Jetzt drohen die roten Zahlen…
…aber es wird die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH nicht umhauen: Zeitungsinterview mit den Geschäftsführern Martin Milde und Thorsten Schütze kündet von verhaltenem Optimismus und Selbstvertrauen: Auch für den Fachkräftemangel gibt es eigene Lösungsmodelle
Mechernich – In einem Interview mit der Mechernicher Kreiskrankenhaus-Geschäftsführung versucht die Rundschau- und Stadt-Anzeiger-Redakteurin Ramona Hammes Licht ins Zukunftsdunkel der Eifeler und Voreifeler Kliniklandschaft zu bringen. Tenor: Man weiß es nicht genau, was kommt, aber das Kreiskrankenhaus Mechernich ist für die Region unerlässlich.
Und die beiden Geschäftsführer, der aus Mechernich-Bleibuir stammende Martin Milde (49) und der in Dortmund geborene Thorsten Schütze (40) sind zuversichtlich. Aber die Zukunftsfrage wird nicht vor Ort bestimmt, sondern am grünen Tisch, zum Beispiel von den Gesundheitsministern Laumann (NRW) und Prof. Lauterbach (Bund) und ihren Stäben.
Die beiden im Stadtgebiet Mechernich erscheinenden Kölner Tageszeitungen eröffnen ihre diesbezügliche Berichterstattung über die Zukunft des Mechernicher Krankenhauses deshalb mit einem Wortspiel um die beiden Ministernamen: „Laumann oder Lauterbach? Laumann und Lauterbach? Laumann gegen Lauterbach?“
Von einer „Gemengelage in der Krankenhausplanung“ ist die Rede: Über den richtigen Weg stritten Landes- und Bundesgesundheitsministerium, während mittendrin die Kliniken finanzielle und personelle Sorgen plagen. „Die eigentliche Krankenhausplanung sowie die Finanzierung der Infrastruktur liegen in der Hand der Länder“, schreibt Ramona Hammes: Behandlung und Betriebskosten werden über Fallpauschalen auf Bundesebene ausgehandelt.
Fallpauschalen hätten dazu geführt, so die Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde und Thorsten Schütze, dass die Kliniken immer mehr Fälle behandelt und sich neue Betätigungsfelder gesucht hätten, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. In Ballungszentren mache heute „fast jede Klinik alles“.
Regionale Absprachen sinnvoll
Schütze, der vor Mechernich im Großraum Bonn für Kliniken zuständig war, sagte in einem dem jetzigen Zeitungsinterview vorangegangenen Gespräch mit dem Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick: „Acht Bonner Kliniken verfügen jeweils über fast das gleiche Angebot und haben alle eine Innere Abteilung und Unfallchirurgie – das ist Quatsch“.
Regionale Absprachen, wer von benachbarten Kliniken welche medizinische Disziplin anbietet, seien sinnvoll und wichtig: „Wirtschaftlich profitieren dann alle davon!“ Das gelte auch für Absprachen zwischen Kreiskrankenhaus GmbH Mechernich und dem Euskirchener Marienhospital, sagten die Krankenhausgeschäftsführer Mechernichs Bürgermeister Dr. Schick. Thorsten Schütze erklärte, unter dem Strich bleibe durch clevere Aufgabenteilung ein Gesamtkonstrukt finanzierbar, das den heilungsbedürftigen Menschen vor Ort diene.
Krankenhäuser seien auch für NRW-Minister Karl-Josef Laumann eine Einrichtung der Daseinsvorsorge, so der aktuelle Tageszeitungsbericht. Sie dürften mithin keinem „ruinösen Wettbewerb um Patienten, Fallzahlen, Ärzte und Pflegepersonal“ ausgesetzt werden, schlussfolgert die Autorin. Die „Plangröße Bett“ solle nicht mehr die Grundlage aller Berechnungen bilden.
Das sehe auch der 2022 vorgestellte NRW-Krankenhausplan vor, für den derzeit regionale Konzepte erarbeitet werden. Laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnischer Rundschau“ sollen 64 Leistungsgruppen die Basis künftiger Berechnungsmodelle bilden. Sichergestellt werden soll die wohnortnahe Versorgung bei den gängigen Krankheiten inklusive Intensivmedizin.
In 20 Minuten auf dem OP-Tisch
Für hoch spezialisierte Behandlungen wie Transplantationen müssen auch heute bereits längere Wege in Kauf genommen werden. Chirurgie und Innere sollen für 90 Prozent der Bevölkerung in 20 Minuten Autofahrt erreichbar bleiben, Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin in 40 Minuten.
Die Mechernicher Geschäftsführer Milde und Schütze gingen im Gespräch mit Ramona Hammes davon aus, dass sich in ihren Krankenhäusern in Mechernich (418 Betten) und Schleiden (105) nichts Gravierendes ändern wird. Die Leistungen, die bislang erbracht werden, seien auch nach den neuen Leistungsgruppen beantragt worden.
Es sei nicht damit zu rechnen, dass das Angebot zusammengestrichen wird. „Was wir erbringen, ist wichtig für die Versorgung im Kreis. Und was wir machen, machen wir gut“, betonte der aus Mechernich-Bleibuir stammende Martin Milde.
Ramona Rammes schreibt, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs Ende 2022 gemachte Aussagen über „billige Medizin“ zum Zwecke der Gewinnmaximierung trieben auch den Mechernicher Krankenhauschefs die Zornesröte ins Gesicht. „Das ist eine bodenlose Unverschämtheit“, sagte Milde laut Zeitungstext. Und „nach drei Jahren Corona … ein Schlag ins Gesicht jeder Pflegekraft und jedes Arztes“.
Andererseits stimmten Milde und Schütze mit dem Bundesminister überein, dass die Kliniken derzeit stark „von der Ökonomie getrieben sind“ und „dass das Fallpauschalen-System nach 20 Jahren am Ende ist“. Die Berufsfeuerwehr werde ja auch nicht nach Zahl der Brände bezahlt, die sie löscht, argumentiert Thorsten Schütze: „Aber wir bekommen nur Geld für jeden Patienten, den wir aufnehmen.“ Und nicht für das, was die Klinik für den zu jeder Tages- und Nachtzeit vorstellbaren Notfall bereithält.
Vorhaltepauschale für Fixkosten
In drei Corona-Jahren konnten in Mechernich und Schleiden 15 Prozent weniger stationäre Patienten aufgenommen werden, heißt es im Interview, was allerdings durch Ausgleichszahlungen andererseits wieder ausgeglichen wurde, wie an anderer Stelle steht.
Unabhängig von der Patientenzahl gleichbleibende Fixkosten sollen in Zukunft berücksichtigt werden. Schütze und Milde begrüßen solche „Vorhaltepauschalen“ natürlich. Sie fragen sich allerdings, wie hoch der Fixkostenanteil sein wird. Die Autorin nennt 40 oder 60 Prozent der Gesamtkosten als Beispiele. Bei der Geburtshilfe oder der Kinder- und Jugendmedizin müsse es noch mehr sein, beteuert Schütze.
2020 und 2021 habe die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH eine „gute schwarze Null“ (Milde) erzielt – trotz Corona und dank Corona, da es „Freihaltepauschalen“ gab für Betten, die leer blieben. Doch diese Pauschale gebe es seit April 2022 nicht mehr, die Bilanz rutsche in die roten Zahlen. Wie hoch die sind, vermochte Martin Milde zwar wegen fehlender Abschlüsse noch nicht zu sagen. Aber „es wird uns nicht umwerfen“, so der Ex-Bleibuirer.
„Nein, der Pleitegeier kreist nicht über dem Kreiskrankenhaus“, schlussfolgert die federführende Redakteurin der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft in Schleiden-Gemünd. Der Agentur ProfiPress sagte Martin Milde unlängst im Interview, es müsse „ganz klar das Ziel sein, dass wir nach wie vor der kompetente und regionale Ansprechpartner bleiben, wenn es um die Notfallversorgung und generelle medizinische Versorgung hier im Kreis Euskirchen geht“.
Der ländliche Raum soll in der Krankenhausplanung des Landes daher auch einen besonderen Stellenwert einnehmen, damit die Wege kurz bleiben. Milde: „Als ich 2020 nach Mechernich gekommen bin, habe ich immer gesagt: Wenn man hierzulande über Medizin und Pflege spricht, dann muss man über uns sprechen. Das tut man und das wird auch so bleiben!“
Dabei kann die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH von der in den vergangenen Jahrzehnten auf- und ausgebauten Infrastruktur zehren. Ein Ruhekissen sei das aber nicht, so die Tageszeitungen. Etwa eine Million Euro erhalte das Unternehmen jeweils als „Baupauschale“ und als Pauschale für neue Apparate. Doch allein der im Sommer 2022 in Betrieb genommene Links-Herzkatheter-Messplatz habe 1,8 Millionen Euro verschlungen.
20 Prozent Kliniken pleitebedroht
Martin Milde sagte Ramona Hammes, die Forderung aus Mechernich sei klar: „Die Länder müssen ihrer Pflicht zur auskömmlichen Finanzierung der Infrastruktur nachkommen.“ Es müsse dringend mehr Geld in „das chronisch unterfinanzierte System fließen“. 96 Prozent der Kliniken könnten ihre Ausgaben laut Deutscher Krankenhausgesellschaft nicht mehr aus den laufenden Einnahmen finanzieren.
Es drohe eine Insolvenzwelle, von der bis zu 20 Prozent der Kliniken bundesweit bedroht sein könnten. Im Nachbarkreis Düren hätten die Nordkreis-Kliniken im November bereits Insolvenz angemeldet, heißt es in der „Kölnischen Rundschau“ und im „Kölner Stadt-Anzeiger“: Das Krankenhaus in Linnich sei Ende März geschlossen worden, das in Jülich habe die Stadt übernommen.
NRW-Gesundheitsminister Laumann habe angekündigt, 2,5 Milliarden Euro bis 2027 in die Umsetzung des Krankenhausplans stecken zu wollen – die Kritik der Opposition, dass das nicht reiche, habe nicht lange auf sich warten lassen. Vonseiten des Bundes sei in Sachen Finanzen noch nichts verlautbart, heißt es weiter im Bericht.
Milde und Schütze gehen laut Interviewäußerungen davon aus, dass nach Abschluss der Regionalplanungen etwa im Mai bis spätestens Ende des Jahres die Feststellungsbescheide vom Land vorliegen und Planungssicherheit herrscht. Und zum 1. Januar 2024 soll Bundesgesundheitsminister Lauterbachs Reform in Kraft treten.
Ronald Larmann, der stellvertretende Leiter der Mechernicher Public-Relations-Agentur ProfiPress, fragte Martin Milde und Thorsten Schütze unlängst nach ihren Wünschen an die ausstehende Reform. Martin Milde antwortete: „Der erste Wunsch ist eindeutig der, dass wir unbedingt eine auskömmliche Finanzierung benötigen – wie auch immer sie aussehen mag. Wegen mir eine Kombination aus bezahlten Vorhaltekosten und Fallpauschalen.“
Das helfe aber kurzfristig überhaupt nicht, so Milde, weil die Umsetzung dauern werde, aber gleichzeitig die Zeit drängt: „Wir benötigen dringend ein Soforthilfeprogramm für die Krankenhäuser, sonst ist am Ende nichts mehr da, was man reformieren könnten.“
Thorsten Schütze: „Wunsch zwei ist das Thema Notfallversorgung: Das kommt im Reformkonzept definitiv zu kurz. Die Rettungsdienste verteilen die stationären Patienten nach klaren Regeln auf die Krankenhäuser. Aber die ambulanten Patienten haben die freie Wahl, so dass bei uns ernste Notfälle ebenso vorstellig werden, wie Patienten mit leichteren Symptomen, für die eine ambulante Versorgung ausreichen würde. Das führt zu langen Wartezeiten, die alle Beteiligten frustriert. Auch hierauf sollten die Reformpläne Antworten liefern.“
Dokumentation statt praktischer Arbeit
Außerdem bedürfe es auf dem Krankenhausektor einer „massiven Entbürokratisierung“, so die beiden Krankenhausgeschäftsführer im Gespräch mit Ronald Larmann. Thorsten Schütze: „Wir haben ausgerechnet, dass aktuell rund 40 Prozent der Arbeitszeit von Ärzten und Pflegekräften rein für Dokumentationen aufgewendet wird. Leider ist mit jedem Gesetz in den vergangenen fünf Jahren immer mehr Bürokratie hinzugekommen. Man könnte die Chance der Reform jetzt nutzen, zu entbürokratisieren.“
Die Mitarbeiter seien „doch nicht in die Pflege gegangen oder Arzt geworden, um digital zu dokumentieren, sie möchten sich um die Patienten kümmern“, so Schütze. Martin Milde ergänzte gegenüber ProfiPress: „Wenn wir die Dokumentationszeit von 40 auf 20 Prozent reduzieren könnten, dann hätten wir in Mechernich mit einem Schlag 60 Pflegekräfte und 25 Ärzte mehr am Patienten!“
Die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH bietet ambulante und stationäre Versorgung in den Krankenhäusern Mechernich und Schleiden sowie ambulante Versorgung im Ambulanten Operationszentrum Zülpich (AOPZ), Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) an der Olefmündung und bei den Eifelkids – Ambulante Kinderkrankenpflege.
Zudem gehören das Geriatrische Zentrum Zülpich, die Liebfrauenhof Schleiden GmbH und der Vivant-Pflegdienst zum Konzern. Rund 200 Ärzte und 900 Mitarbeiter im Pflege- und Funktionsdienst gehören zu den insgesamt rund 1.900 Mitarbeitern. Der Konzern verfügt über 523 Krankenhausbetten. Jährlich werden rund 26.000 Patienten stationär und etwa 47.000 Patienten ambulant behandelt. Die hauseigene Schule für Pflegeberufe wurde für 120 Ausbildungsplätze ausgebaut. Der Umsatz des Unternehmens beläuft sich auf 137 Millionen Euro p.a.
Geleitet wird die Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH von Martin Milde (49) seit 1.1. 2020 und Thorsten Schütze (40). Ramona Hammes schreibt in ihrem Interview, dass sich die Kreisklinik zuweilen externer Honorarkräfte aus diversen Agenturen bedient, um temporären Fachkräftemangel auszugleichen. Das sei „irre teuer“, so Thorsten Schütze, und: „Die Kräfte kennen unser Haus nicht, sie haben keine Bindung dazu.“
Flexibel sein zu festen Zeiten
Abhilfe schaffen will die Kreiskrankenhaus GmbH mit einem „Flexpool“, der im Sommer an den Start gehen soll. Rund hundert Kräfte wolle man dafür gewinnen, schreiben die Eifeler Lokalausgaben der Kölner Tageszeitungen – „und auch welche zurückgewinnen, die wegen der Arbeitszeiten den Klinik-Sektor verlassen haben.“
Es gebe Menschen, die nicht im Schichtmodell arbeiten können oder wollen. Für „Flexpool“-Mitarbeiter sollen deshalb feste Arbeitszeiten vereinbart werden. Die Einsatzorte innerhalb des Krankenhauses sind dafür flexibel. Es soll aber keiner ins kalte Wasser geworfen werden und auf einer Station arbeiten, die er oder sie noch nicht kennt. Es sei eine „Einarbeitung von mehreren Monaten“ vorgesehen.
pp/Agentur ProfiPress