Anpacken statt Abwarten
Gelbe „Streetbuddies“ sorgen für mehr Sicherheit im Satzveyer und Lessenicher Straßenverkehr – Marco Kaudel und Familie bauten die Figuren nach Hilberather Vorbild, um Autos, Trecker und Laster zu bremsen
Mechernich-Satzvey/Lessenich – Die aus Holz gefertigten Figuren sind knallgelb und exakt 89 Zentimeter groß. Mit der Höhe könnten sie auch ein Kind sein. Marco Kaudel, der Ortsvorsteher von Lessenich, hat die „Streetbuddies“ in Satzvey und Lessenich aufgestellt. Dort, wo viel Verkehr herrscht und gerade die Kleinsten gefährdet sind.
Die Streetbuddies warnen die Verkehrsteilnehmer unermüdlich und eindringlich: „Vorsicht! Langsam! Hier sind Kinder unterwegs!“ Wie nahezu jeden Morgen donnern auch heute wieder schwerbeladene Laster, kleine und große Autos durch die schmale Ortsdurchfahrt von Satzvey. In Lessenich ist die Situation zum Teil vergleichbar, insbesondere in Bezug auf die „gefühlte Geschwindigkeit“.
Die Figuren sind in Handarbeit gefertigt. Um sie herzustellen haben Marco Kaudel, seine Frau Sabrina und sein Schwiegervater Peter Wrase emsig in der heimischen Werkstatt gewerkelt. Insgesamt zehn Exemplare hat das Trio mittlerweile produziert und am Straßenrand in Satzvey und Lessenich aufgestellt.
Seitens Ordnungsbehörde hatte man Kaudel seinerzeit „grünes Licht“ für die „Streetbuddies“ gegeben. „So lange die Figuren keinen Verkehrsteilnehmer behindern, dürfen die gerne am oder auf dem Bürgersteig aufgestellt werden“ so Peter Kern der Leiter des Mechernicher Ordnungsamts.
Autofahrer fahren aufmerksamer
Für seine selbstlose Aktion erntete er bereits viel Lob von den Anwohnern der beiden Dörfer, die erste Erfolge spüren: „Es ist auffällig, die Autofahrer fahren wirklich anständiger und aufmerksamer“, lautet ein Fazit von Saskia Matuschek aus Lessenich
Gefertigt sind die Holzfiguren nach Hilberather Vorbild. Marco Kaudel war auf dem Weg zur Arbeit, als er sie dort entdeckte. Er erinnert sich: „Die Streetbuddies in dem Ort waren angezogen. Sie hatten eine Mütze auf und eine Hose an. Im ersten Moment dachte ich wirklich, da steht ein Kind.“
Die Hilberather haben die Warnfiguren zusätzlich öfters versetzt. Zwei Tage da, zwei Tage dort. „Das hat auf mich eine riesige Wirkung gehabt. Ich habe immer abgebremst und geguckt“, berichtet Kaudel. Später seien die Hilberather Holzfiguren gelb angestrichen worden.
„Das könnte man adaptieren“, dachte er sich und packte eines Morgens daher einen Zollstock und einen Foto-Apparat für den Weg zur Arbeit mit ein und nahm vor Ort Maß am Prototyp. Sein Schwiegervater sei handwerklich sehr begabt. „Er hat die Figuren anhand meiner Maße und Fotos neu abgemalt, ausgeschnitten und dann haben wir angefangen zu reproduzieren.“
Ins Rollen gekommen, war die Streetbuddy-Aktion eigentlich schon vor einigen Wochen. Während seines Wahlkampfes um den Posten im Rat der Stadt habe er mehrmals Station für eine Gesprächsrunde mit den Anwohnern in Satzvey gemacht und ebenfalls eine Bürgerversammlung zur Autobahnanbindung und Ortsumgehung organisiert und moderiert.
„Zutiefst betroffen“
Kaudel: „Nach einer dieser Veranstaltungen bin ich zutiefst betroffen nach Hause gegangen. Mir wurde klar, die Anwohner leiden Tag für Tag extrem unter der Verkehrssituation im Ort.“ Irgendwie müsse doch da eine Lösung zu finden sein. Die Satzveyer hätten oft genug schon das Gefühl gehabt, damit von der Politik allein gelassen zu werden. Kaudel ist überzeugt: „Auch kleine Dinge können Gutes bewirken“.
Die Satzveyer Bürger hatten ihm bei den Treffen von abgefahrenen Dachrinnen, Lkw-Fahrern, die Passanten beschimpften und bespuckten, während kleine Kinder dabei waren, und auch von Spaziergängern, die von Spiegeln fahrender Autos touchiert worden seien, berichtet. „Gottseidank ist noch nie was Schlimmeres passiert“, so Kaudel, der sich das gar nicht ausmalen mag.
Fakt ist aber: Eine Autobahnanbindung oder eine Ortsumgehung, die Erleichterung und Entlastung verschaffen könnte, werde es so schnell nicht geben können. Das brauche leider Zeit, weiß Kaudel. „So ein Vorhaben kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden.“ Daran seien zu viele auswärtige Gremien und Instanzen beteiligt. Obgleich ein Gutachter in der jüngsten Sitzung des Mechernicher Stadtentwicklungsausschuss sogar deutlich machte, dass die zusätzliche Anbindung einen hohen ökologischen Wert habe und durchaus gut fürs Klima sei.
Angesichts dieser schwierigen Ausgangsbasis schwor er sich „anzupacken statt abzuwarten“, um zumindest Erleichterungen für die Satzveyer zu schaffen.
Gut zweieinhalb Stunden Arbeit steckten Marco Kaudel und seine Mitstreiter in die Herstellung eines Buddies, von denen es Mädchen- und Jungen-Versionen gibt. Der Materialwert liege bei etwa 35 Euro pro Stück, was der Lessenicher Ortsvorsteher gerne spendete. Alle Figuren wurden aus MDF-Holz gefertigt und vier Mal lackiert. „In der zweiten Charge haben wir denen noch reflektierende Leuchtaufkleber vergeben.“ Nach den ersten Buddies war ihm nämlich klar geworden: „In der Dunkelheit sieht man die Streetbuddies nur begrenzt.“
Auge auf „Buddies“
Mittlerweile haben auch Anwohner Patenschaften für die aufgestellten Figuren übernommen und ein Auge auf die „Buddies“, damit sie nicht geklaut oder mutwillig beschädigt werden, so Kaudel, der berichtet: „Zwei Figuren mussten schon repariert werden, eine ist komplett verschwunden.“
Der engagierte Kaudel will es aber nicht allein bei dieser ersten Aktion belassen, sondern hat jetzt schon weitere Pläne in der Schublade. So könnten beispielsweise Banner aufgehangen werden, um den Schulweg, der gespickt ist mit schmalen Fußgängerwegen an verkehrsintensiven Straßen, für Satzveyer Kinder sicherer zu gestalten.
Als frischgebackenes Ratsmitglied will er die Satzveyer auffordern, in den Dialog zu treten, auch, um vielleicht ein schlagkräftiges Schülerlotsenteam mit der Grundschule zu organisieren. „Damit will ich auch nochmal deutlich machen: Die Schüler brauchen sich nicht vor dem Verkehr zu verstecken. Sie haben ein Anrecht darauf, dort entlang zu laufen und zwar so sicher wie möglich.“ Darüber hinaus könnten „Fußstapfen“ an markanten Stellen auf die Bürgersteige angebracht werden, wo Fußgänger und PKW-Fahrer sie am besten sehen. Sie sollen zusätzlich auf den Bürgersteigen den besten und sicheren Weg leiten.
Außerdem appelliert Kaudel: „Erwachsene sind immer getrieben von Hektik, Eile und beruflichem Stress. Wenn wir uns da alle einfach nur ein wenig zurücknehmen und aufmerksam sind, dann können wir gefährliche Situationen entspannen und dafür sorgen, dass wir alle vernünftig durch den Straßenverkehr kommen.“
„Nachahmen“ ausdrücklich erwünscht betont Kaudel. Auf Wunsch leiht er gerne die Muster aus Pappkarton aus und gibt die Einkaufsliste für die Materialien weiter.
pp/Agentur ProfiPress