„Danke – und Tschüss“
Großartiger Abschiedsgottesdienst für den aufgelösten Männergesangverein von 1863 -Vize-Bürgermeister Egbert Kramp: „Ein Stück Mechernicher Kulturgeschichte geht zu Ende“
Mechernich – „Ein Stück Mechernicher Kulturgeschichte geht zu Ende“, konstatierte Vize-Bürgermeister Egbert Kramp am Sonntag am Schluss einer imposanten Abschiedsmesse für den Männergesangverein 1863 Mechernich, der sich nach 160 Jahren aufgelöst hat.
Zu Ehren der letzten 18 Sänger und mit ihnen zusammen spielten und sangen die Bergkapelle Mechernich unter Uli Poth und die befreundeten Männergesangvereine Vussem und Kommern unter der Gesamtleitung des Kirchenmusikers Erik Arndt.
„Es war wunderschön, Euch noch einmal singen zu hören“, sagte Pfarrer Erik Pühringer mit einem letzten Hoffnungsschimmer: „Wer Spaß an der Chormusik hat, kann ja mal Freitagsabends im Rathauscafé zu dem MGV-Stammtisch gehen, der auch weiterhin bestehen soll.“
Werner Zeyen, der letzte Schriftführer des als Verein zum Jahreswechsel offiziell liquidierten Ensembles schloss völlig unpretentiös mit den Worten: „Danke… und Tschüss“.
Am 13. November 1863 hatten sich 32 stimmbegabte Männer zum „Mechernicher Männer-Gesangverein“ zusammengetan. „Die neue katholische Pfarrkirche war 1858 fertiggestellt worden, sollte aber erst im September 1866 festlich eingeweiht werden“, schrieb der Regionalhistoriker Peter-Lorenz Koenen in einer zweiteiligen Abhandlung im Mechernicher „Bürgerbrief“ über das Ende des MGV: „Der Bleibergbau strebte seinem ökonomischen Höhepunkt mit über 4000 Beschäftigten zu.“ Mechernich wuchs rasant – von 647 Einwohnern im Jahre 1850 innerhalb von nur 14 Jahren auf dreimal so viele, knapp 2000.
Außer Maloche selbstgemachte Musik
„Zu der Zeit entstanden viele Gaststätten und Geschäfte. Es wurden neue Vereine und Zusammenschlüsse gegründet. Mit ihnen stieg die Zahl der Feste. Musik und Gesang kamen in Mode und fanden nicht nur auf der passiven Seite Liebhaber“, so Koenen. Neben der schweren Arbeit unter und über Tage im Bleierzabbau und seiner Verhüttung bedurften die Menschen am Bleiberg auch der musischen Abwechslung und der handgemachten Kultur.
160 Jahre später finden sich keine zwei Dutzend Männer mehr, um ein Repertoire auf die Beine zu stellen. Der Chorleiter fehlt. Wie die meisten Chöre litt der MGV unter extremem Nachwuchsmangel, wie auch Gabriele Heis, die Vorsitzende des Kreis-Chorverbandes Euskirchen, im Abschiedsgottesdienst beklagte.
Sie wurde für die ausgezeichnete Zusammenarbeit ebenso von Werner Zeyen mit Blumen geehrt, wie die Pfarrsekretärin und Kirchenaktivistin Agnes Peters, die stets ein offenes Ohr für die Belange des MGV gehabt habe. Pfarrer und GdG-Leiter Erik Pühringer dankte der MGV für seine Verbundenheit – und die unentgeltliche Überlassung des katholischen Johanneshauses als Probenlokal.
Kirchenmusiker Erik Arndt gehörten Dank und Anerkennung des Schlussmoderators vor allem dafür, dass er sich in der Schlussphase des Mechernicher Männer-Gesangvereines angenommen hatte, wie Arndt es auch war und ist, der den ebenfalls von Personalmangel und fehlendem Dirigenten betroffenen MGV 1858 Kommern einstweilen über die Runden hilft.
Der Idee des Mechernicher Organisten und Chorleiters und Intendanten des Eifeler Musikfestes in Kloster Steinfeld war es auch zu verdanken, dass die bis auf Weiteres letzten ambitioniert singenden Männer von Mechernich am Sonntag gemeinsam auftraten. Das waren neben den letzten Mechernicher Sangesbrüdern die befreundeten MGVs von Kommern 1858 und Vussem 1892 unter Heinz Sistig.
Kirmes rausholen und Trauertag
Vize-Bürgermeister Egbert Kramp, der den am 88. Geburtstag seiner Mutter nicht anwesenden Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick vertrat, erinnerte nicht nur an die vielen kirchlichen Anlässe, zu denen der MGV Mechernich stets in Aktion getreten war: „Kirmesknochenausgraben und Volkstrauertag sind ohne Euch schwer vorstellbar!“ Werner Zeyen rief viele gemütliche Abende und Ausflüge in Erinnerung, die auch das gesellige Leben im Verein nicht zu kurz kommen ließen.
Konzertabende mit und ohne Bergkapelle, Auftritte in Seniorenkreisen und Pflegeheimen, aber auch die Teilnahme an Geburtstagen und leider auch an Beerdigungen seien wie alle Wechselfälle des Lebens stets mit einer musikalischen Note flankiert worden, so Werner Zeyen, der allen voran „unseren Zuhörern“ dankte, die die Probentätigkeit des Ensembles stets mit Wohlwollen und vermutlich auch mit Freude bei dessen Auftritten verfolgt hätten.
Den Gottesdienst eröffnete Erik Pühringer mit der theologischen Einordnung des „Großreinemachens“ Jesu im Tempel von Jerusalem. Das Tagesevangelium berichtete nämlich von der Vertreibung der Devotionalien- und Opfergabenhändler aus dem Gotteshaus, die mit den sakralen Handlungen vor allem Reibach machen wollten.
Pühringer: „Manchmal müssen wir uns von Überflüssigem trennen, aufräumen, Frühjahrsputz halten, damit wir wieder einen freien Blick auf das Wesentliche im Leben gewinnen.“ Die Zehn Gebote seien dabei eine Hilfe, ein „überschaubarer Regelkatalog im Vergleich zur heutigen Gesetzes- und Verordnungsflut“, so Pühringer. Und doch habe Jesus den Dekalog nochmal auf drei Merkmale reduziert, die man sich zu eigen machen sollte, damit das Leben gelingt: „Gottes- Selbst- und Nächstenliebe“.
Wenn man sich selbst nicht in Liebe annehme mit allen Ecken und Kanten, „wie will man denn dann den Mitmenschen akzeptieren und mögen?“, so der Pfarrer und GdG-Leiter von Mechernich.
pp/Agentur ProfiPress