Demokratie „begreifbar“ gemacht
DRK und Stadtverwaltung Euskirchen mit Bürgermeister Sacha Reichelt feierten erfolgreiches Projekt im Euskirchener „Café Henry“ – Workshops, Gruppentreffen und Exkursionen über ein Jahr
Euskirchen – Einmal auf dem Fahrersitz eines echten Polizeiwagens sitzen. Stolpersteine für von Nazis vertriebene oder ermordete Euskirchenerinnen und Euskirchener putzen. Gespräche mit Abgeordneten im Landtag und ein Besuch im Bonner Haus der Geschichte.

All das (und viel mehr) erlebten neuzugewanderte junge Menschen im Projekt „Komm mit – Demokratie zum Anfassen“, das die DRK-Integrationsintegrationsagentur im Auftrag der Stadt Euskirchen durchgeführt hat.

Hier traf Theorie auf Praxis und aus dem teils unbekannten Prinzip der Demokratie wurde ein geschätzter Wegbereiter, der Jeder und Jedem die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung und ein Leben in Freiheit ermöglicht. Dazu machte man gemeinsam Ausflüge, Workshops, Gruppentreffen und mehr. Mitmachen konnten Menschen aus Euskirchen im Alter von sechs bis 27 Jahren. Sogar ganze Familien waren dabei.
Feier im Café Henry
Nun gipfelte das Programm nach fast einem Jahr in einer Abschlussfeier im Euskirchener „Café Henry“. Bei Musik, verschiedensten Leckereien und guter Stimmung fanden hier Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie „Möglichmacher“ zusammen, um gemeinsame zurückzublicken. Die Wände waren dabei gespickt mit vielen Bildern aus den verschiedensten Situationen, die man gemeinsam erlebt hatte.

Mit auf Tour war meistens Mounir Alfatwa vom Roten Kreuz. Seine Kollegin Judith Raß von der DRK-Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit sowie seine Kollegen Thomas Weber und Boris Brandhoff von der DRK-Integrationsagentur wohnten der Feier ebenso bei wie der Euskirchener Bürgermeister Sacha Reichelt. Auch ihm hatte die Gruppe einen Besuch im Euskirchener Rathaus abgestattet. Nun war er zu Besuch gekommen, um ihnen zur Feier des Tages ihre Zertifikate zu überreichen
Blick in deutsche Geschichte
„Gerade in Zeiten wie heute, in denen unsere Demokratie von innen und außen bedroht wird, ist es wichtig zu verstehen, wie sie funktioniert und warum wir sie schützen müssen“, erklärte Boris Brandhoff: „Darum war das Ziel des Projekts, demokratische Institutionen für alle erlebbar zu machen, begreifbar – im tatsächlichen und übertragenen Sinne.“
Mit Thomas Weber und Judith Raß sowie Stefanie Asbeck von der Stadtverwaltung erarbeitete er darum das Konzept, das im Rahmen des Landesprogramms „Gemeinsam MehrWert – Vielfältige Arbeit mit jungen geflüchteten Menschen“ aus Mitteln des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Auch wenn diese Finanzierung nun ende, wünsche man sich für die Zukunft weitere Projekte dieser Art.

Besuche in der NS-Dokumentationsstätte Köln oder im Ausweichsitz NRW der Landesregierung in Urft beleuchteten Teile der deutschen Geschichte wie Zweiter Weltkrieg oder Kalter Krieg. Weitere Themen waren das Leben und der Mauerfall in der DDR samt Berichten einer Zeitzeugin.

In einem Workshop erarbeiteten die Teilnehmenden die Grundlagen von Justiz und Strafverfolgung in Deutschland, sprachen mit einem Schöffen und besuchten am Folgetag eine Verhandlung am Amtsgericht Euskirchen.
Die Rätsel in einem Escape Room enthüllten gegenwärtiges jüdisches Leben in Deutschland, und im Rotkreuz Museum für Menschenrecht und internationales Völkerrecht in Vogelsang ip entdeckte man die Geschichte der größten humanitären Bewegung der Welt. Ein gemeinsamer Zirkus für Teambuilding, interkulturelle Sensibilisierung, individuelle Stärkung und soziale Kompetenz begeisterte vor allem die teilnehmenden Kinder.
„Schön, spannend, lustig“
Mounir Alfatwa freute sich besonders: „Es gab viele schöne, spannende und auch lustige Momente. Beispielsweise fragte ein Teilnehmer, warum man in der DDR nicht um die Mauer nicht herum gehen konnte, was ja eigentlich eine berechtigte Frage ist. Auch, dass wir zusammen Stolpersteine geputzt haben oder die Polizei in entspannten Gesprächen als »Freund und Helfer« wahrgenommen haben, war sehr schön.“ Besonders hätten sie offene Gespräche mit Sacha Reichelt und dem Landtagsabgeordneten Klaus Voussem sehr zu schätzen gewusst. „Dass es dazu in Deutschland die Möglichkeit gibt, wussten viele noch nicht“, resümierte er: „Das Projekt hatte eine sehr gute Resonanz, mit der wir nicht gerechnet hätten!“

Auch Thomas Weber betonte im Nachgang: „Es war für mich ein großartiges und spannendes Projekt. Besonders der direkte Austausch mit den Teilnehmenden und ihren Fragen hat auch mich weitergebracht und neue Gedanken eröffnet. Es ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit, die Teilnehmenden in ihrer positiven, akzeptierenden Haltung gegenüber gesellschaftlicher Vielfalt zu stärken“.

Bürgermeister Sacha Reichelt freute sich ebenso über die vielen netten Teilnehmenden, die Schlange standen, um mit ihm Bilder zu machen. Auch ihren Besuch im Rathaus und die guten Gespräche hatte er in guter Erinnerung uns zog das Fazit: „Eine so spannende wie wichtige Aktion!“
Auch in Zukunft haben Projekte wie dieses, geprägt von Gemeinschaft, Freude, Dankbarkeit und Faszination, also ein großes Potenzial. Boris Brandhoff brachte es auf den Punkt: „Vielleicht sollten wir uns in Deutschland öfter mal fragen, ob wir das, was wir an unserer lebendigen Demokratie haben, auch wirklich zu schätzen wissen?“
pp/Agentur ProfiPress