyse eines Forscherteams um den Bochumer Geochemiker Dr. Tobias Skowronek offenbart, dass das Metall für die berühmten Benin-Bronzen aus dem Rheinland stammt. Eine wesentliche Zutat: Mechernicher Blei. Das hat den Weg ebenso in die Messing-Legierung gefunden, wie Blei aus Stolberg, Rescheid oder Bad Münstereifel.

„In 80 Prozent der Benin-Bronzen ist Blei aus Stolberg oder Mechernich enthalten“, sagt Dr. Tobias Skowronek im Gespräch mit dem Mechernicher Bürgerbrief. Der Wissenschaftler der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum war während seiner Promotion auf das Thema gestoßen, weil er in verschiedenen historischen Schriftstücken auf den Begriff Manillen gestoßen war.

Hufeisenförmige Messingringe

Seine Neugier war geweckt und er beschäftigte sich intensiver mit diesen hufeisenförmigen Messingringen, die bis zum 18. Jahrhundert im Rheinland gegossen wurden und für den Export nach Afrika bestimmt waren. Dort dienten sie einerseits als Währung für Sklavenhändler und andererseits als Rohmaterial für die berühmten Metalltafeln und Skulpturen, die im Königreich Benin, dem heutigen Nigeria, hergestellt wurden. 67 dieser Manillen hat Dr. Tobias Skowronek mit seinem Team analysiert. Indem die Forscher die Blei-Isotopen-Anteile untersuchten, so etwas wie ein chemischer Fingerabdruck, konnten sie zwei bedeutende Erkenntnisse gewinnen.

Mechernich kann auf eine jahrhundertealte Bergbautradition zurückblicken. Die Blüteperiode setzte ab Mitte des 15. Jahrhunderts ein. Archivfoto: pp/Agentur ProfiPress
Mechernich kann auf eine jahrhundertealte Bergbautradition zurückblicken. Die Blüteperiode setzte ab Mitte des 15. Jahrhunderts ein. Archivfoto: pp/Agentur ProfiPress

Erstens zeigte sich, dass viele der bis zum 18. Jahrhundert hergestellten Manillen ähnliche Anteile von Blei-Isotopen enthalten wie die Benin-Bronzen. Daraus schließen Tobias Skowronek und seine Kollegen, dass die Manillen tatsächlich der Haupt-Rohstoff für die Bronzen gewesen sein müssen.

Erstmals nachgewiesen

Zweite Erkenntnis: Das Messing stimmte in seinen Blei-Isotopen erstaunlich gut mit Erzen und Messing aus dem Rheinland überein.   „Damit belegen wir etwas völlig Unerwartetes: Das Messing der meisterhaften Benin-Kunstwerke stammte nicht aus Großbritannien oder Flandern, wie lange angenommen, sondern aus dem Westen Deutschlands“, wird der Bochumer Geochemiker von wissenschaft.de zitiert. Dies sei das erste Mal, dass diese Verbindung wissenschaftlich belegt werde.

Dieser Gedenkkopf einer Königinmutter wurde in Köln präsentiert, als die Eigentumsübertragung der Benin-Bronzen aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum an Nigeria unterzeichnet wurde. Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Unterzeichnung_Vereinbarung_zur_Eigentumsübertragung_Benin-Bronzen_der_Stadt_Köln_an_Nigeria-4653.jpg), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode
Dieser Gedenkkopf einer Königinmutter wurde in Köln präsentiert, als die Eigentumsübertragung der Benin-Bronzen aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum an Nigeria unterzeichnet wurde. Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Unterzeichnung_Vereinbarung_zur_Eigentumsübertragung_Benin-Bronzen_der_Stadt_Köln_an_Nigeria-4653.jpg), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Eigentlich erstaunlich. Denn die Benin-Bronzen sind weltberühmt. Seit dem 16. Jahrhundert schmückten die Metalltafeln und Skulpturen, mehrere Tausend an der Zahl, den Königspalast des Königreichs Benin. 1897 plünderte die britische Armee den Palast und brannte ihn nieder. Das Vereinigte Königreich verkaufte die Beutekunst nach Europa und Amerika. Über 1000 Objekte befinden sich in deutschen Museen, die meisten davon in Berlin.

Erst im vergangenen Jahr unterzeichneten Deutschland und Nigeria ein Abkommen zur Rückgabe der Benin-Bronzen. Damit befinden sich die Kunstwerke nun wieder in nigerianischem Eigentum. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker bezeichnete die Eigentumsübertragung als “Meilenstein in einer jahrzehntelangen, zähen Debatte um die Rückgabe von geraubter Kunst, mit nationaler und internationaler Bedeutung”. Drei der Kölner Kunstwerke wurden bereits im vergangenen Jahr an Nigeria zurückgegeben, weitere 52 sollen in diesem Jahr folgen. Einige Werke dürfen als Leihgabe in Köln bleiben­ – gerade einmal 60 Kilometer von Mechernich entfernt, dem Ort, wo vor etlichen Jahrhunderten das Blei für ihre Herstellung abgebaut wurde.

pp/Agentur ProfiPress