Stadtarchiv „Meier & Meyer“
Von Norbert Leduc und Kaspar Reck aufgebaut, von Beate Meier fast 35 Jahre geführt und ins Elektronikzeitalter gebracht, geht das Archiv der Stadt Mechernich jetzt in die Hände des Historikers Stephan Meyer über – Über 800 laufende Meter mit über 10.000 Aktenordern, dazu eine Menge Bücher, Festschriften, Fotos, Landkarten, Pläne und auch handfeste Exponate
Mechernich – Wachablösung im Stadtarchiv Mechernich: Beate Meier (63) geht, Stephan Meyer (41) kommt. Die aus Kommern stammende und seit 1978 bei der Stadt beschäftigte Archivarin wird am 1. Mai offiziell in den verdienten Ruhestand versetzt. Sie bleibt ihrem Nachfolger und Namensvetter, dem Wittener Historiker Stephan Meyer, allerdings noch eine Weile in Teilzeit als Beraterin und Hilfe erhalten.
Das Stadtarchiv Mechernich umfasst Urkunden, Akten, Bilder, Filme, Landkarten, Fotos und auch handfeste Exponate wie zum Beispiel alle Gastgeschenke aus den Städtepartnerschaften mit Nyons und Skarszewy.
Außerdem Schulchroniken und Sammlungen, mehrere Barbarafiguren, die Altakten der ehemaligen Ämter Mechernich, Kommern, Satzvey-Wachendorf-Enzen und Hergarten sowie der heutigen Stadt Mechernich.
Insgesamt handelt es sich um 500 laufende Meter Schriftgut im sogenannten Zwischenarchiv, das entspricht rund 6840 Aktenordnern. Im historischen Archiv lagern auf 300 laufenden Metern weitere etwa 1680 Kartons mit aktuell 4505 Archivakten.Beate Meier: „Außerdem gibt es noch circa 34 laufende Meter Personenstandsregister und einen großen Sammlungsbestand, der die Sammlung Leduc, das Archiv Seul, das Archiv Molinari, das Archiv Roggendorf sowie verschiedene kleinere Abgaben beinhaltet, ausserdem 600 Bücher und 200 Festschriften und vieles mehr.“
Das Archiv war zu Beginn der 80er Jahre von Kaspar Reck (heute 90) mit Unterstützung der Fachabteilung des Landschaftsverbandes Rheinland und einiger externer Hilfskräfte aufgebaut worden. 1993 übernahm seine Tochter Beate Meier das Archiv bereits in einem ausgezeichneten und geordneten Zustand, wie sie betont.
Zwischenlager im Luftschutzkeller
Allerdings waren seinerzeit viele Schriftstücke im Keller und auf dem Speicher des alten Rathauses in der Bergstraße sehr unzureichend untergebracht. Daher wurde im Keller der ehemaligen Hauptschule ein Zwischenarchiv eingerichtet, dass einige Jahre später um den historischen Archivbestand aus dem alten Rathaus in Kommern erweitert wurde.
Mit dem Bau des neuen Rathauses 2009 erfolgte für das Stadtarchiv der hoffentlich letzte Umzug. Die Archivalien sind nun dort untergebracht, wo sie auch genutzt werden. Der seit dem 1. März von Beate Meier eingearbeitete Nachfolger kennt sich bereits ziemlich gut in den Findbüchern und den Beständen aus, die in verschiebbaren und begehbaren Aktenschränken untergebracht sind.
Der in Düsseldorf geborene und in Duisburg aufgewachsene Archivar studierte an der Ruhr-Universität Bochum Geschichte und Anglistik. Die Stadt Mechernich war für ihn kein Buch mit sieben Siegeln, als er jetzt die Stellenausschreibung in einem Fachmagazin las. Er kannte Kommern und das Rheinische Freilichtmuseum von mehreren Besuchen, insbesondere der beachteten Sonderausstellungen.
So war er sofort interessiert, inzwischen ist der Wittener auch schon nach hier umgezogen. Die Fast-Namensgleichheit mit Beate Meier habe wohl kaum den Ausschlag gegeben, dass er unter mehreren Bewerbungen den Zuschlag bekam, scherzt der 41-Jährige.
Wie viele der in insgesamt fünf Fachbereichen in der Stadtverwaltung Mechernich produzierten Schriftstücke im Reißwolf und wie viele im Archiv landen, sei höchst unterschiedlich. Personenstandsurkunden aus dem Standesamt würden grundsätzlich zu hundert Prozent in den Archivschränken eingelagert, so Beate Meier.
Während beispielsweise nicht jede Bewilligung eines Standplatzes jeder Kirmes in Mechernich in den 80er Jahren verwahrt werden muss, so Stephan Meyer: „ Deshalb heben wir solche Aufzeichnungen nur exemplarisch auf, und vor allem die Liste der Schausteller und Händler, damit man in hundert Jahren noch genau nachvollziehen kann, wie so ein Rummelplatz früher von einer Kommunalverwaltung abgewickelt wurde.
Verwaltungshandeln verstehen
Allerdings würde der Großteil solcher sich ständig wiederholender „Vorgänge“ geschreddert. Beate Meier: „Es geht bei der Auswahl der archivierten Akten zum einen darum, dass Verwaltungshandeln erkennbar wird und auch in der Zukunft verstehbar bleibt, zum anderen soll mit einem Minimum an Schriftgut ein Maximum an Informationswert erhalten werden.“
Oft werden Akten, Karten oder Gegenstände aus Privatbesitz zum Stadtarchiv gebracht. „Zum Beispiel eine kleine Holzkiste mit Gestellungsbefehlen, persönlichen Papieren und Zeugnissen aus der Kaiserzeit“, so Stephan Meyer.
Zusammen mit Beate Meier zeigt er dem Reporter eine große Bergkarte von einem Eisensteinabbau bei Wachendorf, den der Vorbesitzer auf seinem Speicher in Essen fand und dem Stadtarchiv Mechernich in der Eifel meldete. Beate Meier: „Unser Dezernent Ralf Claßen hatte zu der Zeit gerade im Ruhrgebiet zu tun und hat das »Schätzchen« mit zurück an den Bleiberg gebracht“.
Als Hauptaufgaben ihres Nachfolgers nennt sie die Fortführung der bereits begonnenen Digitalisierung. Das als Dauerleihgabe überlassene Archiv der Familie Seul, und das Archiv Roggendorf wurde mit Hilfe des Landschaftsverbandes Rheinland mikroverfilmt und im Oberrieder Stollen eingelagert, dem zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland für Dokumente mit hoher national- oder kulturhistorischer Bedeutung.
Elektronische Datenträgerkopien der jeweiligen Filmen, so genannte Digitalisate, befinden sich im Stadtarchiv Mechernich selbst. Die scheidende Stadtarchivarin Beate Meier: „Auch einige Chroniken sind bereits digitalisiert. Aber auf dem Gebiet wartet noch viel Arbeit auf den neuen Archivar.“
Crashkurs in Bleiberg-Mentalität
Stephan Meyer bekommt zurzeit auch einen Crashkurs in Sachen Mechernicher Mentalität und Besonderheiten. Nicht alles, was historisch interessant wäre, zum Beispiel aus der großen Bergbaugeschichte der Stadt, ist dem Stadtarchiv auch zugänglich. Viele Exponate und Fotosammlungen befinden sich in Privatbesitz oder bei den bergbaugeschichtlichen Traditionsvereinen und im Bergbaumuseum.
Übung als Archivar hat der Historiker bereits bei verschiedenen anderen Tätigkeiten wie im musischen Zentrum der Ruhr-Uni Bochum gesammelt. Der gebürtige Düsseldorfer freut sich auf seine Arbeit in der Stadt Mechernich, die zu einem nicht unerheblichen Teil – wie bei Beate Meier – in der Beantwortung von Anfragen Dritter aus aller Welt bestehen dürfte. „Familienforschung bekommt seit 20 Jahren einen immer höheren Stellenwert in der Bevölkerung“, so Stadtarchivarin Beate Meier: „Wir hatten schon Anfragen aus USA, Israel und Australien.“
Die Anfragen kommen in so großer Zahl, dass ihre Beantwortung gebührenpflichtig ist. Es werden neun Euro pro angefangener Viertelstunde berechnet, so Stephan Meyer: „Manchmal wissen die Leute die Schreibweise des Nachnamens nicht ganz genau und auch die Geburt können sie nur vage aufs Jahrzehnt angeben, dann müssen wir umfängliche Nachforschungen anstellen, um was rauszubekommen.“
pp/Agentur ProfiPress