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Massenandrang auf dem Kahlenbusch

„Tage nach der Ernte“ zogen am Wochenende wieder Zehntausende aus dem ganzen Rheinland an – 320 Mitwirkende an Buden, Ständen und bei Arbeitsdemonstrationen – Dreschmaschine und die meisten Fahrviehgespanne und historischen Traktoren fehlten diesmal

Mechernich-Kommern – „Nur wer im Sommer Kappes klaut, der hat im Winter Sauerkraut“: Dass es mit dem Stehlen, Kaufen oder selbst dem Eigenanbau von Weißkohlköpfen im Garten nicht getan ist, kann man Jahr für Jahr an den „Tagen nach der Ernte“ im Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern mit eigenen Augen sehen.

Zahlenmäßig nur noch ein Schatten früherer Ackerwagen- und Traktorkorsos bei den „Tagen nach der Ernte“ im LVR-Freilichtmuseum Kommern verlor sich im Vorführring in der Baugruppe Niederrhein: Hoch mit Weizen beladene Ackerwagen und dazwischen eine Postkutsche vermittelten ein romantisches Bild aus alten Tagen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Zahlenmäßig nur noch ein Schatten früherer Ackerwagen- und Traktorkorsos bei den „Tagen nach der Ernte“ im LVR-Freilichtmuseum Kommern verlor sich im Vorführring in der Baugruppe Niederrhein: Hoch mit Weizen beladene Ackerwagen und dazwischen eine Postkutsche vermittelten ein romantisches Bild aus alten Tagen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Dort demonstrierten auch am vergangenen Wochenende Hauswirtschafterinnen der „Living History“ der Museumscrew das Schälen, Vierteln, Schaben auf der „Kappesschaaf“, in Steingutfässer füllen, Stampfen, Salzen, mit Wacholderbeeren würzen und Abdecken mit Steingutplatten und schweren Feldsteinen. Und nicht nur der Städter sah: Kappes machen ist nicht nur schweißtreibend, sondern auch eine Kunst.

Das Gleiche gilt für die Getreideernte, das Dreschen, Reinigen mit Windfege und Wanne, das Mahlen und Backen, das Flachsbrechen, die Dörre, Äpfel dörren und Mus kochen, die Weinkelter, den Gebrauch von Arbeits- und Fahrvieh und das Instandhalten der Arbeitsmittel und Ackergeräte. Man bekommt auf dem Kommerner Kahlenbusch seit mehr als 20 Jahren bei den „Tagen nach der Ernte“ ein Gefühl dafür, nicht wie romantisch und idyllisch allein, sondern wie arbeitsreich und mühselig sich das Selbstversorgerdasein der Vorfahren einst abspielte.

Das ganze Rheinland war vertreten

Der Publikumsandrang zumindest am Sonntag war gigantisch. Bereits eine Stunde vor dem Vieh- und Traktorkorso durch die Museumsstraßen füllte sich der steilhangabwärts gelegene Parkplatz des Museums in Richtung Eicks mit Autos aus dem ganzen Rheinland, wie die Nummernschilder belegten: BM, MG, BN, jede Menge K, D, GL, SU und natürlich auch AW und EU. Wiesen neben dem geteerten Parkareal mussten in Anspruch genommen werden – und doch bildete sich ein Rückstau auf der B 266 bis zur Autobahnabfahrt Wißkirchen.

Zehntausende wollten das Spektakel sehen, das insgesamt 70 Darsteller boten und sich an Buden und Ständen selbst mit Ess- und Trinkbarem versorgten und für zu Hause einkauften. Und das alles bei buchstäblichem Kaiserwetter. In Kommern herrschte am Wochenende Altweibersommer. Es wurden historische Spiele für Kinder angeboten, Mühlen in Aktion gezeigt, Erntewagen hochbeladen und durchs Museum kutschiert.

Keine Zirkusnummer, sondern historische Ernsthaftigkeit: Der Einsatz von „Arbeitsziegen“ reicht weit in die Geschichte zurück. Schon der Streitwagen des germanischen Donnergotts Thor soll von zwei Ziegenböcken namens Tanngnjostr (Zähneknisterer) und Tanngrisnir (Zähneknirscher) gezogen worden sein. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Keine Zirkusnummer, sondern historische Ernsthaftigkeit: Der Einsatz von „Arbeitsziegen“ reicht weit in die Geschichte zurück. Schon der Streitwagen des germanischen Donnergotts Thor soll von zwei Ziegenböcken namens Tanngnjostr (Zähneknisterer) und Tanngrisnir (Zähneknirscher) gezogen worden sein. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Altmuseumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich aus Eschweiler über Feld gab dazu im Rondell am Niederrheindorf über Lautsprecher fach- und sachkundige Kommentare, Museumschef Dr. Carsten Vorwig dankte den ehrenamtlichen Akteuren aus dem rheinischen Umland, die den Landschaftsverband Rheinland seit Jahrzehnten bei seinen Großaktionstagen nach Kräften unterstützen und mit Fahrkühen, Pferden, Geschirr und Wagen und alten Traktoren und sogar einem Ziegengespann zur Stelle waren und sind.

Der wissenschaftliche Referent Daniel Manner gab der Presse seine Einschätzung der ganzen Veranstaltung mit folgenden Worten preis: „Der Aktionstag nach der Ernte ist wie viele andere Museumsveranstaltungen sehr traditionsbehaftet.“ Und: „Dabei passt das Angebot dieses Tages perfekt zu den Voraussetzungen, die wir in den einzelnen Baugruppen vorfinden. Wir können überall die zur entsprechenden Zeit angefallenen täglichen Arbeiten abbilden und somit unseren Besuchern mit gespielter Geschichte einen noch tieferen Einblick in das Leben der Menschen damals bieten.“

Übereifrige Gängelei

70 Darsteller wurden aufgeboten und 250 Akteure hinter den Kulissen sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Die Stimmung war schön und gelassen – bis auf die Gängelei, die einige übereifrige Mitarbeiter verbreiteten. Und die Besucher schroff in ihre Schranken wiesen, wenn sie sich in abgesperrte Winkel drängten, ein schattiges Plätzchen für ihre Mahlzeit suchten oder vor einer Flachsdemonstration auf Bänken Platz nahmen, die erst eine halbe Stunde später beginnen sollte. Man spürt zuweilen noch immer, dass das Rheinland mal zu Preußen gehörte…

Der Korso der Kaltblutpferde und Zugochsen zog nicht nur, aber auch die kleinen Besucher in seinen Bann: „Guck mal, Papa, wie riesig die Ackergäule sind“, staunte der elfjährige Luca und wandte sich mit fragendem Blick an seinen Vater. „Wie kann man die denn überhaupt steuern?“

„Wir sind heute mit der ganzen Familie nach Kommern gekommen, um den Tag nach der Ernte mitzuerleben“, berichtete Claudia Nießen dem Reporter der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft, die im Kreis Euskirchen „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnische Rundschau“ mit Bildern und Texten versorgt: „Die Schwiegereltern sind genauso mit dabei wie unsere eigenen Kinder und alle drei Generationen haben schon viel gesehen, was uns gefällt.“

Altmuseumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich (r.) moderierte, Museumschef Dr. Carsten Vorwig dankte den ehrenamtlichen Akteuren aus dem rheinischen Umland, die den Landschaftsverband Rheinland seit Jahrzehnten bei seinen Großaktionstagen unterstützen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Altmuseumslandwirt Karl-Heinz Hucklenbroich (r.) moderierte, Museumschef Dr. Carsten Vorwig dankte den ehrenamtlichen Akteuren aus dem rheinischen Umland, die den Landschaftsverband Rheinland seit Jahrzehnten bei seinen Großaktionstagen unterstützen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Man konnte aber nicht nur den über die Jahrzehnte stark geschrumpften Demonstrationspunkten mit Ernte- und Haltbarmachungsarbeiten zusehen, sondern auch Handwerksvorführungen von Steinmetzin Ulrike Glaubitz, Hauswirtschafterin Jenny Zimmermann, Museumsschmied Dieter Knoll, Korbflechterin Andrea Schulz-Wild, Stellmacher, Drechsler und Mausefallenmacherin.

Auch Berufsgruppen, die heute fast vollständig in Vergessenheit geraten sind, präsentierten ihr altes Handwerk. Zum Beispiel die Garnbleicher aus Langenfeld, die schon seit 20 Jahren zum festen Repertoire gehören und früher wochenlang damit beschäftigt waren, das Garn feucht zu halten und in der Sonne bleichen zu lassen, so Obermeister Gerhard Constapel.

Mit Hilfe einer Art Wasserwurfschaufel, „Güte“ genannt, schleuderten sie das Wasser über eine Fläche, das wie ein feiner Sprühregen auf das Garn fiel: „Dieses Verfahren ist zwar deutlich zeitaufwendiger, kommt dafür aber ohne den Einsatz von Chemikalien ans Ziel.“

„Selbst einen Gärtopf gekauft“

Die Schwestern Frederike Meylahn-Platz und Annette Meylahn zeigten den Museumsbesuchern am Wochenende die Arbeitsschritte zur Herstellung von Sauerkraut. Die durch das Salz entzogene Flüssigkeit lässt den geschabten Kohl im eigenen Saft und den dabei entstehenden Milchsäurebakterien fermentieren: „Das Steingutfass wurde beschwert und mit Tüchern abgedeckt, die wochenlang jeden Tag erneuert werden mussten.“

„Staatse Päerd“, stattliche Kaltblüter, waren auch bei den „Tagen nach der Ernte“ 2024 auf dem Kommerner Kahlenbusch im Zugeinsatz: Brabanter, Ardenner, Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
„Staatse Päerd“, stattliche Kaltblüter, waren auch bei den „Tagen nach der Ernte“ 2024 auf dem Kommerner Kahlenbusch im Zugeinsatz: Brabanter, Ardenner, Rheinisch-Deutsches Kaltblut. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Manche Zeitgenossen belassen es bei den „Tagen nach der Ernte“ in Kommern nicht beim Zuschauen, sondern haben sich längst aufs Nachahmen verlegt, wie Susanne Früchtl dem Reporter berichtete: „Ich habe mir vor drei Jahren selbst einen Gärtopf gekauft und versuche seitdem, meine selbst angebauten Bohnen und Weißkohl darin zu fermentieren.“ Das sei nicht nur gesünder, sondern auch besser für die Umwelt …

Fazit in den Tageszeitungen: „Ob bei den kräftigen Rückepferden, den zahlreichen Handwerkern oder einem aus mehr als 50 Ständen bestehenden Bauernmarkt bot sich den tausenden Besuchern im Freilichtmuseum erneut ein eindrucksvoller Einblick in das Leben und Wirken der Menschen in der Region der vergangenen Zeiten.“

pp/Agentur ProfiPress