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Altern in Mechernich

Altern in Mechernich
Stadt bereitet sich auf den Zuzug von jungen Familien und “Aktivsenioren” vor – Reportern und dem Bürgermeister wurden bei unterschiedlichen Terminen Alterssimulationsanzüge vorgeführt – Sie bekamen ein Gespür dafür, wie schwer alles im Greisenalter fallen kann – Krankenpflegeschule am Kreiskrankenhaus Mechernich wird 50 Jahre jung
“Plötzlich ist es still. Die Gespräche, die ich noch vor wenigen Sekunden deutlich verfolgen konnte, verschwimmen und werden zu einem Murmeln. Wenn ich mich anstrenge, kann ich einzelne Satzfetzen ausmachen. Aber auch nur dann, wenn mich meine Gesprächspartner direkt anschauen. Das Aufsetzen der Kopfhörer mit eingebautem Dämpfer ist die vorletzte Etappe auf einer Zeitreise, die mich von jetzt auf gleich um 40 Jahre altern lässt.”
So beginnt eine eindrucksvolle Ich-Reportage der Kommerner Journalistin Claudia Hoffmann, die der “Kölner Stadt-Anzeiger” in seiner heutigen Ausgabe abdruckt. Die Reporterin hatte ebenso wie ihre Kollegen Manfred Hilgers und Klaus Pesch von der “Kölnischen Rundschau” an einem Experiment in der Geriatrie des Kreiskrankenhauses Mechernich teilgenommen, das Menschen jüngeren Alters mit Hilfe eines Simulationsanzuges in die Rolle von Greisen schlüpfen lässt.
Ausprobieren durfte das vor allem die Abschlussklasse der Mechernicher Krankenpflegeschule, die 2011 50 Jahre alt wird. Die Schulleiterin und Diplom-Pflegepädagogin Nadine Zens hatte das Alters-Experiment im Fernsehen gesehen, und sich gleich darum bemüht, es an Ort und Stelle ihren angehenden Gesundheits- und Krankenpflegern zugänglich zu machen. Die Vertreter der Zeitungsredaktionen durften an dem Termin in der Geriatrie des Kreiskrankenhauses Mechernich teilnehmen.
“Im ersten Schritt haben Bandagen an Knien und Ellenbogen die Beweglichkeit meiner Gelenke bereits deutlich eingeschränkt”, fährt die Stadtanzeiger-Autorin Claudia Hoffmann fort: “Im Inneren angeraute Handschuhe lassen von nun an jeden meiner Griffe schmerzhaft pieksen und machen feinmotorische Handlungen so gut wie unmöglich.”
Von außen weise nichts auf die Last hin, die der rote Overall verberge, der auf den ersten Blick wie ein normaler “Blaumann” wirke – nur eben rot. Der vom Saarbrücker Institut Meyer-Hentschel entwickelte Spezialanzug war für das Mechernicher Experiment mit sechs Kilogramm Zusatzgewichten ausgestattet worden, die den Muskelschwund und die damit verbundene erhöhte Anstrengung simulieren sollten.
Eine solche Alters-Simulation hatte unlängst auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Wohnverbundes Sanden, einem Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Handicaps im Stadtgebiet Mechernich, über sich ergehen lassen.
Auch Schick kletterte in einen so genannten Alterssimulationsanzug. Er musste allerdings eine 15 Kilo schwere Bleiweste überstreifen, hinzu kamen Handschuhe, Ohrenschutz und eine Brille, die das Sichtfeld einschränkte. Derart “gealtert” musste Dr. Hans-Peter Schick seine Schuhe binden oder eine Flasche Sprudel öffnen. Nachher verstand der erste Bürger besser als vorher, wie sich die älteren Mitbürger fühlen.
“Dass eine gute Vorsorgepolitik auch aufgrund der demografischen Entwicklung für Mechernich, das medizinische Zentrum im Kreis Euskirchen und darüber hinaus, eminent wichtig ist und bleibt”, das, so Schick, hätten die Stadtväter schon lange erkannt und in konkrete Politik umgemünzt.
Schick wiederholte in seiner jüngsten Neujahrsansprache vergangenen Sonntag in der Aula des städtischen Mechernicher Schulzentrums, dass sich die Stadt im Mittelpunkt des Kreises mit Bahn- und Autobahnanschluss sowie Sitz des Kreiskrankenhauses Mechernich und seiner zahlreichen Einrichtungen positioniert habe, um verstärkt den Zuzug nicht nur junger Familien, sondern auch älterer Menschen zu bewältigen.
Mechernich geht davon aus, dass viele Aktivsenioren an der Schwelle zum Rentenalter die Stadt als Wohnsitz für Jahrzehnte wählen werden, weil sie hier von der völligen Unabhängigkeit bis zur völligen Pflegebedürftigkeit alle Wohn- und Lebensmöglichkeiten einschließend einer hervorragenden medizinischen Infrastruktur vorfinden.
In ihrer Reportage schreibt die simulationstechnisch um 40 Jahre gealterte Kommerner Journalistin Claudia Hoffmann: “Schon für das Schließen der komfortabel großen Druckknöpfe benötige ich die doppelte Zeit, an den winzigen Hemdknöpfen werde ich später fast verzweifeln. . . Durch das eingeschränkte Gesichtsfeld verschwinden die Menschen seitlich von mir aus meinem Blick. Die Welt aus Watte wird klein in meinem geriatrischen Kokon. Die Zurufe von außen überhöre ich, die mich im Straßenverkehr möglicherweise vor einem herannahenden Auto gewarnt hätten . . . Alles wird beschwerlich: das Gehen, das Steigen von Treppen und selbst kleinste alltägliche Handlungen, wie das Aufschneiden von Brötchen, sind mühsam.”
Im bereits gestern erschienenen Artikel der “Kölnischen Rundschau” heißt es, die Ausbildung zum staatlich examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger, wie sie seit 50 Jahren an der Mechernicher Krankenpflegeschule praktiziert wird, werde von jedem Krankenhaus in der Bundesrepublik anerkannt.
“Insgesamt 75 Schüler werden im Rahmen der dreijährigen Ausbildung von fünf Lehrkräften unterrichtet, pro Jahr rund 25”, schreibt der Redakteur Klaus Pesch. Zugangsvoraussetzung sei ein erfolgreich abgeschlossener Klasse-10-Hauptschulabschluss. Nadine Zens wird mit den Worten zitiert: “Es ist schon eine anspruchsvolle Ausbildung, bei der es nicht ausreicht, ein guter Praktiker zu sein. Wir haben auch 2100 Stunden reine Theorie!”
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

24.01.2011