Bistumsübergreifende Kirche in Mechernich?
Pfarrer Erik Pühringer macht bei einer GdG-Versammlung, in der es um neue pastorale Räume ging, einen revolutionären Vorschlag – Generalvikariat gab bereits grünes Licht, „in diese Richtung zu denken“
Mechernich – Frischen Wind in die Strukturdebatte der katholischen Kirche im Bistum Aachen brachte am Samstag bei einer Versammlung in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Mechernich Pfarrer Erik Pühringer, der Leiter der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) St. Barbara Mechernich.
Der Geistliche schlug vor, über eine Art Betreuungsvertrag auch den Teil des Mechernicher Stadtgebiets kirchlich mitzuversorgen, der zur Erzdiözese Köln gehört. Pühringer erklärte, er habe diese Möglichkeit bereits mit Generalvikar Dr. Andreas Frick in Aachen erörtert: „Er hat uns gesagt, in diese Richtung kann gedacht werden.“ Zumal nicht nur auf Aachener, sondern auch auf Kölner Seite Strukturveränderungen geplant seien, die isoliert betrachtet nicht zu optimalen Lösungen führen würden.
Zusammen 19 Pfarreien
Mitten durch das Stadtgebiet Mechernich verläuft die Bistumsgrenze. Zum Erzbistum Köln gehört der Seelsorgebereich Veytal mit fünf Pfarrgemeinden (Kommern, Firmenich-Obergartzem, Satzvey, Antweiler und Lessenich), zum Bistum Aachen die GdG St. Barbara Mechernich mit 14 Pfarrgemeinden und einer Filialgemeinde. Was also liege näher, als die Kommune und die kirchlichen Strukturen übereinzubringen?
Eine Konkordat-konforme Gebietsreform müssten die Bischöfe Dr. Helmut Dieser und Rainer Maria Kardinal Woelki aushandeln, so der Mechernicher GdG-Leiter. Das sei aber zeitnah nur sehr schwer vorstellbar. Aber eine vertragliche Lösung für das Stadtgebiet Mechernich sei möglich.
Die GdG St. Barbara Mechernich habe Richtung Philipp Cucks GdG Hellenthal/Schleiden oder Wieslaw Kaczors GdG „Heiliger Hermann-Josef“ (Kall/Nettersheim) relativ wenige Anknüpfungspunkte, so Erik Pühringer. Weder die eine Fusion mit Mechernich, noch die andere ergebe wirklich einen „pastoralen Raum“. Anders sei das mit dem zu Köln gehörenden Teil des Stadtgebiets.
Der Mechernicher Pfarrer: „Im Erzbistum Köln wird ebenfalls umstrukturiert.“ Die Mechernicher Pfarrgemeinden, die bisher dem Seelsorgebereich Zülpich zugeordnet waren, sollen nun dem Seelsorgebereich Bad Münstereifel zugeordnet werden, wo sie aber auch nicht zu hundert Prozent „kompatibel“ seien.
Das aus Eifelvikar Wieslaw Kaczor, Pastoralreferent Georg Nilles und dem Laienvertreter Erich Dederichs gebildete „Regionalteam“ war eigentlich nach Mechernich gekommen, um in der vierten von sechs Gemeinschaften von Gemeinden in der Aachener Bistumsregion Eifel zwei denkbare Alleinstellungs- oder Fusionsmodelle bis 2028 vorzustellen.
Für die Region Eifel stehen drei statt bislang sechs „pastorale Räume“, so der neue Name für „Gemeinschaft der Gemeinden“, zur Debatte: Mechernich plus Kall/Steinfeld, Schleidener Tal plus Blankenheim/Dahlem und Simmerath plus Monschau. Möglichkeit zwei ist die Umwandlung je aller sechs „GdGs“ in „Pastorale Räume“. In diesem Falle bliebe Mechernich selbständig, eventuell ergänzt und bereichert um den Kommerner Teil.
Probeabstimmung für Mechernich
Pfarrer Erik Pühringer ließ eine Probeabstimmung zwischen den beiden vom Pastoralteam vorgestellten Lösungen durchführen, wobei es eine deutliche Mehrheit der rund 60 Teilnehmer für die Mechernicher Alleinlösung gab.
Da bereits Stimmen laut geworden waren, der Beibehalt der bisherigen Aufteilung in sechs GdGs oder „Pastorale Räume“ sei nur eine Finte des Bistums, um auf jeden Fall die Fusion von je zwei GdGs durchzubekommen, wies Pastoralreferent Georg Nilles von sich: „Der Bischof wird definitiv auch diese Variante genehmigen!“
Die knapp zweistündige GdG-Versammlung war weitgehend von einem Vortrag des Referenten, Zahlen und Statistiken geprägt. Sie belegten und untermauerten den zahlenmäßigen Niedergang der katholischen Kirche, auch im Bistum Aachen. 1999 gab es dort noch 1,2 Millionen Katholiken, heute noch eine knappe Million. Die Schätzungen für 2060 schwanken je nach angenommener Steigerungsrate der Kirchenaustritte und Zahl Ungetaufter zwischen 300.000 und 700.000.
Applaus auf offener Szene gab es für den Bleibuirer Unternehmensberater Christoph Meyer, der nach dem Referat eine ernüchternde Bilanz zog: „So viel Betriebswirtschaftliches habe ich in der Kirche noch nie an einem Stück gesehen. Aber wenn meine Kinder, die beide Messdiener sind, gleich fragen, wie es denn in Zukunft mit der Kirche weitergeht, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, was ich ihnen antworten soll.“
Auch andere Christen, die sich in der GdG-Versammlung zu Wort meldeten, beklagten die glaubensinhaltslose Diskussion. Helmut Mehren aus Vussem: „Wie wollen Sie das Rad zurückdrehen? Das hier ist eine rein formelle Geschichte…“ Luise Berners appellierte, die Kirche müsse erst die „Leerstelle Gott“ in der gesellschaftlichen Wahrnehmung wieder füllen, statt sich ausdauernd über Strukturen zu unterhalten.
Orte, an denen der Glaube lebt
Gleichwohl gibt es Hoffnung, da waren sich die Pfarrer Erik Pühringer und Wieslaw Kaczor, Pastoralreferent Georg Nilles und Kirchenvorstand Erich Dederichs einig. Es gebe eine Menge Gemeinschaften, Institutionen und Orte, wo der christliche Glaube gelebt wird.
Allein Erik Pühringer hatte für die Stadt Mechernich eine lange Auflistung, eine neugebildete Familiengruppe in Weyer, den geplanten Kleinen Katholikentag „Out of Church“ am 10. Juni im Eifelstadion, den wiederbelebten Schmerzensfreitag in Kallmuth, die Weltjugendtaggruppe, Camp St. Agnes, ein Jugendzeltlager, das nach drei Sommern Corona-Pause 2023 wieder durchstartet, den ausgesprochen aktiven Familienmesskreis Mechernich und die Verkündigung der Auferstehungsbotschaft durch Laien in der Osternacht.
Georg Nilles verteidigte die Strukturdiskussion mit den Worten: „Der Glaube braucht eine Heimat.“ Pfarrer Pühringer verglich die Situation mit einem Bilderrahmen: „Welches Bild von Kirche wir dann gemeinsam dort hinein malen, das bleibt uns überlassen.“
pp/Agentur ProfiPress