Aktuelles

ProfiPress

Agentur für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, journalistische und redaktionelle Dienstleistungen.

Nachrichten

“Bürger müssen sensibler werden”

“Bürger müssen sensibler werden”
Die Stadt Mechernich hat ein neues Forderungsmanagement auf die Beine gestellt: Zahlungssäumige müssen jetzt auch mit dem Besuch des Vollstreckungsbeamten am Wochenende rechnen, manche Leistung gibt es zukünftig nur noch gegen Vorkasse – 3,7 Millionen Euro Außenstände
Mechernich – Die Zahlungsmoral der Deutschen ist ungebrochen schlecht. Was in der freien Wirtschaft die an Profit orientierten Unternehmen schwächt und letztlich Arbeitsplätze in Gefahr bringt, wächst sich in den Städten und Kommunen zu einem Problem aus, das jeden Bürger ganz persönlich betrifft. So verzeichnen die deutschen Kommunen derzeit Außenstände von 6,8 Milliarden Euro. Geld, das letztlich den Bürgern selbst fehlt und die Liquidität der ohnehin finanziell schwer angeschlagenen Städte und Kommunen weiter verschlechtert. Noch schlimmer: wenn diese aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten wiederum Kredite aufnehmen müssen, um ihre Pflichtausgaben leisten zu können.
Dabei ist es bei vielen Schuldnern oft nur Gedankenlosigkeit, die aber in der Masse zu einem riesigen Problem wird. Bei ihrer Eröffnungsbilanz 2006 stellte die Stadt Mechernich fest, dass sie noch Forderungen in Höhe von 2,1 Millionen Euro ausstehen hat. “Da stellte sich für uns die Frage, was sind diese Forderungen eigentlich noch wert”, berichtete jetzt der städtische Kämmerer Ralf Claßen. Denn Forderungen, die über 90 Tage alt sind und bereits einen größeren Verwaltungsaufwand (Mahnungen, vergebliche Vollstreckungen) verursacht haben, sind natürlich weitaus weniger wert als die, die erst eine Woche alt sind. Schließlich muss man diesen Forderungen den bereits geleisteten Verwaltungsaufwand gegenüberstellen. Das Ergebnis der softwaregestützten Untersuchung war denn auch sehr enttäuschend: Die Forderungen mussten auf 1,3 Millionen Euro abgewertet werden. Schlimmer noch: Zum 31. Dezember 2008 hatten sich die ausstehenden Forderungen bereits auf 2,6 Millionen Euro verdoppelt.
“Daraufhin haben wir uns überlegt, was man gegen die schlechte Zahlungsmoral einiger Schuldner, wozu auch Gewerbetreibende und Vereine zählen, unternehmen kann”, so Claßen. Man holte sich die Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft “Rödl und Partner” mit ins Boot, die das Forderungsmanagement der Stadt detailliert untersuchte. Bernd Stemmler, zuständig für die Vollstreckung, Kassenleiter Franz Glehn, Stefan Mannz, Leiter der Finanzbuchhaltung, und Kämmerer Ralf Claßen stellten die Ergebnisse dieser Untersuchung jetzt vor. Eine wesentliche Konsequenz der umfangreichen Analyse wird sein, dass sich die Arbeitszeiten der Vollstreckungsbeamten ändern werden. “Ab sofort müssen zahlungsunwillige Bürger damit rechnen, dass sie auch mal abends nach 18 Uhr Besuch bekommen oder sogar am Samstag”, so Claßen.
Weiterhin muss ab sofort bei vielen Leistungen der Verwaltung um Vorkasse gebeten werden. Denn in der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass die Stadt beispielsweise auf den Kosten für eine Wohngeldbescheinigung in Höhe von acht Euro sitzen geblieben ist. “Das ist allein schon deshalb nötig, da jeder Vollstreckungsfall mit gut 50 Euro zu Buche schlägt”, so Claßen. Dies sei einfach ineffizient und belaste letztlich jene Bürger, die ihre Schulden sofort bezahlten. Doch auch wenn es zusätzliche Kosten schafft, verzichten werde man auf keine einzige Forderung. Dies wäre ja auch mehr als ungerecht gegenüber allen Bürgern, deren Zahlungsmoral in Ordnung ist.
400 Vollstreckungsfälle im Monat
Allein im letzten Jahr, so Claßen, kamen 4600 neue Vollstreckungsfälle hinzu mit einem Volumen von 1,8 Millionen Euro. Die Stadt hat aber bereits 2009 einen Teil des neuen Forderungsmanagements realisiert und 5000 Vollstreckungsfälle mit einem Gesamtvolumen von 2,4 Millionen Euro abgearbeitet. Dennoch gibt es noch immer 3,7 Millionen Euro an Außenständen. “Im Monat kommen bei uns gut 400 neue Vollstreckungsfälle hinzu”, so Claßen. Dies nicht zuletzt deshalb, da die Stadt auch Forderungen von Dritten wie beispielsweise der GEZ, dem Kreis Euskirchen oder auch der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft eintreiben muss.
“Dank des neuen Forderungsmanagements konnten wir den negativen Trend stoppen”, so Claßen weiter, der betonte, dass es nicht darum gehe, die Bürger zu ärgern, sondern einzig und allein darum, ein effektiveres Wirtschaften zu ermöglichen, das letztlich allen Bürgern zu Gute komme. Der Kämmerer empfahl, der Stadt bei wiederkehrenden Buchungen eine Einzugsermächtigung zu erteilen. Dann brauche man keine Sorge zu haben, angemahnt zu werden. Anträge dazu könne man auf der Internetseite der Stadt herunterladen.
“Seine Gebühren nicht zu zahlen ist ja kein Kavaliersdelikt”, so der Kämmerer. Menschen, die zahlen können, es aber dennoch nicht tun, lebten im Grunde auf Kosten der Allgemeinheit. Das sei vielen von ihnen wahrscheinlich gar nicht so recht klar. “Hier müssen die Bürger auf Dauer sensibler werden”, sagte er. Und der Leiter der Finanzbuchhaltung, Stefan Mannz, fügte hinzu: “Wir können den Leuten nun mal nicht den Strom abstellen oder ihnen die Mülltonne wegnehmen.” Deshalb appelliere man an die Einsichtsfähigkeit der Bürger. Schließlich sei die Stadt ein Gemeinwesen, so Claßen, das nur optimal funktioniere, wenn jeder Bürger die gleichen Rechte und Pflichten habe und begreife, dass sein persönliches Fehlverhalten letztlich allen Bürgern der Stadt schade.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

03.03.2010