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„Nicht die Schläge, sondern das Training ist hart“

Irena Auer (31) stieg als einzige Frau aus dem Kreis Euskirchen bei der Mechernicher Fight Night als Kickboxerin in den Ring – Herausforderung: Drei Monate Vorbereitung mit täglichem Training für die berufstätige, alleinerziehende Mutter – Respekt vor dem Sport: „Egal wie gut du trainierst, ein Schlag kann alles zunichtemachen“

Mechernich – Beim Einmarsch in den Ring zum Song „Girlfight“ von Broke Valentine ist aus allen Ecken der Dreifach-Turnhalle in Mechernich Jubel für Irena Auer zu hören. Die 31-Jährige ist die einzige Frau aus dem Kreis Euskirchen, die bei der Fight Night als Kämpferin antritt. Von dem Jubel hört und sieht sie nichts: Nach drei Monaten täglichem Training und intensiver Vorbereitung ist die Kickboxerin maximal fokussiert, als sie in den Ring steigt. Ihre Gegnerin, die 16-jährige Yasmin Sterzer aus Beckum, geht noch in der ersten Runde – nach weniger als einer Minute Kampf – k.o..

Wieviel Kraft in den Schlägen von Irena Auer (links) steckt, lässt sich auf diesem Bild erahnen. Ihre Gegnerin Yasmin Sterzer ging noch in der ersten Runde – nach weniger als einer Minute Kampf – k.o.. Foto: Cybershot Studios/pp/Agentur ProfiPress
Wieviel Kraft in den Schlägen von Irena Auer (links) steckt, lässt sich auf diesem Bild erahnen. Ihre Gegnerin Yasmin Sterzer ging noch in der ersten Runde – nach weniger als einer Minute Kampf – k.o.. Foto: Cybershot Studios/pp/Agentur ProfiPress

„Als der Kampf abgebrochen wurde, habe ich mich tierisch gefreut“, erinnert sich Irena Auer. „Ich wusste, dass meine Beine sehr stark sind und habe mich mit Low Kicks auf die Oberschenkel konzentriert – bis sie nicht mehr stehen konnte. Aber ich hatte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.“

Kampf-Ansage per Video

Die vorige Video-Kampfansage der 16-Jährigen, in der sie mit voller Ausrüstung im Ring betont „Ich komme, um dich zu besiegen“, habe sie zwar nicht besonders ernst genommen, aber: „Ich habe vor der Sportart Respekt. Denn egal, wie gut du trainierst: Ein Schlag kann alles zunichtemachen.“ So geschehen bei ihrem Kämpfer-Kollegen Remo Arns bei der Mechernicher Fight Night. Ein Stück Tape, das sich am Handschuh gelockert hatte, verletzte ihn am Auge und beendete seinen Kampf frühzeitig.

Für Irena Auer war es der siebte Kampf als Kickboxerin – allerdings der erste nach 14 Jahren Pause. „Mit zwölf Jahren habe ich mit dem Kickboxen angefangen, als ich mit meiner Familie aus Metternich nach Euskirchen gezogen bin. Vorher hatte ich Gardetanz bei den Mini-Husaren in Metternich gemacht und wollte dann eine andere Sportart ausprobieren. Beim Kickboxen bin ich dann kleben geblieben“, erinnert sie sich.

Familiärer Umgang im Team

Das Besondere sei der familiäre Umgang im Energy Gym von Bakar Barakat (siebenfacher Weltmeister im Kick-, Thai- und MuayThaiboxen sowie K1-Weltmeister der World Boxing Union) in Euskirchen. Für das Energy Gym stieg Irena Auer auch als 14-Jährige erstmals in den Ring. Mit 17 Jahren kämpfte sie ihren vorerst letzten Kampf – damals ebenfalls in Mechernich. „Ich hatte damals die Möglichkeit, meine Gegnerin k.o. zu schlagen – aber ich konnte es einfach nicht. Am Ende ging der Kampf unentschieden aus, aber ich habe mich später so über mich selbst geärgert, dass nicht mehr an Kämpfen teilnehmen wollte.“

Glückliche Siegerin: Irena Auer trat als einzige Frau aus dem Kreis Euskirchen bei der Mechernicher Fight Night im Kickboxen an – und nahm den Sieg mit nach Hause. Foto: Cybershot Studios/pp/Agentur ProfiPress
Glückliche Siegerin: Irena Auer trat als einzige Frau aus dem Kreis Euskirchen bei der Mechernicher Fight Night im Kickboxen an – und nahm den Sieg mit nach Hause. Foto: Cybershot Studios/pp/Agentur ProfiPress

Als Irena Auer nach der Schule ein duales Studium zur Textilbetriebswirtin in Paderborn und Stuttgart begann, blieb keine Zeit mehr für das Training in Euskirchen. Zurück in der Heimat zog es sie später aber wieder zum Kickboxen, vor allem zum Kurs „Strong Women“ im Energy Gym unter Trainerin Sarah Haberland: Ein Kurs ausschließlich für Frauen und ohne Körperkontakt. Trainiert wird mit Schlagpolstern, den sogenannten Pratzen, um Schläge und Tritte zu trainieren. Das fordert Kraft und Ausdauer.

Hartes Training

„Vor allem Frauen sind von der Sportart Kickboxen oft schon im Vorhinein abgeschreckt, aber man sollte sich erst das Training angucken, bevor man urteilt. Bei uns sind nicht die Schläge, sondern das Training hart. Dafür merkt man aber auch schnell die Erfolge in Ausdauer und Kraft, denn beim Kickboxen wird der ganze Körper eingesetzt – und das muss auch so sein, denn wenn sich nur eine Lücke auftut, kriegst du vom Gegner eine rein.“

Mit den Erfolgen, so die 31-Jährige, wachse man aber auch immer mehr über sich hinaus, denn gerade als Frau bekomme man ein neues Bewusstsein für sich selbst – ein „Ich kann auch anders“. „Für das Selbstbewusstsein ist das von großer Bedeutung, wenn ich weiß: im schlimmsten Fall könnte ich mich verteidigen.“

Teamsport

Irena Auer trainiert inzwischen nicht nur im Frauen-Kurs, sondern auch in den gemischten Kickbox-Kursen – wo zu ihrem Bedauern meist nicht mal eine Handvoll Frauen vertreten sind. Das Training ist dabei sehr vielseitig – und ein Teamsport: gemeinsames Aufwärmen und dehnen, danach Kickbox-Übungen mit dem Partner oder der Pratze und abschließend noch ein paar Kraftübungen für Bauch, Beine und Po.

Maximal fokussiert zeigte sich Irena Auer beim Einmarsch in den Ring zum Song „Girlfight“ von Broke Valentine. Foto: Cybershot Studios/pp/Agentur ProfiPress

„Wir haben alle normale Jobs und müssen am nächsten Tag wieder zur Arbeit, da achten wir natürlich darauf, dass keiner mit einem blauen Auge aus dem Training kommt. Wer einen schlechten Tag hat und sich mal abreagieren möchte, kann dafür die Pratzen benutzen“, erzählt die 31-Jährige. Sie selbst führt als Area-Managerin bei Bugatti zwei Outlets in Bad Münstereifel und Montabaur.

Viel Zeit nach der Flut

Nach der Flutkatastrophe war für sie bei der Arbeit allerdings erstmal Stillstand angesagt. Der Bugatti-Store im City Outlet Bad Münstereifel musste komplett renoviert werden. Für die Area-Managerin bedeutete das über mehrere Monate viel Zeit zu Hause – und plötzlich viel Zeit für das Kickbox-Training. Damit entstand schließlich auch der Wunsch, wieder im Ring zu stehen.

Ihre Kollegen im Outlet unterstützten sie bei der Vorbereitung auf die Mechernicher Fight Night. „Sie haben sich viel Mühe gegeben, die Süßigkeiten vor mir zu verstecken. Und am Tag nach dem Kampf haben wir den verkaufsoffenen Sonntag mit einem gemeinsamen Frühstück begonnen – da konnte ich mit Waffeln und Kuchen dann alles nachholen“, grinst Irena Auer.

Beweglich wie ein Tanzmariechen

Tatsächlich war es für sie gar nicht so leicht, das Gewicht für ihre Gewichtsklasse zu halten, denn mit dem vielen Training verwandelte sie Fett in Muskelmasse – die bekanntlich schwerer ist. Ebenfalls von Nachteil für die mit 1,53 Metern eher kleine Kickboxerin: In der Gewichtsklasse zählt nur das Gewicht, nicht die Größe. „Meine Gegnerin war 13 Zentimeter größer. Damit sind ihre Arme und Beine nicht nur länger als meine, sondern ich muss auch viel mehr Kraft und Beweglichkeit aufwenden, um mit meinen Schlägen und Tritten ihren Kopf oder ihre Rippen zu erreichen, als umgekehrt.“

Irena Auer mit ihrer zehnjährigen Tochter Viona zu Hause. Die Vorbereitungszeit auf den Kampf war für die berufstätige, alleinerziehende Mutter eine fordernde Zeit. „Koordination hoch zehn“, bringt sie es auf den Punkt. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress
Irena Auer mit ihrer zehnjährigen Tochter Viona zu Hause. Die Vorbereitungszeit auf den Kampf war für die berufstätige, alleinerziehende Mutter eine fordernde Zeit. „Koordination hoch zehn“, bringt sie es auf den Punkt. Foto: Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress

Da kam Irena Auer allerdings der frühere Gardetanz zunutze: „Ich bin sehr gelenkig“, schmunzelt sie. Ebenfalls von Vorteil: „Aufgrund meiner Größe werde ich von vielen unterschätzt.“ Zu Unrecht, möchte man hinzufügen.

Mit Tochter Viona zum Training

Dennoch war die dreimonatige Vorbereitung eine fordernde Zeit für die berufstätige, alleinerziehende Mutter einer zehnjährigen Tochter. „Das ist Koordination hoch zehn“, bringt sie es auf den Punkt. Täglich ging es nach der Arbeit zum Training, Tochter Viona häufig mit dabei. „Kickboxen ist nichts für mich, aber ich konnte in der Halle Handstand üben für meinen Gardetanz bei den Palm Beach Girls. Oder ich habe dort gebastelt, zum Beispiel Weihnachtskarten“, erzählt die Grundschülerin.

Im Rückblick auf ihre ersten Kämpfe und nun ihr Comeback resümiert die 31-Jährige: „Ich habe heute die Risiken mehr vor Augen als früher, denn ich trage auch mehr Verantwortung – als Mutter und in meinem Job. Sonst würde ich vielleicht viel öfter in den Ring steigen.“

pp/Agentur ProfiPress