„Im Krieg gibt es nur Verlierer“
Volkstrauertag Kall im kleinsten Rahmen – Bürgermeister Hermann-Josef Esser appelliert an „seine“ Bürger: „Toleranz bewahren, gemeinsame humanistische Werte verteidigen“
Kall-Steinfeld – Pandemiebedingt fanden die jährlichen Zeremonien der Gemeinde Kall zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof Steinfeld sowie im Kaller Kernort in weit kleinerem Rahmen statt. Auch der aktuelle Bezug der Volkstrauer hatte diesmal einen geweiteten aktuellen Bezug. Und zwar nicht nur Covid 19, sondern auch die zunehmende Radikalisierung der Gesellschaft.
Bürgermeister Hermann-Josef Esser in Steinfeld: „Mit Entsetzen müssen wir feststellen, dass es auch im Deutschland des Jahres 2020 Bestrebungen gibt, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wieder in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.“
Esser schlug einen Bogen zurück vor den Ersten Weltkrieg, ins Kaiserreich, das auch nicht frei war von kolonialistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologie. Auch das gelte es zu betrauern am Volkstrauertag, fand der Bürgermeister sinngemäß und zitierte aus dem frisch erschienenen fünfbändigen Werk „Gedenkbuch für Soldaten aus der Gemeinde Kall/Eifel im ersten Weltkrieg 1914 – 1918“ von Andreas Züll.
Danach resümierte Esser: „Wir sehen, dass selbst in Zeiten größter Not und gemeinsam ertragenen Leides nicht das Gemeinsame, das Einende überwog, sondern das Trennende aus Intoleranz, Ausgrenzung und Rassismus.“
„Opfer ohne jeden Sinn“
Er verglich die Belastungen der Menschen heute angesichts der weltweiten Covid-19-Pandemie mit Kriegszeiten und erklärte: „Unsere Belastung heute relativiert sich im Vergleich zu den Entbehrungen und dem unsäglichen Leid der Menschen in den Weltkriegen und in den Zeiten danach.“
Esser weiter: „Im Gegensatz zu heute waren die Entbehrungen in den Kriegen aber ohne jeden Sinn: Kriege kennen nur Verlierer. Auch auf Seiten der »Siegermächte« waren Millionen von Toten und Verwundeten zu beklagen, auch dort waren die Menschen geplagt von Hunger, wirtschaftlicher Not und politischer Instabilität.“
Esser und Pater Wieslaw Kaczor SDS, der Pfarrer von St. Pontentinus und Leiter der GdG Kall-Steinfeld, vollzogen auf dem Soldatenfriedhof Steinfeld stellvertretend für alle Menschen in der Gemeinde die traditionellen zeremoniellen Handlungen zum Volkstrauertag. Unterstützt wurden die beiden von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Kall, an der Spitze Wehrleiter Harald Heinen, und zwei Messdienern.
Für gemeinsame Werte eintreten
Ebenfalls mit von der Partie waren Roman Hövel, der neue Ortsvorsteher von Wahlen und Steinfeld, sowie der Steinfelder Autor Andreas Züll. Pater Wieslaw Kaczor betete um Frieden in der Welt, bevor er das große Kreuz und die umliegenden Kreuze und die Anwesenden segnete.
Auf der Kriegsgräberstätte am Kloster Steinfeld sind 633 Kriegstote bestattet worden. Am Eingang steht eine Stele, in der ein Buch ihre Namen enthält. Bürgermeister Hermann-Josef Esser bittet alle Bürger seiner Gemeinde, die Mahnung dieser und aller Opfer von Krieg, Terror und Gewalt ernst zu nehmen.
Er appellierte am Volkstrauertag an die Bürger: „Bleiben Sie weltoffen und tolerant und treten Sie aktiv für unsere gemeinsamen Werte einer demokratischen und humanen Gesellschaft ein!“ Esser wünscht sich, dass die Covid-Krise bis Herbst nächsten Jahres überwunden ist und man sich wieder auf bewährte Weise im großen Kreis zum Volkstrauertag treffen kann.
pp/Agentur ProfiPress