„Allianz“ zieht Bilanz
Jetzt schon ist eine „wunderbare Artenvielfalt“ auf den Borstgrasrasen-, Heiden und Bergmähwiesen entstanden – Von der EU mit 2,6 Millionen Euro gefördertes Life+-Projekt feierte in der Sistig-Krekeler Heide Zwischenresümee – Mit Unterstützung der Gemeinden Kall, Dahlem, Hellenthal, des Kreises sowie Bürgern und Landwirten umgesetzt
Kall-Sistig/Dahlem/Hellenthal/Eifel – Es zwitschert, flattert und blüht schon kräftig in der Krekeler Heide bei Sistig (Gemeinde Kall). Selten gewordene wie auch vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten fühlen sich dort bereits wieder heimisch. Zu verdanken ist das einem ganz außergewöhnlichen Projekt, der „Allianz für Borstgrasrasen“.
Mit 2,6 Millionen Euro EU-Fördermitteln und Mitteln des Kreises Euskirchen wurden in den drei Eifelkommunen Kall, Hellenthal und Dahlem 117 Hektar artenarme Flächen, größtenteils Fichtenmonokulturen, in naturnahe Borstgrasrasen-, Heiden- und Bergmähwiesen verwandelt. „Wir finden hier jetzt schon eine wunderbare Artenvielfalt vor“, sagte Stefan Meisberger, Geschäftsführer der Biologischen Station Euskirchen, jetzt bei einer Feierstunde im Sistiger Sportlerheim, wo Zwischenbilanz des Projektes gezogen wurde.
Förderung läuft noch bis 2019
Das Naturschutzprojekt läuft zwar erst Ende 2019 aus – doch die Verantwortlichen um das Projektteam Marietta Schmitz, Marita Müller-Ahrens und Karin Wagner haben schon einiges vorzuweisen. Heidelerche, Lungenenzian und auch der nordische Augentrost sind zurück. Der Klappertopf wachse schon zu zehntausenden Exemplaren auf den neu geschaffenen Flächen. Ebenso sind seltene Schmetterlinge und Heuschrecken gesichtet worden. Stefan Meisberger darf zurecht zufrieden festhalten: „Das sind herausragende Erfolge.“
Gestartet ist das Projekt 2011. Die gute und nachhaltige Zwischenbilanz des Projektes wurde bei zwei Exkursionen durch die Sistig-Krekeler Heide und anschließend im Sportlerheim des SV Sistig/Krekel mit rund 80 Gästen gefeiert.
Überzeugungsarbeit war gefragt
Am Anfang standen erhebliche Schwierigkeiten. Es musste viel Überzeugungsarbeit für das Vorhaben geleistet werden, denn nicht allen gefiel die Vorstellung, ertragreiche Fichtenwälder für Wiesen und Weiden abzuholzen. Doch inzwischen ist die anfängliche Skepsis einer Begeisterung angesichts der bereits sicht- und greifbaren Ergebnisse gewichen.
117 Hektar kommunale Forstflächen sind zurückverwandelt worden in Borstgrasrasen, Heiden und Bergmähwiesen. Hubert Kaiser, Abteilungsleiter Forsten und Naturschutz im NRW-Ministerium macht deutlich: „NRW-weit gibt es vom Borstgrasrasen nur 320 Hektar!“
Die neuen ökologisch hochwertigen Freilandflächen liegen nicht allein auf Kaller Hoheitsgebiet. Weitere FFH-Gebiete (FFH = Fauna, Flora Habitat, das sind besonders unter Schutz gestellte Flächen von europäischer Bedeutung) in der nordrhein-westfälischen Eifel gehören dazu: wie Manscheider Bachtal und Paulushof, Baasemer Wald, Heidemoor östlich von Dahlem sowie die Dahlemer Binz.
Federführend für die Wiederherstellung dieser besonders gefährdeten Lebensraumtypen war die Biologische Station im Kreis Euskirchen mit den drei Gemeinden Hellenthal, Kall und Dahlem. Prof. Dr. Wolfgang Schumacher, der Vorreiter des Naturschutzes in der Eifel sowie Meisbergers Vorgänger Dieter Pasch hatten früh erkannt hat, welches Potential die Flächen unter Fichten bieten und das Projekt initiiert.
Projektverantwortliche stolz auf das Erreichte
Alle Flächen der FFH-Gebiete konnten bereits an Landwirte verpachtet werden. Sie bewirtschaften diese Flächen extensiv, also ohne den Einsatz von Dünger, mit zurückhaltender, die Vegetationsentwicklung nicht drastisch beschneidender Mahd und flächenschonendem Weideviehbesatz. Im Einsatz sind Rauhaarige Pommersche Landschafe, Moorschnucken und Ziegen, aber auch Pferde und Rinder.
Die „Allianz“ leistet einen großen Beitrag zum Erhalt der Eifeler Kulturlandschaft, die einst die Region bestimmte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie durch Nadelholzaufforstungen zurückgedrängt, die wirtschaftlich lukrativer waren.
Biostationsleiter Meisberger berichtete von der aufwendigen und sorgfältigen Umwandlung der Flächen. Teilweise musste man sich wegen Büschen und Bäumen von Hand vorarbeiten, Ehrenamtler packten mit an, Rückepferde schleppten in besonders feuchten Gebieten die gefällten Baumstämme bodenschonend heraus. Um der Natur eine Starthilfe zu geben, wurden Samen der gewünschten Flora ausgesät.
Neben der ökologischen Aufwertung der Gebiete habe das Landschaftsbild gewonnen, freut sich Meisberger. Ein mit der Sistiger Dorfgemeinschaft aufbereiteter Rundweg führt naturschonend durch die lebendige Kulturlandschaft. Von Bänken aus kann der Blick weit ins Land schweifen.
„Hervorragendes Naherholungsgebiet“
Auch Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser ist stolz auf das Kleinod in seiner Gemeinde: „Damit ist nicht zuletzt auch für die Bürger ein hervorragendes Naherholungsgebiet geschaffen worden.“ Moderator Manfred Lang, der unterhaltsam durch das Programm führte, brachte es auf den Punkt: „Das ist ein Juwel, was hier erschaffen worden ist.“
Welch unglaubliche Artenvielfalt eine intakte und im Gleichgewicht befindliche Natur bieten kann, machte Barbara Geiger alias „Fräulein Brehm“ in einem schauspielerisch unterhaltsamen Plädoyer für die „wilde Biene“ deutlich. Schließlich ist längst nicht – wie man vielleicht gemeinhin denkt – Biene gleich Biene. „Genau 19.844 Bienenarten hat die Wissenschaft bis jetzt beschrieben – und es fehlen immer noch tausende!“, so Barbara Geiger in ihrem heftig beklatschten Programm „Fräulein Brehms Tierleben“.
Eine solch atemberaubende Vielfalt in der Tierwelt gelte es zu erhalten, so Landrat Günter Rosenke. Nicht nur heute, sondern für die Zukunft der Kinder und Kindeskinder. Die Verantwortlichen wollen weiterhin alles dafür tun und das Projekt fortführen. Besonderer Dank galt dabei den Projektmanagerinnen Marietta Schmitz und Martina Müller-Ahrens, die auch in den kommenden Jahren konsequent am Ball bleiben wollen.
pp/Agentur ProfiPress